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Russland unter VerdachtBehörden warnen vor „unkonventionellen Brandsätzen“ in Luftfracht

Lesezeit 4 Minuten
DHL-Flieger in Leipzig: Das Unternehmen hat die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. (Archivbild)

DHL-Flieger in Leipzig: Das Unternehmen hat die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. (Archivbild)

Es müsse damit gerechnet werden, dass Paketsendungen mit „Brandvorrichtungen“ verschickt worden seien, warnen die Behörden.

Deutsche Sicherheitsbehörden warnen vor „unkonventionellen Brandsätzen“, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Seit mehreren Wochen hätten das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) „Kenntnis von mehreren Paketsendungen, die von Privatpersonen an Standorten in Europa aufgegeben wurden und auf dem Weg zu ihren Adressaten in mehreren europäischen Ländern in Brand gerieten“, heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegenden Sicherheitshinweis.

Dieser wurde von beiden Behörden an Unternehmen aus der Luftfahrt- und Logistikbranche verschickt. In der Warnmeldung von BfV und BKA kommt das Wort Russland nicht vor. Dennoch wird in Sicherheitskreisen ein Zusammenhang mit den zunehmenden Fällen russischer Sabotage in Deutschland nicht ausgeschlossen.

Vorfall in Logistikzentrum in Leipzig

Die Warnmeldung wird in Sicherheitskreisen mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das als weltweites Drehkreuz des Unternehmens fungiert. Dort soll im Juli ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt. Das Paket hat demnach einen ganzen Frachtcontainer in Brand gesetzt, in dem auch andere Pakete enthalten waren. Der Brand soll rasch gelöscht worden sein.

In Sicherheitskreisen wird davon ausgegangen, dass der Vorfall im Zusammenhang mit zunehmenden Fällen mutmaßlich russischer Sabotage steht. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe soll die Ermittlungen übernommen haben. DHL teilte mit, dass Schutzmaßnahmen ergriffen worden seien.

Pakete mit elektrischen Gegenständen und Flüssigkeiten

In dem Sensibilisierungsschreiben von BfV und BKA heißt es, es müsse in Betracht gezogen werden, dass weitere Pakete mit unkonventionellen Brandvorrichtungen versendet worden seien oder würden. Die angeschriebenen Unternehmen wurden gebeten, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.

Alle bislang bekannt gewordenen Pakete hätten elektrische Gegenstände und Behältnisse mit Flüssigkeiten enthalten. Dabei hätten die hohen Versandkosten der Pakete regelmäßig „in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zum Warenwert der Sendungen“ gestanden.

Hinweise auf Russland gab es auch beim Nato-Stützpunkt Geilenkirchen

In Sicherheitskreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass die russische Sabotage- und Spionagetätigkeit in Deutschland beispielsweise auch mit dem Einsatz von Drohnen in den vergangenen Wochen und Monaten stark zugenommen hat. Das BfV hatte in der Vergangenheit immer wieder vor russischen Sabotageaktionen gewarnt.

Vergangenen Woche hatte es aus Sicherheitskreisen geheißen, dass hinter der vorübergehenden Anhebung der Sicherheitsstufe auf dem Nato-Luftwaffenstützpunkt Geilenkirchen bei Aachen Geheimdiensterkenntnisse zu einer möglichen Bedrohung durch Russland steckten. Zuvor hatte auf dem Nato-Stützpunkt in Nordrhein-Westfalen knapp 24 Stunden lang die zweithöchste Sicherheitsstufe gegolten.

Russland bei hybrider Bedrohung immer skrupelloser

Aus Sicherheitskreisen hieß es, Hinweise hätten sich verdichtet, Russland gehe immer skrupelloser bei Drohnenflügen über Bundeswehrstandorte vor. Betroffen seien häufig Standorte, an denen ukrainische Soldaten ausgebildet würden. Sicherheitskreise gehen davon aus, dass auch die wiederholten Drohnenflüge über kritischer Infrastruktur, darunter ein Chemiepark und ein stillgelegtes Atomkraftwerk, in Schleswig-Holstein Russland zuzurechnen sind.

Vor kurzem waren auch an mehreren Bundeswehrstandorten Sabotagefälle befürchtet worden. Nach der Überprüfung wurde aber Entwarnung gegeben. So ermittelten Polizei und Staatsschutz nach einem Sicherheitsvorfall am Wasserwerk der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn wegen des Verdachts, das Trinkwasser könnte verunreinigt worden sein.

Sabotageaktionen „im Interesse Russlands“

Dass Russland im Rahmen seiner hybriden Kriegsführung auch auf Sabotage-Aktionen in Deutschland setzt, halten unterdessen auch Experten wie Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität zu Köln, für absolut denkbar. Derartige Attacken „liegen im Interesse Russlands“, erklärte Jäger kürzlich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Es sei an der Zeit, das Bewusstsein der Bevölkerung für diese Sicherheitsgefahren zu schärfen, erklärte Jäger angesichts der jüngsten mutmaßlichen Attacken auf Bundeswehr-Standorte. Die Gefahr derartiger Angriffe bleibe bestehen – und komme nicht nur aus Russland, warnte Jäger. „Auch der Iran und Nordkorea versuchen, mit solchen Aktionen Einfluss auf andere Gesellschaften zu nehmen und Angst und Schrecken zu verbreiten“, erklärte Jäger.

Am Freitag ist es nahezu zeitgleich zu der Warnung durch die Sicherheitskräfte zu einer Explosion beim Rüstungsunternehmen Diehl Defence am Standort Troisdorf gekommen. Ob der Vorfall im Zusammenhang mit russischer Sabotage stehen könnte, blieb zunächst unklar. Die Polizei in Troisdorf berichtete zunächst von einem „Arbeitsunfall“. Ein Konzernsprecher wollte derweil keine weiteren Details zu dem Vorfall preisgeben – aus „Geheimhaltungsgründen“. Die Ermittlungen dauern an. (das/dpa)