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Fragen und AntwortenSolidaritätszuschlag: Was ist das, und warum ist er nun ein Fall für den Bundesfinanzhof?

Lesezeit 5 Minuten
Auf einem Steuerbescheid wird der Posten Solidaritätszuschlag ausgewiesen

Auf einem Steuerbescheid wird der Posten Solidaritätszuschlag ausgewiesen.

Steht der Solidaritätszuschlag nach 32 Jahren nun endgültig vor dem Aus? Darüber verhandelt der Bundesfinanzhof nach einer Klage.

Ist der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß? Darüber verhandelt am Dienstag Deutschlands höchstes Steuergericht, der Bundesfinanzhof in München. Es geht nicht weniger als um Milliardenbeträge für den Bund – und deutliche Entlastungen für Spitzenverdienende. Warum die Zusatzabgabe ein Fall für die Justiz ist und was es mit dem Soli überhaupt auf sich hat: Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist der Solidaritätszuschlag?

Der Solidaritätszuschlag wurde im Jahr 1991 unter der Regierung von Altkanzler Helmut Kohl (CDU) als ergänzende Abgabe zur Einkommens-und Körperschaftssteuer eingeführt. Grund für die zunächst auf ein Jahr begrenzte Zusatzabgabe waren die finanziellen Mehrbelastungen des Golfkrieges. Deutschland übernahm im Zweiten Golfkrieg Kosten in Höhe von knapp 17 Milliarden D-Mark, unterstützte zudem arabische Nachbarstaaten mit etwa 2 Milliarden D-Mark. Mit dem Solidaritätszuschlag sollte dieses Geld wieder reingeholt werden. Zum 30. Juni 1992 lief der Soli aus, wurde dann aber 1995 wieder eingeführt, um die Wiedervereinigung mithilfe aller Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren.

Was ist der Solidarpakt?

Neben dem Soli gab es als weitere finanzpolitische Maßnahme zudem den Solidarpakt. Dies war die Einigung zwischen Bund und Ländern, die Lebensbedingungen in Ostdeutschland an die westlichen Bundesländer anzugleichen. Der Solidarpakt I trat 1995 in Kraft und lief 2004 aus. Die neuen Bundesländer erhielten über diesen Finanzausgleich insgesamt 94,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2005 folgte der Solidarpakt II, der Ende 2019 auslief. Hierüber stellte der Bund den ostdeutschen Ländern eine weitere Förderung mit einem Gesamtvolumen von etwa 156,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Wie berechnet sich der Solidaritätszuschlag?

Der für die Refinanzierung der Golfkriegskosten eingeführte Soli betrug 7,5 Prozent pro Jahr der Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuer. Da die Zusatzabgabe 1991 und 1992 jeweils für sechs Monate galt, wurden in beiden Jahren 3,75 Prozent erhoben. 1993 und 1994 musste kein Soli gezahlt werden.

Mit der Wiedereinführung im Jahr 1995 zur Finanzierung der deutschen Einheit war der Solidaritätszuschlag erneut mit 7,5 Prozent veranschlagt worden. Ab 1998 reduzierte sich die Zusatzabgabe auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer auf 5,5 Prozent. Die Regelung galt bis 2020.

Seit 2021 müssen den Soli nur noch Spitzenverdienende zahlen, das sind etwa 10 Prozent der Steuerpflichtigen. Die Freigrenze liegt bei einem Jahreseinkommen von rund 63.000 Euro für Ledige, bei Ehepaaren bei etwa 125.000 Euro. Während der Soli bis 2021 noch rund 19 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt spülte, sank das Aufkommen mit den Änderungen auf etwa 11 Milliarden Euro.

Wieso ist der Solidaritätszuschlag aktuell ein Fall für den BFH?

Hintergrund ist ein seit drei Jahren laufender Rechtsstreit eines Ehepaares aus Bayern mit dem Finanzamt Aschaffenburg. Unterstützt wird die Klage vom Bund der Steuerzahler (BdSt). Die Eheleute beklagen, dass sie den Soli ab 2020 weiterhin zahlen sollen – obwohl die Grundlage dafür nach dem Ende des Solidarpakts II entfallen sei.

