Die FPÖ könnte bei der Wahl in Österreich erstmals stärkste Kraft werden – ob ihr Chef Kanzler wird, ist aber fraglich.
Wahl in ÖsterreichAuch bei einem Sieg ist der FPÖ das Kanzleramt nicht sicher
Zum ersten Mal könnte die rechtspopulistische FPÖ bei der Wahl am Sonntag in Österreich zur stärksten Kraft im Parlament werden. Doch ob ihr stramm rechter Parteichef Herbert Kickl Kanzler wird, steht in dem Fall trotzdem nicht fest, denn er müsste Koalitionspartner finden.
Umfragen sehen die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) derzeit bei rund 27 Prozent bei der Wahl – zwei Prozentpunkte vor der konservativen ÖVP, die 2019 noch mit über 37 Prozent der Stimmen klar vorne gelegen hatte. Den Sozialdemokraten von der SPÖ werden etwas über 20 Prozent prognostiziert, den Grünen, die derzeit mit der ÖVP regieren, rund acht Prozent. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wahl:
Warum ist die FPÖ so stark?
Nach der Ibiza-Affäre vor fünf Jahren war die rechtspopulistische FPÖ auf einem Tiefpunkt angelangt, der Korruptionsskandal führte zum Bruch der Koalition mit der ÖVP. Seither gelang der FPÖ unter dem Scharfmacher Kickl ein erstaunlicher Wiederaufstieg: Sie lehnte die Corona-Maßnahmen und die Unterstützung für die Ukraine ab, leugnet den Klimawandel, gibt Migranten die Schuld an der schlechten wirtschaftlichen Lage – und kommt damit bei den 6,3 Millionen Wählern gut an. „Was besonders wichtig ist, ist, dass auf den Österreicher wieder geschaut wird“, sagte die 36-jährige Fitness-Lehrerin Anna Kollenc auf einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung in Graz.
Kickl habe es geschafft, das Themenspektrum über die Einwanderung hinaus zu erweitern und „viele Wähler anzusprechen, die frustriert sind“, meint der Politologe Thomas Hofer. Kickl warb mit Slogans wie „Mutig Neues wagen“ oder „Der Einzige auf eurer Seite“. Seine Schwarz-Weiß-Rhetorik habe verfangen in einer Zeit der starken Polarisierung der Gesellschaft, analysiert Hofer. Obwohl die FPÖ schon dreimal mitregierte, käme ein Sieg der Rechtspopulisten bei der Parlamentswahl „einem Erdbeben“ gleich, sagt er.
Wird Kickl Kanzler?
Auch bei einem Sieg der FPÖ zieht ihr 55-jähriger Parteichef nicht zwingend ins Kanzleramt ein. „Die ÖVP will nicht der Juniorpartner in einer solchen Koalition sein“, sagt Hofer. Stattdessen werde sie wohl lieber mit den Sozialdemokraten und den Liberalen von NEOS zusammenarbeiten. Das wäre dann das erste Dreierbündnis in Österreich.
Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer schloss immer wieder aus, mit einem stramm Rechten wie Kickl als Regierungschef zusammenzuarbeiten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen von den Grünen stellte sich ebenfalls gegen Kickl als Kanzler. Der FPÖ-Chef könnte aus dieser Situation dennoch gestärkt hervorgehen, indem er behauptet, dass ihm die Kanzlerschaft trotz des Wahlsiegs verweigert werde, vermutet der Analyst.
Könnten den Konservativen ein Überraschungssieg gelingen?
Im Wahlkampf verschärfte Kanzler Nehammer seine Position zur Einwanderung, der Abstand zur FPÖ in den Umfragen verringerte sich. Der ehemalige Berufssoldat versprach Stabilität und betonte seine Kompetenz als Krisenmanager – insbesondere erst kürzlich während des verheerenden Hochwassers.
Sollte die ÖVP überraschenderweise die Wahl gewinnen, könnte sie Beobachtern zufolge aus einer Position der Stärke heraus doch eine Regierung mit der FPÖ bilden, die ein ähnliches Wirtschaftsprogramm verfolgt. Die bisherigen Koalitionen der beiden Parteien waren von Skandalen geprägt und nur von kurzer Dauer. Das erste Bündnis im Jahr 2000 mit dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider löste großen Protest und EU-Sanktionen aus. Eine solche Reaktion ist heute nicht mehr denkbar, da Ultrarechte und Rechtspopulisten in einigen europäischen Ländern inzwischen an der Macht sind. (afp)