Türkische Islam-VerbändeDitib und Milli Görüs im Schulterschluss
Köln – Immer unverhohlener lassen große Islamverbände in Deutschland ihre ideologischen und strukturellen Verbindungen zum türkischen Staat erkennen. Während eine Fernlenkung der Türkisch-Islamischen Union Ditib durch die Religionsbehörde Diyanet in Ankara offensichtlich ist und von der Kölner Ditib-Zentrale inzwischen nur noch halbherzig bestritten wird, drohte die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und dem früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck noch im Oktober 2017 mit rechtlichen Schritten, weil Beck behauptet hatte, die Verbände würden „von Ankara gesteuert“.
Diyanet-Chef redet bei Milli Görüs
Die angekündigte Unterlassungsverfügung des Verbands hat Beck allerdings nach eigenen Angaben bis heute nicht erreicht. An diesem Sonntag richtet Milli Görüs in der Bremer ÖVB-Arena eine Großveranstaltung aus, als deren Hauptredner an der Seite des Verbandsvorsitzenden Kemal Ergün der Diyanet-Präsident Ali Erbas angekündigt wird.
Schon vor Weihnachten hatte Erbas die Milli-Görüs-Führung in Köln besucht. „Die Diyanetisierung von Milli Görüs schreitet voran“, sagte Beck dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Beck: Erdogan erfüllt Milli Görüs-Träume
Diese Unterwerfung unter die türkische Religionsbehörde könne angesichts der politischen Verhältnisse in der Türkei unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nicht weiter überraschen. „Mit Erdogans Weg in ein autoritäres und nationalistisches politisches Regime und eine von einem streng konservativen Islam dominierte Gesellschaft haben sich die Träume der Milli Görüs in der Türkei so gut wie erfüllt“, erläuterte Beck.
Der Mitbegründer des politischen Arms der Bewegung „Milli Görüs“ („Nationale Sicht“), der 2011 gestorbene Necmettin Erbakan, gilt auch als Erdogans politischer Ziehvater.
Gleiche Imame bei Ditib und Milli Görüs
Milli Görüs soll für Publikationen und ähnliche Aktionen seit geraumer Zeit finanzielle Unterstützung der türkischen Regierung erhalten. Imame der Diyanet waren nicht nur in Moschee-Gemeinden der Ditib, sondern auch von Milli Görüs tätig. „Mit der neuen nationalistischen Doktrin der Diyanet unter Erdogan gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, eine Trennung zwischen Ditib und Milli Görüs aufrechtzuerhalten“, so Beck.
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Die fortschreitende nationalistische Politisierung der türkisch-islamischen Verbände in Deutschland müsse Auswirkungen auf die Religionspolitik in Bund und Ländern haben, forderte Beck. „Bei allen Dialog- und Kooperationsformaten muss man wissen, dass der türkische Staat quasi mit am Tisch sitzt. Eine Anerkennung als Religionsgemeinschaften von derart politisierten islamischen Vereinen kommt nicht infrage.“
Nach Becks Beobachtungen, der seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im vorigen September Lehrbeauftragter am „Centrum für Religionswissenschaftliche Studien“ (Ceres) der Ruhr-Universität Bochum ist, agieren drei der vier wichtigen türkisch-islamischen Verbände in immer engerem Schulterschluss.
Unverkennbare Gemeinsamkeiten
Neben Ditib und Milli Görüs handelt es sich hierbei auch um den aus dem Spektrum der nationalistischen „Grauen Wölfe“ stammenden Verband Atib. „Die Gemeinsamkeit war unverkennbar, als die Verbände mit konzertierten Aktionen, Demonstrationen und Presseerklärungen – meist unter Anleitung der türkischen Botschaft – auf die Armenien-Resolution des Bundestags 2016 reagierten oder Erdogans »Staatsstreich von oben« nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei unterstützten“, sagte Beck.