Mehr als zwei Wochen lang galt der Kremlgegner als verschwunden. Nun macht er sich in einem Video über Putins reaktionäres Moskau lustig.
Nawalny verspottet Putins Propagandisten„Du hattest wahrscheinlich auch eine Nacktparty?“
Wenige Wochen nach seiner Verlegung in ein neues Straflager im hohen Norden Russlands ist von dort erstmals ein Video von Kremlgegner Alexej Nawalny aufgetaucht. Der kurze Clip, den russische Medien veröffentlichten, stammt aus einer Videoschalte, über die Nawalny zu einem Gerichtstermin in die Region Wladimir unweit von Moskau zugeschaltet wurde.
Es gehe ihm gut, ließ er die dort vor dem Bildschirm sitzenden Journalisten wissen. „Es gibt nur ein Problem“, fügte er in seiner gewohnt scherzhaften Art hinzu. „Ich weiß aber nicht, an welches Gericht ich mich damit wenden soll: Das Wetter ist schlecht.“
Alexej Nawalny trollt Wladimir Putins reaktionäres Moskau
Es war nicht Nawalnys einziger Scherz. Der politische Gefangene meldete sich auch zu einer frivolen „Fast-Nackt“-Party russischer Promis im vergangenen Dezember zu Wort – und machte sich über die Empörung von Wladimir Putins Propagandisten und den kremlnahen reaktionären Kreisen in Russland lustig. Die Promi-Zusammenkunft war aus dieser Ecke mitunter als „satanisch“ bezeichnet worden.
„Hattest du eine Party?“, fragte Nawalny einen Beamten der Gefängnisbehörde während der Videokonferenz vor Gericht. „Du hattest wahrscheinlich auch eine Nacktparty wie Iwlejewa?“, fügte er gut gelaunt an. Instagram-Influencerin und TV-Moderatorin Anastasia Iwlejewa hatte zu der „Fast-Nackt“-Party in Moskau geladen.
Alexej Nawalny vor Gericht: „Du hattest wahrscheinlich auch eine Nacktparty?“
Russland hat unterdessen mit drakonischen Maßnahmen auf die frivole Party im Dezember reagiert. Ein russischer Rapper, der nur mit einer Socke über dem Penis teilgenommen hatte, wurde wegen „LGBT-Propaganda“ und „Rowdytum“ für 25 Tage inhaftiert, mit einer Geldstrafe belegt – und hat nun auch noch seinen Einberufungsbescheid für die russische Armee erhalten.
Andere Teilnehmer wurden ebenfalls mit Geldstrafen belegt, bei manchen wurden zu dem kurz nach der Party Steuerermittlungen in die Wege geleitet. Der berühmte Moskauer Club „Mutabor“ wurde in der Folge für 90 Tage geschlossen. Wann Nawalny von der Party erfahren hat, blieb zunächst unklar. Der Oppositionelle war im Dezember mehrere Wochen von der Bildfläche verschwunden, was zu großen Sorgen bei seinen Unterstützern geführt hatte.
Erstes Lebenszeichen nach wochenlanger Suche nach Nawalny
Erst Ende Dezember wurde dann bekannt, dass der 47-Jährige in das entlegene Straflager „Polarwolf“ in der Jamal-Region weitab vom Machtzentrum Moskau verlegt worden war. Zuvor hatten seine Unterstützer wochenlang nach ihm gesucht, weil das russische Strafvollzugssystem ihnen keine Auskunft über Nawalnys Verbleib gab.
Seine Angehörigen reagierten damals zwar erleichtert auf das erste Lebenszeichen – zugleich betonten sie, dass der Machtapparat von Präsident Wladimir Putin den Kremlgegner in dem als besonders brutal geltenden Lager wohl noch mehr isolieren wolle.
Drittes Jahr in Haft für Putin-Gegner Nawalny: Proteste geplant
In dieser Woche wurde zudem bekannt, dass Nawalny wegen eines angeblichen Regelverstoßes erneut in eine Einzelstelle gesteckt werden soll. Diese Strafmaßnahme musste er schon in seinem alten Lager oft erdulden; Menschenrechtler sehen darin eine Art von Folter sowie den Versuch, den Willen des Oppositionspolitikers zu brechen.
Anlässlich des dritten Jahrestags seiner Inhaftierung riefen Nawalnys Anhänger unterdessen weltweit zu Demonstrationen am 21. Januar auf. „Lasst Putin nicht gewinnen“, schrieb Nawalnys ins Ausland geflüchteter Chefstratege Leonid Wolkow auf seinem Telegram-Kanal. Geplant sind Demonstrationen allerdings nur im Ausland – auch wegen der starken Repressionen in Russland.
Nawalny überlebt Mordanschlag mit Nervengift – und sitzt nun im Straflager „Polarwolf“
Besonders aktiv soll in Deutschland demonstriert werden. Hier sind gleich zehn Veranstaltungsorte aufgeführt: Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hannover, Saarbrücken, Ludwigshafen, Göttingen und Köln.
Nawalny ist unter anderem wegen angeblichem „Extremismus“ zu insgesamt 19 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. International jedoch wird der Politiker, der 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebte, als politischer Gefangener eingestuft. Menschenrechtsorganisationen fordern seit langem Nawalnys Freilassung, auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) setzt sich regelmäßig für die Freilassung des Kremlkritikers ein. (mit dpa)