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Terrorgefahr bei WeihnachtsmärktenNancy Faeser sieht „abstrakte Bedrohungslage“

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Sorgen für Sicherheit: Beamte auf dem Weihnachtsmarkt.

Sorgen für Sicherheit: Beamte auf dem Weihnachtsmarkt.

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben keine Hinweise auf konkrete Terrorpläne gegen Weihnachtsmärkte. Die Terrororganisation ISPK hat Deutschland weiter im Visier.

In den deutschen Innenstädten duftet es wieder nach Glühwein und gebrannten Mandeln. Traditionell nach Totensonntag haben in dieser Woche bundesweit Weihnachtsmärkte die Adventszeit eingeläutet. Doch in die Besinnlichkeit mischt sich einmal mehr die Sorge vor möglichen Terroranschlägen. Erst im August tötete ein islamistischer Attentäter auf einem Volksfest in Solingen drei Menschen und verletzte acht weitere zum Teil lebensgefährlich. Müssen sich Besucherinnen und Besucher von Weihnachtsmärkten in diesem Jahr besonders Sorgen machen?

„Das Bundeskriminalamt bewertet laufend die Bedrohungslage und steht mit den Ländern im engen Kontakt“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Konkrete Gefährdungshinweise liegen den Sicherheitsbehörden des Bundes aktuell nicht vor, aber wir haben angesichts der abstrakt hohen Bedrohungslage weiter Grund zu großer Wachsamkeit und konsequentem Handeln für unsere Sicherheit“, erklärte die Ministerin.

Weihnachtsmärkte im Fokus islamistischer Terroristen

Ein Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA) sagte, auch wenn es keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung gebe, hätten Weihnachtsmärkte eine „besondere Gefährdungsrelevanz“ wegen des zu erwartenden hohen Besucheraufkommens, der meist zentralen Lage und offener Zugangsmöglichkeiten. Nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz stellen Veranstaltungen zur Weihnachtszeit „aufgrund ihrer Symbolik für christliche Werte sowie als Inbegriff der westlichen Kultur und Lebensweise“ auch ideologisch „ein geeignetes Ziel für islamistisch motivierte Personen dar“.

Wie sehr Weihnachtsmärkte im Fokus islamistischer Terroristen stehen, ist spätestens seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016 schmerzlich bekannt: Damals hatte der Tunesier Anis Amri einen gestohlenen Lkw in den Weihnachtsmarkt gesteuert und dabei 13 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt.

Die „Bild“-Zeitung hatte am Dienstag berichtet, das BKA warne vor Terrorgefahr durch den IS auf Weihnachtsmärkten. Einem internen BKA-Papier zufolge gehe die Behörde von einer „anhaltend abstrakt hohen“ Anschlagsgefahr aus. In Sicherheitskreisen wird jedoch vor Alarmismus gewarnt: Die deutschen Sicherheitsbehörden stufen die islamistische Terrorgefahr seit dem 7. Oktober 2023 durchgehend als „abstrakt hoch“ ein, das ist also keine neue Entwicklung.

Auch wenn keine konkreten Vorbereitungen zu Anschlägen auf Weihnachtsmärkten bekannt seien, rufe der „Islamische Staat – Provinz Khorasan“ (ISPK) zu solchen Taten auf, schreibt die „Bild“ unter Berufung auf das BKA-Papier. Tatsächlich hat der vor allem in Afghanistan und Zentralasien aktive Ableger der Terrormiliz IS seine Anhänger in den vergangenen Monaten mehrfach zu Anschlägen in Europa aufgefordert.

In der im Oktober erschienenen Ausgabe des englischsprachigen ISPK-Propagandamagazins „Voice of Khorasan“ erneuerte die Terrororganisation etwa ihre „Ermutigung an einzelne Löwen, sich gewissenhaft darum zu bemühen, Juden und Christen ins Fadenkreuz zu nehmen“. Juden und Christen sollten vor allem in den USA, in Europa, sowie in Israel und Palästina angegriffen werden. Mit der Bezeichnung „einzelne Löwen“ sind Einzelattentäter gemeint, die ohne engere Einbindung in Organisationsstrukturen der Terrormiliz Anschläge vor allem in westlichen Ländern verüben.

In der aktuellen Ausgabe des Propagandamagazins findet sich auch ein Artikel über den Kampf des IS gegen seine erklärten Feinde. In einer dazugehörigen Grafik wird auch Deutschland explizit dazugezählt – zu sehen ist ein Foto des Anschlags am Breitscheidplatz 2016.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sieht die deutsche Polizei gut auf die bestehende Anschlagsgefahr vorbereitet. „Die Menschen konnten sich in den letzten Jahren auf den Weihnachtsmärkten sicher fühlen und das können sie auch dieses Jahr“, sagte Kopelke dem RND. „Die Polizei hat bewährte Konzepte, die in allen Bundesländern wieder zum Einsatz kommen und schützt die Weihnachtsmärkte mit viel Personal und Ressourcen. Dieses Jahr wurde auch noch mal viel in neue Technik investiert, zum Beispiel in Kameraüberwachung und Zufahrtssperren“, bekräftigte der Polizeigewerkschafter.

Neue rechtliche Möglichkeiten gegen Messergewalt

Nach dem Anschlag von Solingen habe die Polizei nun zudem andere rechtliche Möglichkeiten, um gegen Messerkriminalität vorzugehen. Am 31. Oktober ist eine Änderung des Waffengesetzes in Kraft getreten, wonach das Mitführen von Messern bei öffentlichen Veranstaltungen bis auf einige Ausnahmen verboten ist. „Die Einsatzkräfte der Polizei dürfen jetzt verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen, um Messerverbote durchzusetzen“, sagte Kopelke. „Und wenn wir bei diesen Kontrollen Messer finden, dürfen wir sie einziehen. Das versetzt uns auch auf Weihnachtsmärkten in die Lage, besser gegen Messer und andere gefährliche Gegenstände vorzugehen.“

Auch Ministerin Faeser verwies auf das Messerverbot: „Wir haben mit unserem Sicherheitspaket neue Instrumente für die Sicherheit im öffentlichen Raum geschaffen, die angesichts von islamistischen Gewalttaten und einer generell gestiegenen Gewaltkriminalität wichtig sind“, sagte sie. Sie sei den Landespolizeien sehr dankbar für die strikten Kontrollen des Messerverbots, sagte Faeser. „Das bringt mehr Sicherheit für alle Besucherinnen und Besucher.“