Seit fast 80 Jahren regieren die Sozialdemokraten in Bremen. Das wird auch so bleiben.
„Wir sind saustolz“SPD gewinnt Wahl in Bremen – Grünen-Spitzenkandidatin Schaefer kündigt Rückzug an
Die SPD hat die Wahl im Land Bremen mit großem Abstand gewonnen. Die Sozialdemokraten lagen am Sonntagabend nach Hochrechnungen von ARD und ZDF klar vor der CDU. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) könnte seine bisherige rot-grün-rote Koalition fortsetzen. Er kündigte aber an, nicht nur mit Grünen und Linken über ein Bündnis zu sprechen, sondern auch mit der CDU.
Bovenschulte sprach von einem „grandiosen Ergebnis“ für seine Partei, die seit fast 80 Jahren den Bürgermeister stellt. Die mitregierenden Grünen landeten den Hochrechnungen zufolge auf Platz drei, jedoch mit deutlichen Verlusten. Dahinter folgten der dritte Koalitionspartner Linke und die rechtspopulistische Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW), die stark zulegte. Die FDP schaffte knapp den Wiedereinzug in das Landesparlament, die Bremische Bürgerschaft. Die AfD war nicht zur Wahl zugelassen, weil sie zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht hatte.
Den Hochrechnungen der Sender zufolge lagen die Sozialdemokraten mit 29,6 bis 29,9 Prozent vorn - sie konnten ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2019 (24,9 Prozent) verbessern. Die CDU mit Spitzenkandidat Frank Imhoff kam auf 26 bis 26,7 Prozent (2019: 26,7). Die Grünen rutschten ab auf 11,3 bis 12,2 Prozent (17,4). Die Linke erreichte mit 10,9 Prozent in etwa das gleiche Ergebnis wie 2019 (11,3). Die Bürger in Wut legten stark zu auf 9,5 bis 9,7 Prozent (2,4). Die FDP nahm mit 5,2 Prozent nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde (5,9). Die Wahlbeteiligung wurde mit 57,4 bis 57,5 Prozent angegeben - weniger als 2019 mit 64,1 Prozent.
Die SPD erhält laut diesen Hochrechnungen 28 Sitze in der Bürgerschaft. Die CDU kommt auf 24 bis 25 Sitze, die Grünen kommen auf 10 bis 11. Die Linke bekommt 10 Mandate, die FDP 5 und die BiW 9.
Grüne unzufrieden mit Ergebnis in Bremen
Auch die Landeswahlleitung veröffentlichte eine Hochrechnung auf Basis der bis 22.20 Uhr ausgezählten Stimmzettel, die den Zahlen der Sender weitgehend entsprach. SPD-Bundeschef Lars Klingbeil sagte, der Sieg gebe „Rückenwind auch für uns hier in Berlin“. Zur Koalitionsfrage sagte er: „Die brauchen keine Ratschläge von der Bundesebene.“
Grünen-Chef Omid Nouripour räumte ein, es habe „sicher keinen Rückenwind“ von den Grünen im Bund gegeben. Es sei ein „Tag der Demut“. Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer sprach von einem bitteren Ergebnis und sagte, sie scheue sich nicht, selbst Verantwortung zu übernehmen. Am Montag kündigte sie ihren Rückzug an. Nach den Stimmverlusten bei der Bürgerschaftswahl in Bremen werde Schaefer einer nächsten Landesregierung nicht mehr angehören. „Ich ziehe als Spitzenkandidatin die Konsequenz aus diesem Ergebnis gestern und stehe für die kommende Legislaturperiode nicht mehr als Senatorin zur Verfügung“, sagte die bisherige Umwelt- und Mobilitätssenatorin am Montag in Bremen.
Hofreiter kritisiert Fehler der Grünen vor Ort
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter führt das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Wahl in Bremen und Bremerhaven auf Fehler vor Ort zurück - er sieht aber auch mangelnden Rückenwind aus dem Bund. „Das Ergebnis ist enttäuschend. Es ist uns nicht gelungen, über die Kernwählerschaft hinaus groß zu mobilisieren“, sagte der Bundestagsabgeordnete. „Es gab Fehler vor Ort wie die Debatte über die „Brötchentaste“„, führte Hofreiter aus.
Umweltsenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer strich die Option zum kostenlosen 15-minütigen Parken in Bremen im April. Da die Zeitspanne von 15 Minuten für den raschen Gang zum Bäcker reichte, wurde die entsprechende Funktion am Parkautomaten auch „Brötchentaste“ genannt. „Veränderungen in der Verkehrspolitik sind immer heikel. Solche verhetzbaren Entscheidungen im Wahlkampf zu treffen, ist ungeschickt“, kritisierte Hofreiter.
