TV-Duell vor EuropawahlWeber fordert Klarnamen-Pflicht in sozialen Netzwerken
Berlin – Zehn Tage vor der Europawahl haben sich die beiden aussichtsreichsten Spitzenkandidaten Manfred Weber und Frans Timmermans ihr letztes Rededuell im deutschen Fernsehen geliefert. Im ZDF stritten der CSU-Politiker Weber und der Sozialdemokrat Timmermans am Donnerstagabend abermals über den konkreten Weg im Klimaschutz, über Steuern, Mindestlöhne, Flüchtlingspolitik und Rechtsstaatlichkeit. Anschließend stiegen die Spitzenkandidaten der kleineren deutschen Parteien ebenfalls im ZDF in den Ring. Ein Überblick:
Das Format
Das TV-Duell bestritten Weber und Timmermans im Studio mit Publikum auf Fragen von ZDF-Chefredakteur Peter Frey und ORF-Chefredakteurin Ingrid Thurnher, denn der österreichische Sender strahlte die Sendung ebenfalls aus. Das Hauptproblem: Es war das dritte Aufeinandertreffen in zehn Tagen der Kandidaten der beiden größten europäischen Parteienfamilien, die sich beide Hoffnung auf die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machen.
Fast alles zu allen Themen schien schon einmal gesagt. Die Moderatoren schafften es aber, mit Ja-Nein-Fragen noch einige neue Positionen aus den beiden Kontrahenten herauszukitzeln.
Das Neue
So plädierte Weber, derzeit Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, klar für den Aufbau einer europäischen Armee. „Ich will sie“, sagte der CSU-Vizechef. Timmermans sagte, das sei auf absehbare Zeit nicht realistisch. Fragen von Krieg und Frieden würden die Nationalstaaten so bald nicht aufgeben.
Im Streit über den Klimaschutz befürwortete Timmermans die Abschaffung von Kurzstreckenflügen, also etwa Verbindungen von Frankfurt nach Düsseldorf oder von München nach Nürnberg. Sie sollten durch gute Bahnverbindungen ersetzt werden. Weber äußerte sich etwas vorsichtiger und sagte, er wolle Kurzstreckenflüge nicht gesetzlich abschaffen. Aber für Ersatz „durch eine gute Bahn“ sei er auch.
Weber unterstützte die Forderung nach einer Klarnamen-Pflicht in sozialen Netzwerken. Das bedeutet, dass im Internet keine Spitz- oder Tarnnamen mehr verwendet werden dürften. Timmermans antwortete auf eine entsprechende Frage: „Nö“. Das sei übertrieben.
Das Bekannte
In den großen Fragen beharrten Timmermans und Weber auf ihren nun bereits bekannten Positionen. Zum Beispiel stritten sie erneut über die CO2-Steuer: Timmermans ist dafür und sagte, die Einnahmen könnten dazu dienen, Bürgern beim Dämmen ihrer Häuser zu unterstützen. Weber bekräftigte, Klimaschutz dürfe nicht zu Lasten der kleinen Leute wie Rentner und Pendler gehen, die durch teures Benzin und Heizöl belastet würden. Er setze auf neue Technik und Innovation, um die Klimaziele bis 2030 und 2050 zu erreichen.
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Timmermans machte sich wieder für Mindestlöhne und für eine Mindestbesteuerung von Unternehmen in Europa stark. Weber wiederholte den Vorschlag einer Digitalsteuer, die in einen Fonds für Arbeitnehmer fließen soll, die wegen der Digitalisierung ihren alten Job verlieren. Wer die Debatte in der ARD vorige Woche und im Europaparlament am Mittwoch gesehen oder eines von Dutzenden Interviews der Kandidaten gelesen hatte, kannte sich schon aus.
Der Umgang
Die beiden Kandidaten, die sich in den vergangenen Tagen vermutlich häufiger gesehen hatten als ihre jeweiligen Familien, stritten miteinander - aber mit gebremstem Schaum. Weber duzte Timmermans konsequent und sprach bisweilen vom „lieben Frans“.
Ein Sieger?
Ist schwer auszumachen. Timmermans war wieder prägnant und schlagfertig und beeindruckte mit fabelhaftem Deutsch. Weber versuchte es bisweilen mit parteipolitischen Angriffen, versprühte aber im Wesentlichen positive Stimmung und Packen-Wirs-an-Euphorie. Wie in den anderen Duellen schaffte Weber es, mehr Redezeit für sich abzuknapsen.
Die Kleinen
Die deutschen Spitzenkandidaten der Grünen (Ska Keller), FDP (Nicola Beer), Linken (Özlem Demirel) und der AfD (Jörg Meuthen) stritten später in einer „Schlagabtausch“ genannten Sendung über ganz ähnliche Themen wie zuvor Weber und Timmermans. Während diese zu zweit 90 Minuten Zeit hatten, mussten sich die vier Kandidaten der kleineren Parteien allerdings mit 60 Minuten begnügen. Klimawandel, Migration, Mindestlohn, soziale Gerechtigkeit - überraschende Antworten blieben in allen diesen Themenfeldern aus.
Erkenntnisse
Keller, Demirel und Beer zeigten sich zwar in vielen Punkten mit der aktuellen Politik und dem Zustand der EU unzufrieden, sahen aber keine Alternative dazu. „Die Europäische Union ist sicher nicht ohne Fehler. Aber sie ist trotzdem die beste Idee, die wir auf diesem Kontinent hatten“, befand Keller. Während Grüne, FDP und Linke diese Idee weiterentwickeln wollen, drohte Meuthen unverhohlen mit einer Blockadepolitik der künftigen rechten Fraktion im Europaparlament: „Natürlich werden wir mit Nein votieren, wo Unsinn gemacht wird. Und da dort sehr viel Unsinn gemacht wird, wird Nein relativ häufig die Folge sein.“ (dpa)