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„Das Lächeln erhellt alles“So feiert die Ukraine die Rückeroberung von Cherson

Lesezeit 3 Minuten
Ein Einwohner von Cherson küsst einen ukrainischen Soldaten.

Freudige Begrüßung: Ein Einwohner von Cherson küsst einen ukrainischen Soldaten. Seit Freitag herrscht in der ukrainischen Stadt ausgelassene Stimmung.

Das ganze Wochenende über kam es in Cherson zu Freudentänzen, Umarmungen, Jubelszenen – und zu einem unverhofften Wiedersehen.

Es hatte sich abgezeichnet, seit Freitag ist es offiziell: Die ukrainische Armee hat die Kontrolle über die Stadt Cherson wiedererlangt. Kiews Truppen rückten bis in die Innenstadt vor – und wurden emotional empfangen. Zuvor hatte Russland angekündigt, sich auf die linke Seite des Flusses Dnipro und damit in Richtung der Halbinsel Krim zurückzuziehen. Seit dem herrscht in der ukrainischen Stadt ausgelassene Stimmung.

Ukraine: Emotionale Szenen in Cherson nach Rückeroberung der Stadt

Bereits am Freitag kursierten in den sozialen Netzwerken erste Videoaufnahmen und Fotos aus den zuvor von Russland besetzten Gebieten der Stadt – am Wochenende folgten unzählige weitere emotionale Szenen. Internationale Journalisten berichteten übereinstimmend von Jubelszenen, Hupkonzerten und Freudentänzen im gesamten Stadtgebiet. Ukrainische Fahnen wurden zudem auf behördlichen Gebäuden gehisst.

Anton Gerashchenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums, veröffentlichte am Freitag auf Twitter mehrere Videos, die ukrainische Soldaten umringt von jubelnden Zivilisten auf dem zentralen Platz der Stadt zeigen sollen. Die Menschen haben darin vielfach die ukrainische Fahne mitgebracht und feiern die Soldaten. Auch Freudentränen sind auf Videos bei einzelnen Personen zu sehen.

Freude über Erfolg in Cherson: „Die Russen wurden rausgeschmissen“

In einem weiteren Tweet fand Geraschchenko emotionale Worte. Die Feierlichkeiten in Cherson ließen einem „die Tränen in die Augen steigen“, erklärte der Politiker. „Das Lächeln der Menschen erhellt alles.“

Auch der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, kommentierte die Einnahme der Stadt. „Gänsehaut“, schrieb der kürzlich nach Kiew zurückgekehrte Diplomat bei Twitter. „Die Russen wurden wie ein tollwütiger Hund rausgeschmissen. Die Ukraine wird siegen.“

Am Abend teilte Matthew Luxmoore, Journalist des Wall Street Journals, eine weitere Aufnahme. Sie soll Bewohner von Cherson zeigen, die mit der ukrainischen Fahne um ein Feuer tanzen und laut Angaben des Journalisten ein patriotisches Lied singen.

Befreiung von Cherson: Unverhofftes Wiedersehen mit der Tante

Besondere Aufmerksamkeit erfuhr am Wochenende unterdessen Iuliia Mendel, eine ehemalige Sprecherin des ukrainischen Präsidenten Wolodymr Selenskyj. Mendel hatte ein Video geteilt, in dem mehrere Menschen zu sehen sind, die einem ukrainischen Soldaten Blumen überreichen.

„So sehe ich meine Tante aus der Region Cherson zum ersten Mal seit neun Monaten wieder – in einem Video, in dem sie einen ukrainischen Soldaten umarmt“, schrieb Mendel zu der Aufnahme bei Twitter. „Sie weiß nicht einmal, dass sie ein Internet-Star geworden ist.“

Die Feierlichkeiten der Bewohner von Cherson setzten sich das ganze Wochenende über fort. Auch am Samstag und Sonntag kam es zu ausgelassenen Szenen im Stadtzentrum, wie diverse Videos in den sozialen Netzwerken belegten.

Selenskyj selbst reiste schließlich am Montag nach Cherson. Er wolle den Menschen mit seiner Anwesenheit seine persönliche Unterstützung ausdrücken, sagte Selenskyj vor Journalisten. „Damit sie spüren, dass wir nicht nur davon reden, nicht nur versprechen, sondern real zurückkehren, unsere Flagge hissen.“ Außerdem wolle er selbst die Emotionen und die Energie seiner Landsleute spüren, betonte der 44-Jährige. „Das motiviert auch sehr.“

Russland will „militärische Spezialoperation“ trotz Rückzug fortsetzen

Die Stadt Cherson war direkt nach Kriegsbeginn am 24. Februar umkämpft. Anfang März nahmen die russischen Streitkräfte nach schweren Gefechten die Stadt ein. Es war die erste Großstadt unter russischer Kontrolle und die einzige regionale Hauptstadt, die russische Truppen bisher einnehmen konnten.

Nach ihrem Rückzug auf die andere Flussseite haben die russischen Streitkräfte unterdessen wichtige Brücken über den Dnipro zerstört. Die „militärische Spezialoperation“, wie der Krieg gegen die Ukraine in Russland auf Geheiß des Kremls genannt wird, gehe weiter, erklärte Regierungssprecher Dmitri Peskow noch am Freitag.