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Rassismus-Streit an Siegburger SchuleJetzt wehren sich die Schulbuch-Autoren

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Das Gymnasium an der Siegburger Alleestraße

Köln/Siegburg – In der hitzig geführten Debatte um eine umstrittene Passage zum Thema Zwangsverheiratung in einem Philosophie-Buch für die Jahrgangstufe 10 haben sich nun auch die Autorinnen und Autoren des Verlages zu Wort gemeldet. In ihrer sieben Punkte umfassenden Stellungnahme weisen sie die Kritik der „Föderation Türkischer Elternvereine“ in Nordrhein-Westfalen (Fötev) entschieden zurück. Diese hatte den Verfassern des Buches vorgeworfen, die betreffende Aufgabenstellung bediene sich des Vokabulars „rechtsradikaler Populisten“ und trage dazu bei, Klischees in den Köpfen der Schüler zu verfestigen.

In ihrem Schreiben verteidigen sich die Autoren: „Die auch in Deutschland präsente Praxis von Zwangsehen unter philosophischen Kriterien zu problematisieren, bedeutet gerade nicht, generell türkischstämmige Menschen in Deutschland zu diskriminieren.“

Schüler sollten ethische Konflikte diskutieren

Die ganze Diskussion, die inzwischen sogar die NRW-Landesregierung beschäftigt, geht auf eine Philosophie-Stunde am Siegburger Gymnasium Alleestraße zurück. Dort sollten Schülerinnen und Schüler anhand von konkreten Beispielen mögliche ethische Konflikte diskutieren, die durch in anderen Kulturen verankerten Traditionen entstehen können.

Dabei griff der Lehrer auf die Aufgabenstellung aus dem begleitenden Schulbuch des Cornelsen-Verlags zurück. Darin heißt es: „Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines verstorbenen Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern.“

Aufgabe verstoße gegen Diskriminiserungsfreiheit

Die Aufgabe wurde anschließend von der türkischen Community auf Social-Media-Kanälen verbreitet. Auf die Schule ergoss sich ein Shitstorm. Die Fötev formulierte einen offenen Brief an die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer. Über einen Sprecher ließ sie mitteilen, dass die in Rede stehende Aufgabe gegen das Kriterium der Diskriminierungsfreiheit verstoße.

Die Schule, seit Jahren gegen Rassismus engagiert, entschuldigte sich. Auch der Berliner Verlag bedauerte die „unnötig zugespitzte und klischeehafte“ Darstellung und kündigte an, schon im März eine neue Ausgabe mit geänderter Formulierung drucken zu wollen.

Autoren fühlen sich missverstanden

Die Autorinnen und Autoren indes verteidigen ihr Buch, das bereits seit 2015 in dieser Fassung ausgeliefert wird. Sie fühlen sich missverstanden, in ihrer Erklärung verzichten sie offenbar ganz bewusst auf Worte des Bedauerns oder der Entschuldigung. Die betreffende Aufgabe würde eben gerade nicht Diskriminierung fördern. Sie sei eingebettet in einen umfassenden Problemzusammenhang, nämlich der Frage, „ob es für alle Menschen verbindliche, universal gültige Normen gibt oder ob jede Kultur sich nach ihren eigenen Normen richten sollte“.

Fallbeispiele trügen zu Empathie bei

Die Schüler würden in dem Kapitel sogar aufgefordert, die Perspektiven der Mitglieder anderer Kulturen einzunehmen, um deren Handeln nachvollziehen zu können. Die betreffende Passage „liefert gezielt die Sorge um das Wohl der Familie und speziell die Verantwortung für den Neffen als moralische Motive, die den türkischen Familienvater bewegen könnten, seine Tochter gegen ihren Willen zu verheiraten“, heißt es in der Stellungnahme. Man habe darauf aufmerksam machen wollen, dass „solche Handlungsweisen einen durchaus moralischen Charakter haben können, auch wenn sie den in der westeuropäischen Welt geltenden moralischen Normen widersprechen“. Fallbeispiele wie das der türkischen Familie seien aus Gründen der „Anschaulichkeit und Empathie unverzichtbar“.

Die Fötev hatte zuvor kritisiert, der Einbettungskontext sei „egal“. Er ändere „nichts an der Tatsache, dass diese die Vorurteile und Klischees untermauern, die in einer vielfältigen und auf gegenseitigem Respekt aufbauenden Gesellschaft keinen Platz haben“. Dem halten die Autoren nun entgegen, dass es ein Grundprinzip der Philosophiedidaktik sei, Sachverhalte und Probleme in größeren Zusammenhängen zu betrachten.

Zahlreiche Reaktionen seitens der Leserinnen und Leser

Die Berichterstattung über die Debatte hat viele Menschen aufgewühlt. In Briefen an die Redaktion warfen die Leserinnen und Leser im Tenor vor allem eine Frage auf: Wo sollte man solche komplexen ethischen Diskurse führen, wenn nicht im Philosophieunterricht? Die Autoren sehen es offenbar ähnlich: „Die in unserer Gesellschaft existierenden Konflikte müssen auch in der Schule angesprochen werden können; mehr als anderswo ist dort ein rationaler Diskurs über diese Konflikte möglich.“

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Der Verlag war nach eigener Aussage über die Stellungnahme der Autorenschaft nicht informiert worden. Möglicherweise fühlten sich die Verfasser von ihrem Berliner Auftraggeber durch die prompte Entscheidung, die Passage zu ändern, im Stich gelassen. Kommentieren jedenfalls wollten sie das Vorgehen nicht. Eine weitere Nachfrage lässt die Pressesprecherin des Verlages unbeantwortet.

Schule zeigt sich erschrocken über Anfeindungen

Die Kölner Bezirksregierung hatte sich besorgt über die Schärfe der Debatte gezeigt. Die Schule sei erschrocken über die „massiven Anfeindungen und haltlosen Unterstellungen“. Es sei in dieser Unterrichtsreihe nie um „Kulturen- oder Religionenbashing“ gegangen, sagte ein Sprecher. Zudem wies er noch am Dienstag daraufhin, dass die Siegburger Gemeinde der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) ebenfalls einen kritischen Brief verfasst, aber auf ein Gesprächsangebot der Schule noch nicht eingegangen sei. Inzwischen aber habe man sich unterhalten, bestätigte die Schule am Freitag auf Nachfrage. Über den Inhalt der Gespräche wollte man sich indes nicht äußern.