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USA nach den MidtermsEin Hurrikan namens Donald

Lesezeit 6 Minuten
Der frühere US-Präsident Donald Trump schaut bei einer Rede in Palm Beach in Richtung der Zuschauer.

Der frühere US-Präsident Donald Trump.

Das miserable Abschneiden seiner extremen Kandidaten bei den Zwischenwahlen hat den Nimbus von Donald Trump als Königsmacher beschädigt.

Manchmal kommt einfach alles zusammen. Eigentlich hatte Donald Trump eine Woche voller Höhepunkte geplant: Erst am Dienstag eine rauschende Midterms-Wahlparty im Ballsaal seines Privatclubs Mar-a-Lago. Dann am Samstag die Hochzeit seiner jüngsten Tochter Tiffany mit 500 geladenen Gästen auf dem luxuriösen Anwesen in Florida. Und schließlich am kommenden Dienstag ebenfalls dort die Verkündung seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur.

„Liebe Freunde, die unglaubliche Reise, die wir zusammen unternehmen, hat gerade erst begonnen“, hatte der 76-Jährige seinen Anhängern am vorigen Montag beim Wahlkampfabschluss in Ohio zugerufen. Jauchzende Geigenmusik untermalte seine Worte. Hinter dem Redner parkte eine blau-rot-weiße Boeing 757, sein Privatjet, dessen Name „Trump Force One“ nicht zufällig an die Präsidentenmaschine erinnert. „Wir werden Amerika wieder groß machen!“, jubelte Trump.

Doch dann kam alles anders.

Erst zeigten die Monitore bei der Watch-Party im goldenen Ballsaal immer schlechtere Ergebnisse für die von Trump unterstützten Kandidaten an, während sein parteiinterner Gegenspieler Ron DeSantis bei einem eigenen Fest seine triumphale Bestätigung als  Gouverneur von Florida feierte. Dann musste am nächsten Tag das palmengesäumte Resort wegen des herannahenden Hurrikans Nicole evakuiert werden.

Donald Trump zürnte über seine Berater

Trump harrte in seinen Gemächern aus. Während sich der Wirbelsturm der Küste näherte, zürnte er über seine Berater. Im fernen Manhattan aber bereitete die „New York Post“, die Trump seit seiner Zeit als Immobilienmogul überaus freundlich begleitet hatte, eine Spott-Attacke vor. „Trumpty Dumpty“ (etwa: Kaputter Trump) titelte das Blatt am Donnerstag in Abwandlung eines englischen Kinderreims über Humpty Dumpty, ein eiförmiges Männlein, das von einer Mauer stürzt.

Das war wohl zuviel. Am Morgen - das meteorologische Unwetter hatte gerade anderthalb Autostunden nördlich von Mar-a-Lago ein Stück Küstenstraße ins Meer gerissen - entlud sich Hurrikan Donald auf seinem Kurznachrichtendienst „Truth Social“. „Die Fake News-Medien sind verrückt und völlig außer Kontrolle“, wetterte er. Er widersprach Berichten über seinen Gemütszustand, verbreitete Verschwörungslügen über Wahlfälschungen in Nevada, Arizona und Pennsylvania, griff den rechten Verleger Rupert Murdoch an und brüstete sich in einem Thread, wie er angeblich dem „in furchtbarer Verfassung politisch erledigten“ DeSantis einst eine politische Karriere ermöglicht habe.

Erinnert euch, ich bin ein stabiles Genie
Donald Trump, früherer US-Präsident

„Ich bin nicht wütend. Ich habe einen tollen Job gemacht und bin sehr beschäftigt, die Zukunft vorzubereiten“, behauptete Trump: „Erinnert Euch, ich bin ein stabiles Genie!“ Nicht jeder Leser der Tweet-Salve dürfte diesen Eindruck teilen.

Die für die Republikaner enttäuschenden Zwischenwahlen haben bewirkt, was noch vor wenigen Tagen unvorstellbar schien: Donald Trump, der Pate der Partei, ist angeschlagen. „Trump ist der größte Verlierer der republikanischen Partei“, überschrieb das konservative Wall Street Journal am Donnerstag seinen Leitartikel und listete die Niederlagen bei den Midterms auf, die der Ex-Präsident zu verantworten habe.

Es ist, als hätten die Ergebnisse Kongresswahl den Nimbus des unbesiegbaren Ex-Reality-TV-Stars zerstört. „Du bist gefeuert!“, hatte der in seiner Fernsehshow die Minderleister abgekanzelt. Jetzt strafen die Wähler die vom Königsmacher parteiintern durchgepeitschten Kandidaten reihenweise ab: Den quacksalbernden Senats-Bewerber Mehmet Oz und den konspirationsbesessenen Gouverneursanwärter Doug Mastriano, die im Swing-State Pennsylvania regelrecht versenkt wurden. Den bigotten Ex-Footballstar Herschel Walker, der sich in Georgia nur mit Mühe in eine Stichwahl retten konnte, während sein Trump-kritischer Parteifreund Brian Kemp eindrucksvoll als Gouverneur wurde. Und den Rechtsnationalisten Blake Masters in Arizona, der im Rennen um den Senatorenposten deutlich hinter dem Demokraten liegt.

