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„Es wird nur noch schlimmer“Ukraine gelingt „taktischer Durchbruch“ – und Putins Gefolgschaft wird nervös

Lesezeit 4 Minuten
Verteidigungsminister Sergei Schoigu (l.) und Kremlchef Wladimir Putin (M.) bei einem Besuch auf einem Truppenübungsplatz. Nach einem „taktischen Durchbruch“ der ukrainischen Truppen wird Kritik an Schoigu laut.

Verteidigungsminister Sergei Schoigu (l.) und Kremlchef Wladimir Putin (M.) bei einem Besuch auf einem Truppenübungsplatz. Nach einem „taktischen Durchbruch“ der ukrainischen Truppen wird Kritik an Schoigu laut.

Der Ukraine ist offenbar ein Durchbruch gelungen. Putins Militärblogger schlagen Alarm. Kiew kommentiert das süffisant.

Die Ukraine vermeldet bei ihrer Gegenoffensive entscheidende Fortschritte. Bereits am Sonntagmorgen verkündete der Generalstab in Kiew einen Durchbruch an der Front im Süden des Landes bei dem Dorf Werbowe. Demnach sei „der Gegner“ aus „seinen Stellungen“ verdrängt worden. „Die Truppen setzen sich an den erreichten Positionen fest“, hieß es weiter.

Der amerikanische Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW) bestätigte am Sonntag die Angaben aus Kiew: „Wir sprechen es aus: Den ukrainischen Streitkräften ist westlich von Werbowe ein taktischer Durchbruch gelungen“, schrieb Russland-Analyst George Barros im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). „Sie haben noch einen langen Weg vor sich, aber das ist eine positive Entwicklung.“

Gegenoffensive: Ukraine gelingt laut US-Analysten „taktischer Durchbruch“

Im täglichen Lagebericht wurde das ISW dann noch deutlicher: Die Ukraine habe an dieser Stelle den „am besten befestigten russischen Verteidigungsgürtel der Region“ durchbrochen, erklärten die US-Analysten. Zu diesem Gürtel gehörten Minenfelder, bemannte Schützengräben, Anti-Panzer-Gräben und Betonsperren.

Der Kommandeur der ukrainischen Truppen in der Region, Brigadegeneral Olexander Tarnawskyj, sprach in einem Interview mit CNN ebenfalls von einem „Durchbruch“. Ein ukrainischer Armeesprecher erklärte zudem im TV: „Wir bewegen uns von Baumreihe zu Baumreihe vor, manchmal 50 bis 100 Meter pro Tag, manchmal 300 bis 400 Meter“.

Nervosität bei russischen Bloggern: „Wie lange will Schoigu das noch verheimlichen?“

Am Sonntag setzte die Ukraine den US-Analysten zufolge ihren Vorstoß bei Werbowe fort. Die Hälfte des Dorfes sei mittlerweile von ukrainischen Truppen besetzt, berichteten demnach russische Militärblogger mit Kontakten zu den russischen Streitkräften, heißt es im neusten Lagebericht.

Der Fahrer eines Bradley Fighting Vehicle (BFV) gestikuliert in der Frontstadt Orichiw. Aus ihrem amerikanischen Schützenpanzer berichtet die Besatzung von schweren Gefechten.

Der Fahrer eines Bradley Fighting Vehicle (BFV) gestikuliert in der Frontstadt Orichiw. Aus ihrem amerikanischen Schützenpanzer berichtet die Besatzung von schweren Gefechten.

Bei den russischen Bloggern wird mittlerweile auch Kritik an Moskau laut: „Wie lange will Schoigus Verteidigungsministerium das noch verheimlichen?“, hieß es in einem der Telegram-Kanäle über den russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu.

Während die Russen also bereits Alarm schlagen, nimmt man das in Kiew süffisant zur Kenntnis. „Viele von euch fragen sich, wie der Krieg verläuft“, schrieb das Verteidigungsministerium in einem auf X veröffentlichten Video – und trollte dann die russische Armee und ihre Blogger.

Nach Durchbruch: Kiew trollt Moskau mit Video in sozialen Netzwerken

Musikalisch unterlegt mit dem Song „Bad Moon Rising“ der US-Band Creedence Clearwater Revival verkündete Kiew: „Erst wollten wir aus unserer Perspektive berichten, dann wurde uns klar: Wir könnten es nicht besser ausdrücken als die Russen selbst.“

Schließlich folgen im Video Zitate russischer Blogger aus den letzten Tagen. „Was für ein Mist passiert hier eigentlich gerade“, lautet eines der Zitate der Blogger. „Erwartet nichts Gutes – es wird nur noch schlimmer“, ein anderes.

In Moskau spricht man von „ukrainischer Propaganda“

Bei den russischen staatlichen Nachrichtenagenturen findet sich derweil nur vehementer Widerspruch zu den Angaben zum ukrainischen Vorrücken in Werbowe. „Von einem Durchbruch ist keine Rede“, zitierte RIA den vom Kreml eingesetzten „Verwalter“ der Region Saporischschja, Wladimir Rogow. Derartige Berichte seien das „Produkt der kranken Fantasie ukrainischer Propagandisten“, hieß es weiter. Es habe keinerlei Vorstöße gegeben, erklärte Rogow. „Unsere Jungs halten die Verteidigung souverän.“

Am Montag verkündete der „Präsident“ der international nicht anerkannten, von Russland geschaffenen „Volksrepublik Donezk“, Denis Puschilin, dann schließlich: „Die Situation hat sich in den letzten beiden Tagen etwas verbessert“, obwohl sie sich laut „Verwalter“ Rogow angeblich ja nie verschlechtert hatte.

Der Militärexperte Rob Lee wies unterdessen darauf hin, dass beim ukrainischen Angriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol am Freitag nach ukrainischen Angaben auch der russische Generaloberst Alexander Romantschuk unter den Verletzten gewesen sein soll.

Kommandant der russischen Truppen bei Werbowe bei Angriff verwundet?

„Romantschuk hat das Kommando über die russischen Truppen in Saporischschja“, erklärte Lee bei X. Das Dorf Werbowe befindet sich in dieser Region. Somit habe es sich bei dem Angriff, bei dem laut Kiew der Kommandeur der Schwarzmeerflotte getötet wurde, nicht bloß um einen Schlag gegen die Schwarzmeerflotte gehandelt, sondern um einen „gezielten Angriff auf wichtige und hochrangige Führungskräfte“ der russischen Armee.

Die ersten Berichte über einen ukrainischen Durchbruch bei Werbowe gab es am Samstagabend, einen Tag nach dem massiven Angriff auf das russische Flottenhauptquatier auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim.