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Kommentar

Koalitionssuche im Osten
Für die CDU eine Wahl zwischen Pest und Cholera

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Lesezeit 3 Minuten
Das sind schwierige Wochen für ihn: CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Das sind schwierige Wochen für ihn: CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Sahra Wagenknechts dritte Koalitionsbedingung offenbart erneut ihr Kalkül: Die BSW-Chefin will die CDU auseinanderdividieren.

Wenn CDU-Chef Friedrich Merz nicht aufpasst, droht ihm im nächsten Jahr um diese Zeit ein Scherbenhaufen. Ein Scherbenhaufen, für den Sahra Wagenknecht die Grundlage geschaffen hätte. Denn die Regierungsbildung im Osten hat das Potenzial, die CDU zu spalten – und damit auch die politische Karriere von Kanzlerkandidat Merz zu beenden. Die CDU-Führung muss dem BSW jetzt die roten Linien aufzeigen und die BSW-Landesparteien zur Abgrenzung von Wagenknecht drängen, um dieses Szenario zu verhindern.

Sahra Wagenknecht zeigt derzeit immer wieder, dass es ihr nicht um konstruktives Regieren in den Ländern geht. So ließ sie sich am Wochenende eine weitere Koalitionsbedingung einfallen und forderte die Thüringer CDU auf, sich vom eigenen Bundesvorsitzenden zu distanzieren. Wagenknecht will einen Keil zwischen Bundes- und Landespartei treiben. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt antwortete mit einem gemeinsamen Foto von sich und Merz und schrieb dazu: „Eine Union.“

Parteiinterne Gegner eines Bündnisses mit dem BSW sind besorgt

Die Reaktion ist ein wichtiges Signal, wird aber die Gegner in der CDU nicht zufriedenstellen. Die Gruppe fürchtet um die Klarheit der Partei etwa zur Nato und zur Unterstützung der Ukraine. Sie geht auch davon aus, dass die CDU im Bund von einem Teil der Wählerinnen und Wähler abgestraft würde, wenn sie an der Stelle einknicken würde.

Trotz dieser wirklich schwierigen Gemengelage sollte die CDU versuchen, Koalitionen zu bilden. Ansonsten droht etwa im Fall von Thüringen die rechtsextreme AfD an die Macht zu kommen und Björn Höcke in die Staatskanzlei einzuziehen. Wer glaubt, die AfD werde sich mit einem Regierungseintritt selbst entlarven, verkennt das große Risiko. Welches Unternehmen will in ein von der AfD regiertes Land investieren? Welche Fachkräfte ziehen dann gerne nach Erfurt? Und wären Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund in einem solchen Fall überhaupt noch sicher? Die Christdemokraten dürfen Thüringen und Sachsen nicht den Extremisten überlassen.

Um Schaden von sich abzuwenden, kann sich die CDU aber nicht auf die Bedingungen Wagenknechts einlassen. Sollten die CDU-Landesparteien versuchen, die Positionen der Bundespartei zu Krieg und Frieden zu verschieben, dürfte ein zerstörerischer Streit in der Union bevorstehen. Am Ende könnten die Schwesterparteien am Boden liegen – ein Wahlsieg von Merz wäre unwahrscheinlich. Wenn aber die CDU die BSW-Landesparteien dazu bringt, Abstand zu Wagenknecht einzunehmen, wäre die Lage für alle Beteiligten beherrschbar.

Wagenknecht will die Gespräche torpedieren

Es ist offensichtlich, dass die Interessen des BSW in den Ländern und im Bund auseinandergehen: Frontfrau Wagenknecht ist nur an einem möglichst großen Erfolg bei der nächsten Bundestagswahl interessiert und will deshalb die Koalitionsgespräche torpedieren. Wenige Monate nach der Parteigründung in drei Bundesländern zu regieren, liegt nicht im Interesse Wagenknechts, die weiter aus der Opposition heraus agieren will. Sie weiß: Wenn das BSW in den Ländern regiert, die Zuwanderungszahlen aber beispielsweise nicht deutlich sinken und viele Bürgerinnen und Bürger weiterhin keine Verbesserung ihrer persönlichen Situation sehen, wird auch sie dafür verantwortlich gemacht.

Unter dem Strich ist es für die CDU eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Bricht sie die Gespräche mit der Wagenknecht-Partei ab, muss sie in Kauf nehmen, einem AfD-Ministerpräsidenten in Thüringen den Weg zu ebnen. Geht sie dagegen den Weg der Regierungsbildung weiter, muss sie damit rechnen, dass Wagenknecht keine Ruhe geben wird. Letzteres wäre für die CDU allerdings eher auszuhalten – vorausgesetzt, Wagenknecht würde von den eigenen Leuten eingehegt. Und genau danach sieht es aus.