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Wahl in BremenSchweres Pflaster für die Union im SPD-Land

Lesezeit 5 Minuten
Wahlplakate der SPD und der CDU stehen in Bremen am Straßenrand. „Politik braucht Format“ wirbt die SPD, „Das Tandem für Bremen“ wirbt die CDU.

Wahlplakate der SPD und der CDU stehen in Bremen am Straßenrand. Die nächste Bremische Bürgerschaft wird am 14. Mai gewählt.

Am Sonntag wählt Bremen eine neue Bürgerschaft. Die CDU versucht auf unkonventionelle Art und Weise Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) anzugreifen.

Andreas Bovenschulte hat sein goldfarbenes Baritonhorn mitgebracht. Der Bremer Bürgermeister will erstmal einige Lieder mit zwei Genossen spielen, bevor er sich unter das Volk mischt. Gemeinsam mit den SPD-Wahlkämpfern stimmt er „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ an. Es ist das Arbeiterlied schlechthin - und die Parteihymne der SPD. Die Sonne scheint, aber so richtig schön klingt es nicht, die Instrumente quietschen. Die drei haben nicht zusammen geübt. Ihnen ist es egal, sie stimmen noch zwei weitere Lieder an: „Die Gedanken sind frei“ und „Auld Lang Syne“.

Bovenschulte ist an einem frühlingshaften Samstag in das bürgerliche Bremer Viertel Schwachhausen gekommen, um vor der Bürgerschaftswahl die Werbetrommel zu rühren. Er will den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern den Rücken stärken, die Jutebeutel mit der Aufschrift „Ich gehe Bovi wählen“ verteilen. Es gehört zum Repertoire von Bovenschulte dazu, seine Musikkünste im Wahlkampf zum Besten zu geben. Am 14. Mai wählt der Stadtstaat ein neues Parlament und Bovenschulte will Bürgermeister bleiben. „Mein Ziel ist, dass die SPD klar stärkste Kraft wird und wir die Regierungsbildung in der Hand haben“, sagt Bovenschulte im April der „Zeit“.

Auf dem Marktplatz in Schwachhausen kommt der 57-Jährige mit einer Bremerin ins Gespräch. Sie beklagt sich wegen des Bildungsystems und des Aussterbens der Innenstädte. Zwar verantwortet Bovenschulte diese Politik als Regierungschef, aber die Bürgerin schiebt hinterher: „Als Bürgermeister finde ich Sie großartig.“ Bovenschulte lächelt.

CDU in Bremen: Ersten Platz errungen – und trotzdem nicht regiert

Er ist beliebt bei den Bremerinnen und Bremen - die SPD hat hier ohnehin den historischen Amtsbonus. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird Bremen von SPD-Bürgermeistern regiert. Der Stadtstaat gilt als Hochburg der Sozialdemokraten. Umso wichtiger ist es für sie, diese Wahl auch zu gewinnen. Die CDU hingegen hat sich schon daran gewöhnt, nicht ins Rathaus einzuziehen. Dabei hat die Partei bei der vergangenen Wahl 2019 sogar den ersten Platz erreicht. Doch SPD, Grüne und Linke schmiedeten ein Bündnis ohne die Christdemokraten.

Letztere haben am gleichen Tag einen kleinen Rummel im etwa 65 Kilometer entfernten Bremerhaven aufgebaut. Es werden Kaffee aus orangefarbenen CDU-Bechern, Butterkuchen und Pommes Rot/Weiß angeboten. Für die Kleinsten gibt es ein Karussell und eine Hüpfburg. Für die Großen gibt es hohen Besuch aus dem politischen Berlin. Parteichef Friedrich Merz hat sich angekündigt, um das Spitzenduo der CDU zu unterstützen.

Eine Radfahrerin in der Bremer Innenstadt fährt über einen breiten, rot markierten Radweg mit der Aufschrift „Fahrradstraße“.

Radfahrerin in der Bremer Innenstadt.

Die CDU hat für die Bürgerschaftswahl ein Tandem gebildet: Frank Imhoff und Wiebke Winter. Der 54-Jährige ist Landwirt und sitzt in der Bürgerschaft. Die 27-jährige Bremerin ist Klimaexpertin der CDU und hat die Klimaunion mitgegründet, die die Bundes-CDU in Sachen Umweltpolitik treiben will. Die CDU Bremen gilt als besonders liberaler Landesverband. Die beiden Spitzenkandidaten Imhoff und Winter ebenfalls. Für die CDU, in der sich kaum jemand das Rampenlicht teilen will, ist eine Doppelspitze ungewöhnlich. Doch die Bremer CDU-Männer und -Frauen wollen etwas Neues ausprobieren.

SPD liegt in Umfrage knapp vor der CDU

Ob diese Strategie aufgeht, ist fraglich. Laut ZDF-Politbarometer liegen die Christdemokraten bei 27 Prozent, während die SPD bei 30 Prozent liegt. Die Grünen kommen in der Umfrage auf 13 Prozent und die Linke auf neun Prozent. Die FDP erreicht sechs Prozent, die rechtspopulistische Partei Bürger in Wut 9 Prozent. Da die AfD zur Wahl nicht zugelassen ist, dürfte die Partei davon profitieren - anders als die CDU. Und manch einer in Bremen traut der CDU sowieso nicht zu, ein Bündnis gegen Rot-Rot-Grün schmieden zu können, sollte sie gewinnen. Auch in der CDU gibt es diese Befürchtung.

Das wollen Imhoff und Winter aber nicht so stehen lassen. Winter betont in Bremerhaven den Unterschied zu 2019: Man spreche nun womöglich über eine schwarz-grüne oder schwarz-rote Koalition und nicht über ein Dreier-Bündnis. Das sei ja ohnehin leichter, meint sie. Imhoff sagt: „Wir können mit allen demokratischen Parteien reden.“ Zu einer Koalition gehöre dazu, dass man Parteiprogramme übereinander lege und, dass Menschen miteinander klar kämen. Es klingt allerdings nicht sehr überzeugend.

Als Merz in Bremerhaven spricht, appelliert er aufgrund der Bündnis-Problematik an die Wählerinnen und Wähler: „Wir wollen dafür werben, dass die CDU so stark wird, dass ohne die CDU nicht regiert werden kann.“ Dann geht Merz auf die Bürger in Wut ein, ohne den Namen der Partei zu nennen. Er könne verstehen, dass man mal sauer sei, und eine Protestpartei wähle, sagt er. „Diesmal ist dafür kein Platz“, ruft er.

CDU-Wahlkämpfer blicken skeptisch auf den Bundesparteichef Friedrich Merz

Bremerhaven gilt konservativer als Bremen. Kein Wunder also, dass sie Friedrich Merz hierhin eingeladen haben und nicht auf einen Marktplatz in Bremen. Eine CDU-Wahlkämpferin in Bremer Viertel Schwachhausen berichtet, Merz werde hier zwiespältig gesehen. Die politischen Gegner witzeln gar, man wolle Merz in Bremerhaven verstecken. In Bremen besuchte der Parteichef nur eine Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrates, die parteinahe Vereinigung der Wirtschaftskonservativen.

Die Unionsspitze dürfte eine Niederlage der Bremer CDU schon eingepreist haben. Für die Partei wäre das auch nicht entscheidend. Viel wichtiger sind für die Union die Landtagswahlen in Hessen und Bayern am 8. Oktober. Doch für die SPD, die immer auf das linke Bremen bauen konnte, wäre es eine Blamage, wenn Bovenschulte sein Baritonhorn zusammen packen und das Rathaus verlassen müsste.