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USA sollen übernehmenTrumps Gaza-Pläne – Die Abrissbrache als „neue Riviera“

Lesezeit 4 Minuten
Donald Trump bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Benjamin Netanjahu.

Donald Trump bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Benjamin Netanjahu.

Beim Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington propagiert Präsident Donald Trump einen atemberaubenden Plan: Die USA wollen den Gaza-Streifen übernehmen und zu einer Luxus-Destination entwickeln. Die zwei Millionen Palästinenser dort sollen kurzerhand umgesiedelt werden.

Es geht um Krieg und Frieden, das Leben von Geiseln und die Zukunft einer ganzen hochsensiblen Region, als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Donald Trump am Dienstag vor die Kameras im Weißen Haus treten. Doch der Gastgeber scheint an diesem Abend weniger in seiner Funktion als US-Präsident als in seiner Natur als geschäftstüchtiger Immobilienmogul erschienen zu sein.

Trump trägt eine Krawatte in einer für ihn höchst ungewöhnlichen Farbe. Nicht rot, nicht dunkelblau, nicht golden ist das Tuch, sondern stechend hellblau, fast ein bisschen türkis. Als der Präsident am Ende seines denkwürdigen Auftritts von der „Riviera des Nahen Ostens“ schwärmt, sieht man beim Anblick des Binders unwillkürlich das sonnenbestrahlte Wasser des Mittelmeers vor sich. Doch davon später.

Donald Trump über Gaza: „Elendes Loch“ und „Abbruchgelände“

Zunächst möchte Trump eingangs darauf hinweisen, was er in seiner ersten Amtszeit bereits alles für Israel erreicht hat. Stichwortartig zählt er seine „Verdienste“ von der Bekämpfung der Terrororganisation IS bis zur Verhängung von Sanktionen gegen den Iran auf. Dann kommt er zu einer Leistung, die ihm ganz besonders wichtig ist: „Wir haben die amerikanische Botschaft in Jerusalem gebaut“, lobt sich der Baulöwe. Der verwendete „Jerusalemer Stein“ sei „etwas ganz besonderes“. Vor allem aber habe man das Projekt „zu einem Preis erledigt, den niemand in den 40 Jahren zuvor gesehen hat“, betont der Mann, der schon 2018 behauptete, der Bau habe die amerikanischen Steuerzahler nur 400.000 Dollar gekostet, obwohl tatsächlich 20 Millionen Dollar fällig wurden.

Damit ist der Ton gesetzt. Als die Rede weniger später auf den Gaza-Streifen kommt, wo in den vergangenen 16 Monaten mehr als 40.000 Menschen ihr Leben verloren haben und nun rund zwei Millionen Palästinenser unter schwierigsten Bedingungen leben, spricht Trump von einem „elenden Loch“ und einem „Abbruchgelände“. Doch der Immobilienmogul hat einen Plan, wie es dort weitergehen soll: Die Palästinenser könnten in die Nachbarländer Jordanien und Ägypten umgesiedelt werden, wo man ihnen eine „spektakuläre“ neue Bleibe schaffen könne. Dann sagt er wie selbstverständlich: „Die USA werden den Gazastreifen übernehmen. Wir werden ihn besitzen.“

Donald Trum über Gaza: „Wir werden tun, was nötig ist“

Er habe darüber lange nachgedacht, sagt Trump. Je länger er redet, desto mehr hat man das Gefühl, der Verkaufspräsentation eines eloquenten Investors beizuwohnen. Die USA würden sich um die Entsorgung der Bomben und des Schutts und den Wiederaufbau kümmern, führt er aus: „Wir werden einen tollen Job machen.“ Unzählige Arbeitsplätze würden dadurch entstehen. Ob er notfalls dazu auch Soldaten entsenden wolle, will ein Reporter wissen. „Wir werden tun, was nötig ist“, lautet die Antwort.

Das Ganze klingt so unglaublich, dass man seinen Ohren kaum traut. Trump hatte in den vergangenen Wochen schon einmal den Gedanken an eine vorübergehende Evakuierung des Palästinenser während der Abrissphase ventiliert. Aber nun geht es erkennbar um mehr. Die Palästinenser sollten nicht wieder zurückgehen, sagt der Präsident. Das habe in der Vergangenheit nicht funktioniert und sei angesichts des Elends vor Ort auch nicht erstebenswert. Er strebe eine dauerhafte Übernahme des Gaza-Streifens an.

Trumps Plan kommt ethnischer Säuberung gleich

Trump sagt das, als verkünde er eine humanitäre Großtat. Tatsächlich käme der Plan einer ethnischen Säuberung und einer erneuten Vertreibung der Palästinenser gleich, die schon 1948 ihre Heimat verlassen mussten, was bis heute in der arabischen Welt als „Nakba“ (Katastrophe) erinnert wird. Der Vorschlag würde ziemlich sicher gegen die Genfer Konvention verstoßen und hat das nicht unerhebliche praktische Problem, dass weder Ägypten noch Jordanien die Palästinenser auf ihrem Gebiet aufnehmen wollen.

Das alles weiß Netanjahu. Während Trump redet, steht der Israeli mit angewinkeltem Kopf neben ihm - offenkundig sehr zufrieden, als erster ausländischer Staatsgast von der neuen US-Regierung empfangen zu werden. Er hat den Gastgeber eingangs mit Komplimenten überschüttet. Dessen Ausführungen verfolgt er mit einem zufriedenen Lächeln. Gegen eine Vertreibung der Palästinenser würde seine Regierung wohl keinen Einspruch erheben. Ob Netanjahu eine amerikanische Besetzung des Gaza-Streifens gefallen würde, steht auf einem anderen Blatt. Für ihn sei vor allem wichtig, dass vom Gazastreifen „nie wieder eine Bedrohung“ ausgehe, sagt er: „Präsident Trump hebt das auf eine viel höhere Ebene. Er sieht eine ganz andere Zukunft für das Land.“ Es lohne sich, darüber nachzudenken.

Damit diese Vision des Präsidenten nicht in Vergessenheit gerät, schmückt er sie am Ende noch einmal aus: „Das Potenzial des Gazastreifens ist unglaublich“, schwärmt er: „Das kann phänomenal sein“. Ihm schwebe die Entwicklung zu einem „unglaublichen internationalen Platz“ vor, wo „die Menschen der Welt“ leben. „Weltklasse-Niveau“ solle das Ganze haben, verspricht der Immobilienguru. Unwillkürlich glaubt man schon die goldenen Trump-Tower samt Golfplatz am Ufer des krawattenblauen Mittelmeers zu sehen. Selbst den Titel für den Verkaufsprojekt hat Trump schon im Kopf: "Das kann die Riviera des Nahen Osten sein.