Der US-Präsidentschaftswahlkampf spitzt sich zu. Der Amtsinhaber wird nun versuchen, seine Bilanz mit dem Chaos seines Vorgängers zu kontrastieren.
Kommentar zum Super TuesdayTrump gegen Biden: Das ungeliebte Rückspiel
Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt. Doch nach dem „Super Tuesday“, dem größten Ereignis im amerikanischen Vorwahlkampf mit Abstimmungen in 15 Bundesstaaten, ist das Rennen um die Präsidentschaftskandidaturen der Demokraten und Republikaner de facto entschieden: Spätestens in zwei Wochen dürften sich Joe Biden und Donald Trump jeweils absolute Mehrheiten für ihre Nominierungen im Sommer gesichert haben.
Damit läuft alles auf eine Wiederholung des Duells von 2020 mit vertauschten Rollen hinaus: Damals warf Biden den Amtsinhaber Trump aus dem Weißen Haus. Nun drängt dieser zurück ins Oval Office. Auch wenn die Begeisterung der Amerikaner für dieses politische Rückspiel spürbar gering ist, sollte die Wahl eigentlich klar sein: Biden kann als Präsident auf gute Wirtschaftszahlen verweisen. Er ist ein Mensch mit Empathie. Und er hat die Nato im Ukraine-Krieg geeint.
Super Tuesday in den USA: 48 Prozent würden laut „New York Times“ derzeit für Trump stimmen
Trump hingegen will sich mit der Kandidatur nicht zuletzt der gerichtlichen Verfolgung von 91 mutmaßlichen Straftaten entziehen. Er hetzt mit faschistischem Vokabular gegen Andersdenkende. Und er ermuntert Russland, verbündete Nato-Staaten zu überfallen.
Trotzdem würden laut einer aktuellen Umfrage der „New York Times“ derzeit 48 Prozent der Amerikaner für Trump und nur 43 Prozent für Biden stimmen. Die Gründe für die Unzufriedenheit mit dem 81-Jährigen sind vielfältig: Sie reichen von Sorgen wegen seines Alters über die Inflation und die Einwanderungspolitik bis zum Gaza-Krieg. Dass nach Michigan nun auch bei den Vorwahlen in Minnesota ein zweistelliger Prozentsatz von Demokraten aus Protest gegen die Unterstützung der blutigen israelischen Militäroffensive mit „uncommitted“ (unentschlossen) gestimmt hat, muss ein Alarmsignal für den Präsidenten sein.
Das seien Momentaufnahmen, halten Optimisten dagegen: Der eigentliche Wahlkampf sei ja noch gar nicht richtig losgegangen. Viele Bürger hätten vergessen, wie der tägliche Wahnsinn der Trump-Präsidentschaft gewesen sei. In dem Maße, in dem der Narzisst mit seinen Ausbrüchen wieder die Schlagzeilen beherrsche und gleichzeitig vor Gericht seine Verfehlungen ausgebreitet würden, werde das Pendel schon zurückschlagen, wenn Biden gleichzeitig die Erfolge seiner Politik herausstreiche, womit er schon bei der Ansprache zur „State of the Union“ an diesem Donnerstag beginnen dürfte.
Tatsächlich deutet die Unterstützung, die Trumps eher traditionell-konservative Herausforderin Nikki Haley für sich mobilisieren konnte, darauf hin, dass keineswegs alle konservativen Wähler glücklich mit dem rechtspopulistischen Kandidaten sind. Doch trotz Haleys Überraschungssiegs im Ostküstenstaat Vermont ist diese Gruppe bei weitem nicht groß genug, um die ehemaligen UN-Botschafterin auch nur in die Nähe einer Mehrheit bei den Conventions zu bringen. Haleys Kampagne ist vorbei. Selbst wenn die 52-Jährige dies in den nächsten Tagen nicht eingestehen sollte: Schon bald dürfte ihr das nötige Geld ausgehen.
Damit bleibt die große Frage, was aus ihren Unterstützern wird. Werden sie Trump tatsächliche die Stimme verweigern, wie nicht wenige von ihnen in Umfragen erklärt haben? Bleiben sie am 5. November vielleicht zu Hause? Das würde den Ex-Präsidenten vor allem in den Vorstädten schwächen. Oder unterstützen sie, wie fast das gesamte Establishment der Republikaner, mit mehr oder weniger fadenscheinigen Ausreden am Ende doch den Kandidaten?
Viel wird davon abhängen, wie sich Nikki Haley positioniert. Schon mehrfach hat sie in der Vergangenheit ihre Position zu Trump geändert. Zuletzt aber hat sie die mentalen, moralischen und politischen Defekte ihres Widersachers zunehmend offen angeprangert. Trump hat sie umgekehrt diffamiert, beleidigt und ihren Mann verhöhnt. Sollte Haley jetzt den Ring des Politpaten küssen oder sogar in seine Dienste treten, wäre dies ein Verrat an ihren Wählern – und der letzte Sargnagel für die einstmals so stolze republikanische „Grand Old Party“.