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Subventionsplan von HabeckIndustrie soll nur sechs Cent pro Kilowattstunde Strom bezahlen

Lesezeit 3 Minuten
Schleswig-Holstein, Klixbüll: Ein Hubschrauber fliegt beim Einziehen der sogenannten Vorseile zwischen den Strommasten des letzten Bauabschnitts der Westküstenleitung. Mit dem Hubschrauber werden leichte Kunststoffseile von Mast zu Mast geflogen, Industriemonteure führen das Vorseil durch Rollen an den Mastenden. Die Westküstenleitung - eine 380-Kilovolt-Freileitung - wird über insgesamt rund 140 Kilometer zwischen Brunsbüttel und der dänischen Grenze und von dort weiter verlaufen.

Bau eines Hochspannungsmasts in Schleswig-Holstein.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sein Konzept vorgelegt, um den Industriestrompreis zu reduzieren – auf Kosten der Steuerzahler.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will der Industrie zu günstigerer Energie verhelfen. Am Freitag legte der Grünen-Politiker ein Konzept für einen zweistufigen Industriestrompreis vor. Darin schlägt er staatliche Hilfen mit einem Volumen von bis zu 30 Milliarden Euro vor. Ziel sei es, wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen.

Viele Industriebetriebe ächzen unter den gestiegenen Strompreisen. Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände fordern schon länger einen Industriestrompreis - also einen günstigeren Strompreis für die Industrie. Befürchtet wird, dass Unternehmen wegen der im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland ihre Produktion ins Ausland verlagern.

Die energieintensiven Unternehmen sind die Basis der deutschen Industrie und damit unseres Wohlstands
Aus einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums zum Industriestrompreis

Der Minister will langfristig einen „Transformationsstrompreis“. Die Industrie soll von günstigem Strom aus erneuerbaren Energien profitieren. Maßnahmen dazu, etwa mehr Flächen für Windräder, brauchten aber Zeit, um zu wirken. Deswegen soll es in einer Zwischenphase bis 2030 einen „Brückenstrompreis“ von 6 Cent pro Kilowattstunde für einen „klar definierten“ Empfängerkreis, der aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müsse. Dass Steuerzahler dafür aufkommen müssten, hatte vorab schon für Kritik gesorgt. Privatkunden zahlen derzeit etwa 33 Cent pro Kilowattstunde Strom.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag in Berlin.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag in Berlin.

Die Kosten eines Industriestrompreises hänge wesentlich von der weiteren Entwicklung der Marktpreise ab, heißt es in dem Papier. Nach aktueller Lage ergebe sich für den Zeitraum nach Auslaufen der Strompreisbremse ein Finanzbedarf bis 2030 von rund 25 bis 30 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. In diesem Topf sind 200 Milliarden Euro, mit denen Menschen und Unternehmen in der Energiekrise entlastet werden sollen. Bisher ist der Bedarf aber geringer als erwartet. Die rechtlichen Hürden für die Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds seien allerdings hoch, heißt es im Papier.

Ein Industriestrompreis ist in der Regierungskoalition umstritten. Besonders Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat Vorbehalte. Auf direkte staatliche Hilfen zu setzen, sei „ökonomisch unklug“ und widerspreche den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, schrieb er in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. Lindner hatte sich auch schon gegen eine Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds ausgesprochen.

Deckelung bei 80 Prozent des Verbrauchs von Industrieunternehmen

Der Brückenstrompreis soll nach Habecks Konzept nur auf 80 Prozent des Verbrauchs Anwendung finden, um Effizienzanreize zu schaffen. Bedingungen sollen unter anderem Tariftreue und eine Standortgarantie sein.

Die Kritik ließ am Freitag nicht lange auf sich warten. „Die FDP-Fraktion sieht den Vorstoß von Minister Habeck sehr kritisch“, sagte Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Auswahl des Empfängerkreises ist willkürlich und der angemeldete Finanzbedarf ist nicht leistbar“, so Houben.

Deutschland müsse stattdessen mit guten Rahmenbedingungen bei der Industrie punkten, um sie im Land zu halten. „Eine fragwürdige Dauersubventionierung ist hingegen nicht nachhaltig“, so der FDP-Politiker.

Markus Jerger, Vorsitzender der Bundesvereinigung Der Mittelstand, hält „angesichts der einsetzenden schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands“ die Absicht, den Strompreis für Unternehmen auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu deckeln, für „dringend, zwingend und notwendig“. Allerdings dürfe der Brückenstrompreis nicht wesentlich höher als 4 Cent je Kilowattstunde liegen und müsse „diskriminierungsfrei“ auch für mittelständische Unternehmen gelten, sagte Jerger dem RND. „Es kann doch nicht sein, dass insbesondere große Nutzer, also energieintensive Unternehmen an den günstigen Strom kommen“, so der Mittelstandschef. „Es ist unverantwortlich, wenn von vornherein nur diese energieintensiven Produktionen begünstigt werden.“ Er verwies auf die vielen Zulieferer aus dem Mittelstand.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) begrüßt hingegen die Pläne. Wichtig sei jetzt, dass der Industriestrompreis schnell und unbürokratisch komme und bei der Umsetzung die „Geburtsfehler der Strompreisbremse“ vermieden würden, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. „Das wäre für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ein klarer Gamechanger“, so Große Entrup. (RND)