Weiter monieren sie, dass die Zusatzabgabe lediglich zur Finanzierung der Wiedervereinigung eingeführt wurde und damit nicht der allgemeinen Finanzierung des Bundeshaushalts dienen dürfe. Darüber hinaus verstoße die Beschränkung der Sonderabgabe auf 10 Prozent der Steuerpflichtigen gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz, der in Artikel 3 geregelt ist: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Und weiter: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Womit befassen sich die Richter?

Im Unterschied zur Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer steht der Soli nur dem Bund zu. Die Länder sind von den Solieinnahmen ausgenommen. Vor der Verhandlung erklärte der BFH deshalb: „Der Bund muss daher einen Grund für den Sonderbedarf haben.“ Deshalb stelle sich die Frage, „ob die Wiedervereinigung noch 30 Jahre nach der Wende einen besonderen Finanzbedarf begründet, die eine Fortführung des Solidaritätszuschlags weiterhin rechtfertigt“.

Sollte es diese nicht geben, müsse geprüft werden, ob andere Gründe die Erhebung ab dem Jahr 2021 rechtfertigen könnten. Das BFH nennt dabei etwa einen erhöhten Finanzbedarf in der Folge der Corona-Pandemie, des Krieges in der Ukraine oder zur Bekämpfung des Klimawandels. „In diesem Fall kann auch zu entscheiden sein, ob eine derartige ‚Umwidmung‘ des Solidaritätszuschlags einer ausdrücklichen Entscheidung des Bundestags (Parlamentsvorbehalt) bedarf.“ Ebenso wird geprüft, ob der Gleichheitssatz im Grundgesetz damit verletzt wird, den Soli „nur noch für die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher zu erheben“.

Welche Meinungen gibt es zum Soli?

Der BFH ordnete den Solidaritätszuschlag bislang als verfassungsgemäß ein. Darüber entschieden die Richter bereits in den Jahren 2005, 2007 und 2011. Die Entscheidungen bezogen sich allerdings nicht auf den Soli in 2020 und ab dem Jahr 2021, wie das BFH deutlich macht. Bereits nach den vorangegangenen Rechtsprechungen wurde darauf hingewiesen, dass sich die verfassungskonforme Legitimation für zukünftige Jahre ändern könne. Und weiter: „Die überwiegenden Stimmen im juristischen Schrifttum halten den Solidaritätszuschlag mittlerweile, das heißt spätestens ab 2021, für verfassungswidrig.“

Im Zuge der Ampeldiskussionen um weitere Entlastungen für Bürger und Betriebe hatte sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu Jahresbeginn für eine Senkung der Steuerlast ausgesprochen. „Beispielsweise die Abschaffung des sogenannten Solidaritätszuschlags wäre eine schnell wirksame Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“, sagte der FDP-Chef. SPD und Grüne wollen dagegen am Soli festhalten. Entsprechend hitzig ist auch der Diskurs innerhalb der Regierung, dass sich Lindners Ministerium nicht am Verfahren beteiligen will – so wie es noch von seinem Vorgänger und dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant war.

Wie geht es nach der BFH-Verhandlung weiter?

Nach der Verhandlung am Dienstag will das BFH am 30. Januar seine Entscheidung bekannt geben. Sollte er den Soli für verfassungswidrig halten, wird er das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht (BVG) vorlegen. Dieses sei dann dafür zuständig zu klären, ob die Regelungen zum Solidaritätszuschlag mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sind. Erklärt das BVG den Soli für nichtig, treten die Regelungen rückwirkend außer Kraft. Entscheiden die Richter, dass dieser unvereinbar mit dem GG ist, würde die Erhebung der Zusatzabgabe zu einem bestimmten Stichtag entfallen. Weist der BFH die Kläger hingegen ab, könnten diese noch Verfassungsbeschwerde einlegen.