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Kommentar

Unruhen in Frankreich
Macron hat nicht mehr viel zu gewinnen

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Monatelange Demonstrationen mit Gewalt und Sachbeschädigung: Frankreich ist ein unruhiges Land derzeit.

Monatelange Demonstrationen mit Gewalt und Sachbeschädigung: Frankreich ist ein unruhiges Land derzeit.

Die umstrittene Rentenreform hat die letzten Hürden genommen. Doch die nächsten Proteste stehen bevor. Das hat mehrere Gründe.

Wieder türmt sich der Abfall an den Straßenrändern von Paris. Weiter fallen Züge in, von und nach Frankreich aus. Für den 1. Mai und vielleicht darüber hinaus sind massive Großkundgebungen zu erwarten. Auch brutale Zusammenstöße zwischen Protestlern und der Polizei bleiben an der Tagesordnung. Frankreich kommt nicht zur Ruhe, obwohl die umstrittene Rentenreform am Freitag mit der Absegnung durch den Verfassungsrat und der Unterschrift von Präsident Emmanuel Macron die letzten Hürden genommen hat.

Hätten die obersten Verfassungshüter das Gesetz zurückgewiesen, wäre das zwar eine Niederlage für Macron gewesen, der es zum zentralen Projekt dieser Amtszeit erkoren hat. Zugleich hätte sich ihm eine elegante Gelegenheit geboten, die eigenen Pläne zu überarbeiten, den Gewerkschaften und der Opposition endlich eine Hand entgegenzustrecken und gemeinsam eine Alternative zu erarbeiten.

Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Polizei.

Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Polizei.

Angesichts der alternden Gesellschaft und immer weniger Arbeitenden, die die Senioren finanzieren, braucht Frankreich eine Rentenreform und diese wird nicht die letzte gewesen sein. Das weiß auch die Mehrheit der Menschen im Land. Es wäre zu einfach, den beinharten Widerstand gegen Macrons Gesetz mit einer simplen Unlust, noch zwei Jahre mehr zu arbeiten, zu erklären. Im Gegensatz zu Deutschland und vielen anderen Ländern liegt das durchschnittliche Alter, in dem die Französinnen und Franzosen in den Ruhestand gehen, längst über der legalen Altersgrenze. Während die jetzige Reform Akademiker weniger betrifft, benachteiligt sie einfache Arbeiter, die besonders früh in ihre oft körperlich anstrengenden Jobs einstiegen.

Alters-Diskriminierung an der Tagesordnung

Anders als von der Regierung behauptet, werden auch Frauen, die wegen Kindererziehung zeitweise aussetzten, im Schnitt schlechter gestellt. Das Gesetz gilt als zutiefst ungerecht. Hinzu kommt, dass bereits über 55-Jährige in Frankreich oft keinen Job mehr finden, weil etliche Unternehmen Alters-Diskriminierung betreiben. Macron hat die Gewerkschaften erniedrigt und seine Isolation offenbart, weil er keine Mehrheit in der Bevölkerung und im Parlament fand. Wenn er am heutigen Montag eine Fernsehansprache hält, hat der Präsident nur noch wenig zu verlieren. Aber auch kaum etwas zu gewinnen.

Der Vertrauensverlust dürfte nachhaltig sein, selbst wenn der Widerstand in den Straßen mit der Zeit nachlässt, wie auch bei den Protesten der „Gelbwesten“ vor drei Jahren. Doch die Wut bleibt, mindestens bis zur nächsten Wahl 2027. Dann darf Macron laut Verfassung nicht mehr antreten. Aber die Rechtsextreme Marine Le Pen könnte frohlocken. Sie geht zumindest derzeit als Siegerin dieser aufwühlenden Monate hervor.