SüdafrikaNelson Mandela ist tot
Pretoria – Südafrikas Nationalheld Nelson Mandela ist tot. Der 95-Jährige sei gegen 20.50 Uhr Ortszeit (19.50 Uhr MEZ) gestorben, sagte Präsident Jacob Zuma am Donnerstagabend in einer landesweit übertragenen Sondersendung im Fernsehen. Der Begründer des demokratischen Südafrikas und Führer der Anti-Apartheid-Bewegung sei friedlich im Kreise seiner Familie dahingeschieden.
„Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren. Unser Volk hat einen Vater verloren“, sagte Zuma, ganz in Schwarz gekleidet, mit bedrückter Stimme. Dies sei ein Moment „tiefster Trauer“ für alle Südafrikaner. „Nelson Mandela brachte uns zusammen und zusammen nehmen wir Abschied von ihm.“
Vor dem Haus des Friedensnobelpreisträgers im Johannesburger Vorort Houghton kamen in der Nacht zum Freitag Hunderte Menschen zu einer spontanen Gedenkfeier zusammen. Viele von ihnen tanzten und sangen, einige hielten Bilder des „Vaters der Nation“ in den Händen oder schwenkten die südafrikanische Fahne. Andere wiederum entzündeten Kerzen.
„Ich bin nicht mit dem Hunger nach Freiheit geboren worden. Ich bin frei geboren worden - frei auf jede Weise, die ich kennen konnte. Frei auf die Felder nahe der Hütte meiner Mutter zu laufen, frei, in dem klaren Fluss zu schwimmen, der durch mein Dorf floss, frei, Mealies unter den Sternen zu rösten und auf dem breiten Rücken langsam dahin trottender Büffel zu reiten. (...) Erst als ich begriff, dass die Freiheit meiner Kindheit nur eine Illusion war, dass man mich bereits meiner Freiheit beraubt hatte, begann ich Hunger nach ihr zu haben.“
„Ich habe gegen die weiße Vorherrschaft gekämpft und ich habe gegen die schwarze Vorherrschaft gekämpft. Mein teuerstes Ideal ist eine freie und demokratische Gesellschaft, in der alle in Harmonie mit gleichen Chancen leben können. Ich hoffe, lange genug zu leben, um dies zu erreichen. Doch wenn dies notwendig ist, ist dies ein Ideal, für das ich zu sterben bereit bin.“
„Ich habe das Gefühl, dass alle Teile meines Körpers, Fleisch, Blut, Knochen und Seele nichts mehr als Galle sind, so sehr verbittert mich die völlige Unfähigkeit, Dir zu Hilfe zu kommen in diesen schrecklichen Momenten, die Du durchlebst.“
„Ich beschloss, niemandem zu sagen, was ich dabei war zu tun. (...) Es gibt Momente, in denen ein Führer seiner Herde vorausgehen muss, in eine neue Richtung aufbrechen, mit dem Vertrauen, dass er sein Volk auf den richtigen Weg führt.“
„Ich stehe hier vor Euch nicht als Prophet, sondern als demütiger Diener, von Euch dem Volk. Erst Eure unermüdlichen und heroischen Opfer haben meine Präsenz hier heute ermöglicht. Ich lege daher die verbleibenden Jahre meines Lebens in Eure Hände.“
„Wir werden eine Gesellschaft errichten, in der alle Südafrikaner, Schwarze und Weiße, aufrecht gehen können, ohne Angst in ihren Herzen, in der Gewissheit ihres unveräußerlichen Rechtes der Menschenwürde - eine Regenbogennation im Frieden mit sich selbst und mit der ganzen Welt.“
„Ich wusste ganz klar, dass der Unterdrücker ebenso frei sein muss wie der Unterdrückte. Ein Mensch, der einen anderen Menschen seiner Freiheit beraubt ist Gefangener seines Hasses, er ist eingesperrt hinter den Gittern seiner Vorurteile und seiner Engstirnigkeit. (... ) Als ich die Türen des Gefängnisses durchschritt, war dies meine Mission: Zugleich den Unterdrückten und den Unterdrücker befreien.“
„Eines der Probleme, die mich im Gefängnis zutiefst beschäftigten, war das falsche Bild, das ich ungewollt in der Welt verbreitet hatte: Man betrachtete mich als Heiligen. Doch ich war dies nicht, selbst wenn man auf die bodenständige Definition zurückgreift, wonach ein Heiliger ein Sünder ist, der sich zu bessern sucht.“
„Alle Bestandteile der Nation arbeiten, unser Land aufzubauen und daraus ein Wunder zu machen. Das lässt mich hoffen, wenn ich mich schlafen lege. Ich zweifele keinen einzigen Augenblick, dass wenn ich in die Ewigkeit eingehe, ich ein Lächeln auf den Lippen haben werde.“
Mandela zählte über Jahrzehnte zu den weltweit angesehensten Menschen. Auf allen Kontinenten erinnerten Politiker an sein Wirken voller Mut und Kraft zur Versöhnung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete ihn als Vorbild. „Nelson Mandelas leuchtendes Beispiel und sein politisches Vermächtnis der Gewaltfreiheit und der Absage an jeglichen Rassismus werden für Menschen auf der ganzen Welt noch lange Zeit eine Inspiration bleiben“, sagte Merkel.
