Was hat zum Fischsterben in der Oder geführt?
Ueckermünde/Frankfurt (Oder) – Zur Aufklärung des massenhaften Fischsterbens in der Oder will Mecklenburg-Vorpommern auf Satelliten-Aufnahmen setzen. Landesumweltminister Till Backhaus will so herausfinden, ob etwas in den Fluss eingeleitet wurde.
„Meine Theorie lautet, es muss irgendwo zwischen Anfang Juli und Mitte Juli zu einem Eintrag gekommen sein”, sagte der SPD-Politiker in Ueckermünde. Das könne eventuell auch etwas später passiert sein. Auch eine Woche nach Bekanntwerden der Umweltkatastrophe auf deutscher Seite kommt die Ursachenforschung nur langsam vorn.
Backhaus stellte zugleich erste Ergebnisse einer breit angelegten Wasseruntersuchung aus dem deutschen Teil des Stettiner Haffs vor, die im Nordosten für vorsichtiges Aufatmen sorgte. „Sie zeigen keine Auffälligkeiten”, sagte der Minister. In Brandenburg sei die Welle toter Fische bereits durch. In Polen würden Ölsperren, mit denen Kadaver abgefangen werden, bereits abgebaut. Backhaus hofft zudem auf Verdünnungseffekte im Stettiner Haff, in das die Oder mündet. Es ist mit rund 900 Quadratkilometern etwa doppelt so groß wie der Bodensee.
Erste Zeichen der Entwarnung
In Brandenburg gab es ebenso erste Zeichen der Entwarnung. Wissenschaftler des Potsdamer Instituts für Binnenfischerei hätten bei einer Probebefischung zahlreiche gesunde Exemplare vieler Fischarten nachgewiesen, teilte der Landesfischereiverband Brandenburg/Berlin gemeinsam mit dem Landesanglerverband mit. Auch Flusskrebse und weitere Wasserorganismen wie Dreikantmuscheln oder Bachflohkrebse seien in der Oder unterwegs und wirkten gesund. Das Institut selbst war am Nachmittag telefonisch nicht zu erreichen.
„Dass Fische und auch andere Wasserorganismen in der Oder überlebt haben, ist endlich eine gute Nachricht, die Hoffnung macht”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Landesanglerverbands, Andreas Koppetzki. Die Schäden seien angesichts der Massen verendeter Fische sehr groß. „Die heutigen Ergebnisse sprechen dennoch für eine eher rasche Erholung dieses sensiblen Ökosystems”, meinte Koppetzki.
Algen als eine Ursache?
Auf polnischer und deutscher Seite wurden in den vergangenen Tagen massenhaft tote Fische entdeckt und eingesammelt. Wissenschaftlern zufolge könnte eine giftige Algenart ein entscheidender Faktor für das Fischsterben sein. Nachgewiesen ist das aber noch nicht.
Polen will ebenso intensiv nach der Ursache suchen. Ziel sei herauszufinden, wie die Mikroorganismen in den Fluss gelangten, sagte Umweltministerin Anna Moskwa der Agentur PAP zufolge. Weiter kündigte Moskwa an, dass auch eine Analyse zur Entfernung dieser Algenart vorgenommen und ihr künftiges Auftreten in polnischen Flüssen verhindert werden solle. Sie versicherte zudem, dass bei Kontrollen der legalen Einleitungen in die Oder keine Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden seien.
Ihr Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern zeigte sich überzeugt, dass es eine Einleitung bestimmter Stoffe in die Oder gegeben habe. Es habe ohne erheblichen Niederschlag ein deutliches Ansteigen des Flusses um 30 Zentimeter und einen starken Anstieg des Salzgehaltes gegeben. „Da muss irgendwas passiert sein, und das muss aufgeklärt werden.”
Untersuchungskommission der EU gefordert
Um einen entsprechenden Eintrag zu identifizieren, will er auch Satellitenbilder nutzen. Man wolle deshalb mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Neustrelitz zusammenarbeiten. Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) forderte zudem eine zum Fischsterben.
In Mecklenburg-Vorpommern verzeichnen Tourismusbetriebe am Stettiner Haff bereits einen Gästerückgang. Eine vorsorgliche Warnung vor dem Baden, Fischen, Angeln und der Entnahme des Wassers besteht weiterhin. Backhaus verwies auf das weiter geltende Badeverbot polnischer Behörden für die Oder und versprach: „Wenn es da aufgehoben ist und wir nichts finden, heben wir auch auf. Das kann ich Ihnen heute zusichern.”
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte an, den von der Umweltkatastrophe betroffenen Betrieben helfen zu wollen. Das Kabinett habe am Mittwoch besprochen, „dass wir Hilfen für die von der Katastrophe betroffenen Betriebe auf den Weg bringen werden, wenn das nötig wird”, sagte Lemke dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel”.
Zudem werde der Bund das Land Brandenburg „bei den laufenden Analysen zur Schadensursache über das Umweltbundesamt und über die Bundesanstalt für Gewässerkunde” unterstützen. Von der Bundesanstalt erwarte sie Ergebnisse bis Ende August, sagte die Ministerin.
© dpa-infocom, dpa:220819-99-444434/5 (dpa)