Hofreiter sieht auch mangelnden Rückenwind aus dem Bund
„Aber ich muss zugeben, dass es auch keinen optimalen Rückenwind aus Berlin gab. Die Debatten der letzten Zeit um den Heizungstausch und Patrick Graichen waren nicht hilfreich“, sagte Hofreiter. Wirtschaftsstaatssekretär Graichen war an der Auswahl von Michael Schäfer als neuem Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) beteiligt, obwohl dieser sein Trauzeuge war, was heftige Kritik auslöste.
Mit Blick auf die Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition mit SPD und FDP erklärte Hofreiter: „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Kanzleramt den Grünen ungern Erfolge gönnt, und deshalb braucht es eine noch klarere und härtere Verhandlungsstrategie. Wir müssen uns stärker absichern, dass gefundene Kompromisse auch von allen Seiten getragen werden. Man kann das Gebäudeenergiegesetz nicht vier Mal neu verhandeln.“
CDU steht bereit für Sondierungsgespräche mit der SPD
Kanzler Olaf Scholz (SPD) lasse es zu, dass die Teile der Koalition sich nicht an Absprachen hielten. „Ich hoffe, dass am Ende allen klar ist, dass die Ampel - bei allem harten Ringen um den richtigen Kurs - am Ende nur erfolgreich ist, wenn alle Beteiligten gefundene Kompromisse verteidigen und dazu stehen“, sagte Hofreiter. Er hoffe nach dem Wiedereinzug der FDP in die Bremer Bürgerschaft nun auf eine bessere Zusammenarbeit mit den Freidemokraten.
CDU-Spitzenkandidat Frank Imhoff sagte, seine Partei stehe bereit für Sondierungsgespräche mit der SPD. „Wir wollen natürlich mitregieren.“ Die CDU erreichte aus Sicht ihres Spitzenkandidaten ihr Ziel allerdings nicht. „Wir haben unser Wahlziel - wir wollen die stärkste Partei werden - verfehlt“, sagte der Politiker bei der CDU-Wahlparty. Linken-Spitzenkandidatin und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hofft auf schnelle Sondierungsgespräche, wie sie sagte. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai äußerte sich zuversichtlich, dass die FDP wieder in die Bürgerschaft einziehe. „Das war unser Hauptziel.“
Kühnert: Sind „saustolz“ auf SPD in Bremen und Bremerhaven
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeigte sich hochzufrieden mit dem voraussichtlichen Sieg seiner Partei. „Wir sind saustolz auf die SPD in Bremen und Bremerhaven“, sagte Kühnert am Sonntagabend.
CDU-Vize Carsten Linnemann riet Bremens SPD-Bürgermeister unterdessen davon ab, die bisherige Koalition mit Grünen und Linken fortzusetzen. So wie es in Bremen etwa im Bildungsbereich, bei der Verschuldung oder Sicherheit aussehe, könne man mit dieser Konstellation nicht weitermachen, sagte Linnemann im ZDF. Bovenschulte müsse das entscheiden. „Aber ich finde, es braucht einen Neustart für Bremen, und dieser Verantwortung sollte er nachkommen.“
CDU-Vize Jung: Lage der CDU im Bund anders als in Bremen
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung sieht im Scheitern seiner Partei keinen Hinweis auf die bundesweite Lage der Partei. Bremen sei für seine Partei schon immer ein schwieriges Pflaster gewesen, sagte Jung am Sonntagabend in der ARD. Auf Bundesebene gebe es eine andere Lage, dort lägen CDU/CSU in allen Umfragen weit vor der SPD.
Die rechtspopulistischen BiW profitierten davon, dass die AfD nicht zugelassen war und ziehen nun erstmals in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft ein. In Bremerhaven holten sie laut ARD-Prognose vom frühen Abend sogar 21,5 Prozent - gegenüber 8,5 Prozent in Bremen. Die AfD hatte bei der Wahl 2019 6,1 Prozent der Stimmen bekommen. Die BiW verorten sich selbst zwischen CDU und AfD.
Spitzenkandidat Piet Leidreiter sagte, die BiW hätten immer gute Realpolitik gemacht und ein eigenes konservatives Angebot gehabt. Mit einem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird am Mittwoch gerechnet - die Auszählung ist wegen des komplizierten Bremer Wahlsystems langwierig. In der Nacht zum Montag wollte die Landeswahlleitung noch eine amtliche Hochrechnung veröffentlichten, die erfahrungsgemäß nah am finalen Ergebnis ist. (dpa)