US-Präsident Barack Obama sagte, die Welt habe einen der einflussreichsten und mutigsten Menschen verloren. Großbritanniens Premierminister David Cameron nannte Mandela einen „Held unserer Zeit“. Frankreichs Präsident François Hollande erklärte, Mandela habe „Geschichte geschrieben für Südafrika und für die Welt“. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete Mandela als „Giganten für die Gerechtigkeit“. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ehrte den Verstorbenen in New York mit einer Schweigeminute.
Wegen seines Kampfes gegen das rassistische Apartheidsystem hatte Mandela 27 Jahre lang in Haft gesessen. 1994 wurde er erster Präsident des demokratischen Südafrikas. Mandela ebnete den Weg zur Aussöhnung von Schwarzen und Weißen in seinem Heimatland.
Der Gesundheitszustand Mandelas hatte seit langem Besorgnis erregt. Im Sommer war er wegen einer schweren Lungenentzündung im Medi-Clinic-Heart-Krankenhaus in Pretoria behandelt worden. Seine letzten Wochen hatte Mandela im Kreis seiner Familie verbracht.
Die Führer der Freiheitsbewegung und heutigen Regierungspartei ANC würdigten Mandela als „Inbegriff von Demut, Gleichheit, Gerechtigkeit, Frieden und der Hoffnung von Millionen, hier und im Ausland“. Der ANC rief die Südafrikaner auf, nicht zu verzweifeln. „Er lebt in jedem von Euch und in Euren Häusern weiter, weil er sein Leben an uns alle gegeben hat.“ Mandelas früherer Weggefährte, Ex-Präsident Frederik de Klerk, nannte die Zusammenarbeit mit ihm eine Ehre.
Präsident Zuma ruft Staatstrauer aus
Südafrikas Fernseh- und Radiosender sendeten ab Donnerstagabend nur noch Trauermusik. Zuma rief eine Staatstrauer aus. Die Fahnen des Landes würden bis zum Tag der Beerdigung Mandelas auf halbmast gehisst. „Lasst uns zu seiner Vision stehen, die eine Gesellschaft war, in der niemand ausgebeutet und unterdrückt wird.“ Zuma pries die Vision Mandelas von einem einigen, nicht-rassistischen, nicht-sexistischen, demokratischen und blühenden Südafrika.
Lange Monate hieß es offiziell, Mandela befinde sich „in stabilem, aber kritischem Zustand“. Die Ex-Frau Mandelas, Winnie Madikizela-Mandela, hatte vor drei Wochen berichtet, der 95-Jährige könne inzwischen nicht mehr sprechen. „Er kommuniziert über sein Gesicht“, sagte sie. Mandela sei „auch auf dem Sterbebett“ noch inspirierend, hatte seine älteste Tochter am Dienstag im Fernsehsender SABC betont. „Ich glaube, er erteilt uns immer noch Lehren. Lehren in Geduld, Lehren in Liebe, Lehren in Toleranz“, sagte Makaziwe Mandela. (dpa)