Wann werden die US-Republikaner aufhören, an Donald Trump zu glauben? Er ist weit mehr als nur eine Fehlbesetzung im Weißen Haus.
Kommentar zum MissbrauchsurteilSexismus und Peinlichkeit – Trump braucht eine Therapie und kein Präsidentenamt
Auch in den USA mahlen die Mühlen des Rechtsstaats mitunter langsam. Aber immerhin: Es gibt eine unabhängige Justiz. Ein Bundesgericht in New York verkündete soeben in einem Zivilprozess, es sei erwiesen, dass Donald Trump die Modemagazin-Autorin E. Jean Carroll vor 23 Jahren sexuell missbraucht hat. Er soll ihr in der Umkleidekabine eines noblen Ladens in Manhattan die Strumpfhose heruntergezogen und sich an ihr vergriffen haben. Dafür muss der damalige Immobilienmagnat und spätere US-Präsident nun fünf Millionen Dollar zahlen.
Das Urteil hat historische Bedeutung. Nie zuvor hat ein amerikanisches Gericht einen früheren Präsidenten wegen sexueller Übergriffe zu Schadenersatz verurteilt.
Es geht um die Zukunft der USA
Die Justizentscheidung aus New York ist aber weit mehr als nur ein Rückblick auf irgendeine Episode vor mehr als 20 Jahren. Das Urteil wird in den kommenden Wochen und Monaten die Debatte über die politische, gesellschaftliche und auch kulturelle Zukunft der USA beeinflussen. Denn es betrifft nicht nur einen früheren, sondern zugleich auch möglichen künftigen Präsidenten: Laut Umfragen genießt Trump derzeit unter allen potenziellen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 die größte Zustimmung.
Die Republikaner, vom Wahlkampfmanager in Washington bis zum eifrigen Vorwahl-Wähler irgendwo in der Provinz, werden sich fragen lassen müssen: Ist das euer Ernst? Soll dieser peinliche Mann, ein schmieriger Typ, der als Nachbar ein Alptraum wäre und als Partygast unerträglich, noch einmal in Betracht kommen für eine Präsidentschaftskandidatur?
Im Jahr 2016 prahlte Trump: „Meine Wähler sind so loyal - ich könnte mitten auf der 5th Avenue jemanden erschießen und würde trotzdem keine Anhänger verlieren.“ Jetzt stellt sich die Frage: Gilt das auch für die gerichtlich festgestellte Erniedrigung einer Frau in einer Umkleidekabine?
Im Jahr 2005 verkündete Trump, dokumentiert durch einen Tonmitschnitt, wie seine Grundhaltung gegenüber Frauen aussieht: „Wenn du ein Star bist, lassen die dich alles machen. Du kannst sie an der Pussy anfassen, du kannst alles machen.“
Als das Band 2016 im Wahlkampf gegen Hillary Clinton veröffentlicht wurde, konnte man die Hoffnung hegen, nun sei Trump erledigt. Doch den Republikanern gelang es, die Äußerungen als „locker room talk“ herunterzuspielen: alles nur so etwas wie Geschwätz in der Männerumkleide.
Trumps Frauenverachtung wurde damals maskiert, verharmlost - und unter der Hand sogar zum Element eines unseligen Kulturkampfs gemacht: Seht her, lautete die Botschaft, hier tritt ein kumpeliger, lässig daherredender Mann an gegen eine zugeknöpfte politisch korrekte Frau.
Wer so tickt, braucht eine Therapie
Die New Yorker Gerichtsentscheidung zeigt nun, dass es nicht beim Geschwätz geblieben ist. Seit Jahrzehnten hält sich Trump für einen Star und für unwiderstehlich. Frauen gegenüber, die das anders sehen, sieht er sich zu Übergriffen berechtigt. Wer so tickt, braucht eine Therapie. Von öffentlichen Ämtern indessen sollte man ihn fernhalten, auch wenn sein Narzissmus ihn immer wieder ins Rampenlicht treibt.
Die spannende Frage lautet nun: Wann endlich werden die US-Republikaner dies alles einsehen? Schon Bob Dylan sang: Die Zeiten ändern sich. Die „Me-too“-Debatte hat in den vergangenen Jahren manches verschoben, unterwegs ist jetzt in den USA eine neue Generation junger selbstbewusster Frauen, die sich weniger bieten lassen denn je.
Die Zeit ist längst reif für eine Frau im Weißen Haus. Die Demokraten wären gut beraten, sich von Joe Biden dankbar zu verabschieden und sich für Gretchen Whitmer zu entscheiden, die Gouverneurin von Michigan. Die Republikaner könnten mit Nikki Haley aus South Carolina einen Schlussstrich unter die Ära Trump ziehen. Nicht nur Amerika, die ganze Welt könnte von einer solchen Erneuerung profitieren.