Trump-Berater: Narzissmus des Ex-Präsidenten das Problem

„Die Republikaner wachen auf und stellen fest, dass Trump ein Minusgeschäft für ihren Erfolg ist“, sagte der Politstratege Liam Donovan dem „Wall Street Journal“. Bei Wahlen hänge viel von der Qualität der Kandidaten ab, argumentierte auch der konservative Blogger und Radiomoderator Erick Erickson in der „Washington Post“: „Das waren keine guten Kandidaten. Sie hatten mehr Verpflichtungen zu Trump als zu irgendetwas anderem.“ Der ehemalige Trump-Berater David Urban sieht den Narzissmus und die Fixierung des Ex-Präsidenten auf seine eigene Geschichte als Hauptproblem. „Amerikaner unterstützen gewöhnlich Kandidaten, die nach vorne und nicht zurückschauen“, sagte er der „New York Times“: „Ich glaube nicht, dass er das kann.“

So wird plötzlich ernsthaft über Alternativen für das Rennen ums Weiße Haus gesprochen. Der wiedergewählte Gouverneur von New Hampshire, Chris Sununu, gilt als möglicher Kandidat. Ex-Vizepräsident Mike Pence ist seit längerem interessiert. Senator Tim Scott aus North Carolina deutete am Wahlabend Ambitionen an. Glenn Youngkin, der Gouverneur  von Virginia, erklärte auf Nachfragen vieldeutig: „Ich fühle mich durch die Diskussion geehrt“.

Doch kein potenzieller Trump-Herausforderer bringt derzeit soviel Gewicht auf die politische Waage wie Ron DeSantis. Bei der Wahlparty am Dienstag wurde der Gouverneur zunächst laut bejubelt. Dann skandierte die Menge in Abwandlung eines alten Trump-Schlachtrufs: "Two more years"! Die Amtszeit in Florida läuft vier Jahre. Doch 2024 wird der neue Präsident gewählt.

Noch aber hält sich DeSantis zurück - wohl auch, weil er weiß, dass Trump eine unglaublich loyale Anhängerschaft hat. Zu den Kundgebungen des Ex-Präsidenten strömen regelmäßig tausende Menschen. Überall im Land sieht man Fähnchen mit seinem Namen. Bei Umfragen ist er mit weitem Abstand der Favorit für eine Kandidatur. „Jedes Jahr schreiben die Medien Donald Trumps Nachruf“, mokiert sich der frischgewählte republikanische Senator von Ohio, JD Vance: „Und jedes Jahr werden sie schnell daran erinnert, dass Trump der beliebteste Politiker der Republikaner ist.“

Aber muss das so bleiben? Oder könnte die Stimmung tatsächlich kippen? Die Aggressivität, mit der Trump derzeit DeSantis angeht und mehrmals am Tag als „Ron DeSanctimonious“ (Ron der Scheinheilige) verunglimpft, lässt ahnen, dass er die Konkurrenz zumindest sehr ernst nimmt.

Umso wichtiger ist für ihn nun, seine eigene Kandidatur richtig auf die Spur zu setzen. Die erforderlich gewordene Stichwahl in Georgia am 6. Dezember ist dabei die nächste Hürde. Der Ex-Präsident ist in dem Südstaat wenig beliebt. Sein langjähriger Berater Jason Miller und auch Kayleigh McEnany, die ehemalige Sprecherin des Weißen Hauses, rieten ihm deshalb eindringlich, die Ankündigung seiner Bewerbung ein paar Wochen zu verschieben, damit er dem Wahlkampf seiner Partei nicht schadet.

Verschiebung als Eingeständnis der Schwäche?

Aber so denkt Trump nicht. Eine Verschiebung käme in seinen Augen einem Eingeständnis von Schwäche gleich. „Die Medien, die Wirtschaftseliten und das politische Establishment haben sich auf eigenes Risiko unisono gegen Donald Trump gestellt“, polterte einer seiner Sprecher: „Sollen sie ruhig. Wir werden es noch einmal schaffen. Schnallen Sie sich an!“

Am Donnerstagabend dann versandte Trump die offizielle Einladung an die Medien. Sie verspricht eine „besondere Ankündigung“ des „45. Präsidenten der Vereinigten Staaten“ am kommenden Dienstag um neun Uhr morgens (Ortszeit) im Mar-a-Lago-Club.

Als die Mail herausging, hatte sich Hurrikan Nicole landeinwärts verzogen. Doch die Schäden des Unwetters sind längst nicht beseitigt. Gouverneur DeSantis warnte vor der Berührung von abgerissenen Stromleitungen. Der drohende politische Kurzschluss in seiner Partei aber scheint sich kaum mehr verhindern zu lassen.