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BSW in der KriseSahra Wagenknecht und die Suche nach dem verlorenen Trend

Lesezeit 4 Minuten
Die Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin des Bündnisses Sahra Wagenknecht BSW, Sahra Wagenknecht, vor einem Wahlkampfauftritt. /

Die Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin des Bündnisses Sahra Wagenknecht BSW, Sahra Wagenknecht, vor einem Wahlkampfauftritt. /

Der Trend ist kein Anhänger von Sahra Wagenknecht – die Kaderpartei gerät in schweres Fahrwasser, die Fünfprozenthürde wird zur Herausforderung. Kann Wagenknecht ihre Partei noch zum Erfolg führen?

Zuversicht, das ist ein Wort, an dem sich Sahra Wagenknecht im Wahlkampfendspurt festhält. Ihr Polit-Start-up BSW schrammt eine Woche vor der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde. Das gefährdet das selbst gesetzte Ziel, als erste neue politische Kraft in der Bundesrepublik auf Anhieb den Sprung in den Bundestag zu schaffen. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht scheint das Momentum abhanden gekommen zu sein. Doch die Chefin sagt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben sehr gute Wahlveranstaltungen.“

Die Säle füllt sie immer noch. 1000 Menschen hörten ihr am Montag in Dresden zu, mehr als 500 am Dienstag in Erfurt, fast 1300 am Mittwoch in Kassel. Wagenknecht liefert Drama: „Unsere Industrie schmiert ab“, ruft sie in Dresden in den Saal. Die Preise stiegen an. Und: „Es ist schlecht bestellt um die Meinungsfreiheit in Deutschland.“

Es ist eine Abwärtsrhetorik, die Wagenknecht so routiniert wie energisch einsetzt. Den Saal, in dem sich hinter der letzten Stuhlreihe noch Hunderte Anhänger stehend drängen, hat sie schnell hinter sich. „Unzufriedenheit“ ist ein Schlüsselwort in Wagenknechts Rede. Unzufriedenheit mit CDU, SPD und vor allem Grünen, Unzufriedenheit wegen gestiegener Mieten, geringer Renten, schwer bezahlbarem Alltag, unkontrollierter Zuwanderung. Wagenknecht will den Menschen vermitteln, dass ihre Sorgen kaum jemand ernst nimmt. Wer es dennoch tue, gelte als Störer. „Fast die gesamte Medienlandschaft ist gegen uns“, klagt sie.

Parteiaustritte „schaden erheblich“

Doch im BSW kriselt es. Vergangene Woche traten mehrere bayerische Kader aus der Partei aus, darunter der Europaabgeordnete Friedrich Pürner. Er trat heftig gegen den Führungszirkel nach: „Im Inneren des BSW herrscht eine Kultur des Misstrauens und der Überwachung. Ein autoritäres Verhalten hat sich breitgemacht“, klagte Pürner. Eine „Gruppe von machttaktisch erfahrenen Personen“, damit sind die früheren Linken-Führungskräfte gemeint, habe „die interne Macht an sich gerissen“.

Wagenknecht reagiert auf die Kritik nicht, wirft Pürner vor allem den Zeitpunkt seines Austritts vor: „Wenn sich Herr Pürner bei uns nicht mehr wohlfühlt, und das hat er ja schon vor einem Monat oder zwei Monaten kundgetan, hätte er auch dann gehen können, oder bis nach der Bundestagswahl warten können“, sagt sie dem RND. „Dass er es jetzt just so kurz vor der Wahl macht, um damit uns doch erheblich zu schaden, zeugt nicht von Charakterstärke. Immerhin verdankt er uns ja auch ein sehr lukratives Mandat.“

Mit Trumps Ukraine-Vorstoß verliert Wagenknecht ein weiteres Wahlkampfthema

Den größten Applaus erhält Wagenknecht, nicht nur in Dresden, beim Thema Russland. Der Westen habe wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine aus ihrer Sicht den Tod Tausender junge Männer mitzuverantworten. Sie kritisiert die Äußerung von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, das Bündnis müsse sich auf einen Krieg vorbereiten.

Donald Trumps Ankündigung eines Treffens mit Russlands Kriegsherr Wladimir Putin begrüßt Wagenknecht: „Es ist gut, dass endlich zwischen den USA und Russland Verhandlungen aufgenommen werden, um das Sterben und die Zerstörung in der Ukraine zu beenden“, sagt sie. „Jahrelang wurden diejenigen, die für Friedensverhandlungen anstelle endloser Waffenlieferungen eingetreten sind, in Deutschland wahlweise als Naivlinge oder Putin-Freunde diffamiert. Jetzt beweist Trump, dass die Aufnahme von Verhandlungen jedenfalls nicht an der fehlenden Bereitschaft des Kreml scheitert.“ Doch mit Trumps Vorstoß hat Wagenknecht auch bei diesem Wahlkampfthema, das die Menschen in Scharen zu ihren Versammlungen treibt, ihr Momentum verloren.

Ein AfD-Wahlsieg 2029? „Wenn es so weitergeht, bin ich davon überzeugt“

Ohne das BSW, wirbt Wagenknecht, werde im nächsten Bundestag etwas fehlen: „Wir sind wichtig, damit die Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, eine ehrliche Vertretung haben“, sagt sie den RND. „Und es braucht uns als Friedenspartei.“

Gemeinsame Abstimmungen mit der AfD schließt Wagenknecht weiter nicht aus. „Wir wollen im nächsten Bundestag einen Corona-Untersuchungsausschuss durchsetzen. Und wenn das Quorum nur mit der AfD zu erreichen wäre, dann wird das Quorum halt mit der AfD erreicht.“ Eine Ausgrenzung der AfD sei falsch: „Wir müssen endlich ihre Wählerinnen und Wähler ernst nehmen und deren Anliegen, statt sie auszugrenzen“, wirbt Wagenknecht. Denn wenn es so weitergehe wie bisher, „bin ich tatsächlich überzeugt, dass die AfD gute Chancen hat, 2029 den Kanzler zu stellen. Wenn die alten Parteien weitermachen, die uns in diesen Niedergang hineingeführt haben, dann wird der Niedergang weitergehen.“

Das BSW sei anders als die AfD eine „Opposition mit seriösen Konzepten“, wirbt Wagenknecht. Doch die Oppositionsrolle hat die Neupartei durch ihre Regierungsbeteiligungen in Thüringen und Brandenburg im Herbst bereits aufgegeben. Danach kam wenig – ein weiterer möglicher Grund, warum der Zulauf zum BSW zurückgegangen ist.

Wagenknecht sieht das naturgemäß anders. Am Freitag brachte Brandenburg auf Drängen des BSW einen Entschließungsantrag im Bundesrat ein, Renten bis 2000 Euro von der Steuer zu befreien. Die Regierungsbeteiligung lohne sich also.