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Kommentar

Kommentar zu Merz und Meloni
Bei „Cancel Culture“ laut, bei Rechtspopulisten leise?

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Merz Söder PA 270922

Friedrich Merz (r.), CDU-Bundesvorsitzender, spricht mit dem per Video zugeschalteten Markus Söder (CSU).

  1. Italien wählt eine Postfaschistin ins Regierungsamt – und von der Union hört man Beschwichtigung oder Schweigen.
  2. Bei Themen wie Winnetou, Gender und Atomenergie zeigten sich die Konservativen zuletzt deutlich redseliger.
  3. Doch wer beim Wahlsieg einer Postfaschistin schweigt, muss sich Kritik gefallen lassen. Ein Kommentar.

Nun regiert in Rom, wenn alles so kommt, wie es zu erwarten ist, also eine Postfaschistin. In Italien versteht man darunter eine politische Strömung, die ihre Wurzeln im Erbe des Faschismus Benito Mussolinis sieht – insbesondere Melonis Partei Fratelli d’Italia positioniert sich dort. Wer sich so manchen Auftritt Giorgia Melonis aus der Vergangenheit anschaut, kann an diesem selbstgewählten Titel auch kaum Zweifel haben. Meloni keift, Meloni giftet, Meloni hetzt.

In manchen Videos überschlägt sich die Stimme der „Fratelli d’Italia“-Kandidatin, so viel Furor empfindet sie gegenüber ihren übrigens überwiegend herbei fantasierten Feindbildern. Und die sind natürlich links und wollen wahlweise Familie, Religion oder Geschlechterrollen zerstören.

Und in Deutschland? Alles, was im politischen Spektrum links der Mitte zu verordnen ist, zeigte sich am Montag schockiert ob des Wahlergebnisses in Italien. Anders sah das freilich bei der AfD aus, die den Wahlsieg der Faschistin offen bejubelte. Und die sonst so redseligen Konservativen?

Markus Söder meldet sich zu Wort – zu spät

Nichts war zu hören von Friedrich Merz – bis zum Dienstagmorgen hat sich das nicht geändert. CSU-Chef Markus Söder merkte am Montagnachmittag wenigstens, dass die willige Unterstützung, die das rechtsradikale Regierungsbündnis in Italien aus Lega, Fratelli d’Italia und der Berlusconi-Partei Forza Italia von EVP-Chef Manfred Weber erfahren hat, hierzulande nicht so gut ankommt.

„Es ist nicht Aufgabe der EVP und bürgerlicher Parteien, rechtsnationale und rechtsradikale Regierungen zu ermöglichen, das ist nicht unser Auftrag“, erklärte der bayrische Ministerpräsident und Parteifreund Webers also. Wohlgemerkt erst, nachdem Weber seinen Teil dazu beigetragen hatte, eine rechtsradikale Regierungskoalition in Italien zu ermöglichen.

Wahl von Giorgia Meloni: Unionsmitglieder probieren sich in Beschwichtigung

Bereits vor Wochen hatte nicht nur der „Spiegel“ die Union aufgefordert, Weber zu stoppen. Nichts passierte – erst als das Kind in den Brunnen gefallen war, aber die Reaktionen innenpolitisch zu gefährlich wurden, meldete sich Söder zu Wort. Und blieb damit übrigens weitestgehend allein.

Andere Unionsmitglieder probierten sich lieber in Beschwichtigung: „Früher hat man dem politischen Mitbewerber zur Wahl gratuliert und dann die Zeit der Zusammenarbeit abgewartet. Und man wusste eine Niederlage zu akzeptieren“, schrieb die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke. Meloni, die nette Faschistin von nebenan, beruhigt euch!

Wahl in Italien: Das Schweigen der Konservativen

Das sind ungeahnt entspannte Reaktionen auf den Wahlsieg einer selbsterklärten Postfaschistin in Europa. Vor ein paar Wochen noch hörten die Konservativen schließlich kaum auf zu zetern und zu meckern. Damals gings übrigens auch um ein Schreckgespenst aus der Vergangenheit: Winnetou.

Karl Mays ewiges Recht auf fehlerhafte Darstellungen amerikanischer Ureinwohner wurde von Merz, Söder und Co. damals noch mit viel Furor gegen die stets beschworene „woke Cancel-Culture“ verteidigt. Auch bei Gender-Debatten ist die Union stets ganz vorne dabei. Und wenn es um die Rettung der Atomkraft geht, ja sowieso. Ein furchtbares Schauspiel, das übrigens auch Meloni bestens beherrscht.

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Noch furchtbarer ist nur das laute Schweigen, wenn es um die Verteidigung europäischer Demokratie gegen Rechtsradikale und Faschisten geht. Dass die Winnetou-Welle nur ein populistischer Showkampf ohne Bedeutung war, konnte man ja eh schon ahnen. Dass es allerdings so schlecht um das Rückgrat der Konservativen bestellt ist, muss einen mindestens sorgenvoll stimmen.

Keine Reaktion auf Giorgia Meloni: Friedrich Merz redet lieber über Geflüchtete

Denn wer bei Quatsch-Debatten kaum aufhören kann, gegen Linke zu schießen, nun aber beim von Parteikollegen indirekt unterstützten Wahlsieg einer Postfaschistin schweigt, wird sich Kritik gefallen lassen müssen.

Offenbar kein Problem für Friedrich Merz. Der unterstrich den schalen Eindruck noch am Montagabend und meldete sich doch zu Wort. Aber nicht mit einer eindeutigen Ablehnung von Melonis rechtsradikalem Bündnis: Merz entschied sich stattdessen dafür, bei „Bild TV“ Geflüchteten aus der Ukraine „Sozialtourismus“ vorzuwerfen. Am Dienstag folgte dann die reumütige Entschuldigung – aber weiterhin kein Wort zu Meloni.