NRW-SPD wählt neuen Partei-ChefKutschaty fiel ein Stein vom Herzen
Neuss – Thomas Kutschaty war sichtlich erleichtert. Mit dem unerwartet guten Ergebnis von 90,5 Prozent hatte der Politiker aus Essen nicht gerechnet. Beim digitalen Landesparteitag der NRW-SPD erhielt Thomas Kutschaty 400 von 442 Stimmen und wurde zum neuen Chef der NRW-SPD gewählt. 33 Delegierte stimmten gegen ihn, 9 enthielten sich. Das Herz habe ihm bei der Abstimmung bis zum Hals geschlagen, sagte der Politiker aus Essen bei seiner kurzen Dankesrede: „Das war der spannendste Moment meines Lebens."
Der Anwalt aus Essen war der einzige Kandidat, der sich zur Wahl gestellt hatte. Kutschaty forderte einen neuen Aufbruch der Landespartei. Die SPD sei stärker als viele es glaubten. „Wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere Menschen im Land begeistern“, sagte der 52-Jährige. Es komme darauf an, den Menschen Aufstiegsperspektiven zu vermitteln. Er selber sei in einer Sozialwohnung ohne Kinderzimmer aufgewachsen. Seinen Werdegang habe er seinen Eltern und der Bildungspolitik der SPD zu verdanken. Jetzt komme es für die SPD darauf an, in die „Ärmel hoch zu krempeln“ und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. In der Wohnungsbaupolitik wolle er „den „Miethaien zu zeigen, was eine Harke ist.“
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Kutschatys Amtsvorgänger Sebastian Hartmann war nur zwei Jahre und neun Monate im Amt gwesen. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Kutschaty seine Gegenkandidatur bekannt gegeben. Hartmann will von dem Angriff überrascht worden sein. Hinter den Kulissen war aber lange klar, dass der Fraktionschef im Landtag sich für das bessere Zugpferd für die NRW-SPD hält. „Startklar“, lautete dazu passend das Motto für den Parteitag. Kutschaty soll seine Partei nun auch als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2022 führen.
Zu der von vielen befürchteten Abrechnung von Hartmann kam es nicht. Dennoch legte der Bundestagsabgeordnete aus Bornheim seinen Finger in die Wunde: „Die SPD muss Respekt und Anerkennung auch in der Partei leben“, sagte Hartmann. Es habe auch „dunkle Momente“ auf seinem Weg gegeben. NRW-SPD habe nicht immer mit einer Stimme gesprochen und „elend lange Groko-Diskussionen“ geführt. Personalquerelen seien oft wichtiger gewesen als die Beschäftigung mit dem politischen Gegner. Die SPD müsse sich nicht um „Kaderkarrieren“ kümmern, „sondern um Busfahrer uns Kassiererinnen“.
Nach den Verlusten der NRW-SPD bei den Europawahlen und der Kommunalwahl 2020 habe er kein „Wunderheiler“ sein können, sagte Hartmann. Der 43-Jährige bedankte sich dafür, dass er „Teil des Weges“ sei durfte. Viele rechnen ihm hoch an, dass er zu seiner Abwahl überhaupt gekommen war. Der frühere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war nach der schmerzlichen Niederlage von Rot-Grün im Jahr 2017 nicht mehr zur Wahl ihres Nachfolgers erschienen.
In der NRW-SPD hofft man nun, dass die Partei jetzt mit geeinten Kräften in das Wahlkampfjahr ziehen kann. Die Reibereien zischen Hartmann und Kutschaty hatten die seit 2018 dauerhaft Partei belastet. Der Neustart nach der Wahlschlappe von Rot-Grün war so immer wieder ausgebremst worden.
Sebastian Hartmann fehlten eigene Truppen
Aufstieg und Fall von Sebastian Hartmann stehen in einem einen Zusammenhang. 2018 war der weithin unbekannte Bundestagsabgeordnete aus dem Rheinland von den damaligen Strippenziehern Norbert Römer und Michael Groscheck aus taktischen Gründen aufs Schild gehoben worden. Mit der Kür eines Rheinländers als Parteichef sollte der Weg dafür geebnet werden, dass der Westfale Marc Herter die Führung der Landtagfraktion übernehmen konnte. Doch der „Hinterzimmerdeal“ ging daneben. Kutschaty wagte eine Kampfkandidatur gegen Herter – und gewann. Den Mut, auch gegen Hartmann anzutreten, hatte er allerdings damals noch nicht.
Nun sah der 52-jährige die Zeit, zur Parteispitze zu greifen, aber für gekommen. „Hartmann war ohne eignen Truppen ins Amt gelangt. Das wurde ihm jetzt zum Verhängnis. Denn ohne eine breite Unterstützung in der Partei war Sebastian nicht in der Lage, den Angriff von Kutschtay abzuwehren“, hießt es bei den Genossen. Auch Versuche aus der Bundestagsfraktion, den Fraktionschef aus Düsseldorf zu verhindern, schlugen fehl. Der SPD-Landesgruppe in Berlin hatte Kuschaty mit seinen scharfen Attacken gegen die Große Koalition mit der CDU für Verärgerung gesorgt.
Schlechtes Ergebnis für Nadja Lüders
Kutschaty konnte schließlich seine langjährige Erfahrung auf der landespolitischen Bühne für sich in die Waagschale werfen. Der Jurist war früher Justizminister im Kabinett von Kraft. Der Politiker aus Essen hat nun viel zu tun. Der NRW-SPD laufen weiter die Mitglieder weg: Seit Dezember 2019 ist die Zahl der Genossen von 100 300 auf 97300 gesunken. Im Dezember 2014 hatte die Partei noch 118000 Mitglieder. An der Organisation der Partei gibt es viel Kritik. Nadja Lüders, die Generalsekretärin der NRW-SPD, wurde dafür abgestraft. Die Dortmunderin und erhielt nur 60 Prozent der Stimmen.
In der Geschichte der NRW-SPD gab es bislang zehn Vorsitzende. Im Ranking ihrer Amtszeiten liegt Johannes Rau mit mehr als 20 Jahren einsam an der Spitze. Hartmann rangiert mit fast drei Jahren auf Platz sieben. In der SPD ist man gespannt, wie lange Kutschaty die Partei führen wird.