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Wehrbeauftragte Högl im Interview„Die Bundeswehr ist auf den Ernstfall mental vorbereitet“

Lesezeit 3 Minuten
Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, steht vor der Fregatte „Hessen“. Das Schiff der Bundeswehr brach von Wilhelmshaven aus in See, um sich im Roten Meer am Schutz von Handelsschiffen gegen Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz zu beteiligen.

Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, steht vor der Fregatte „Hessen“. Das Schiff der Bundeswehr brach von Wilhelmshaven aus in See, um sich im Roten Meer am Schutz von Handelsschiffen gegen Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz zu beteiligen.

Ist Deutschland verteidigungsfähig? Diese Frage beantwortet die Wehrbeauftragte Eva Högl. Im Interview spricht sie über die Bedrohung aus Russland.

In spätestens fünf Jahren müsse die Bundeswehr mit Material, Personal und Infrastruktur vollständig einsatzbereit sein, sagt die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, im Interview. Mental sieht die SPD-Politikerin die Truppe heute schon auf den Ernstfall vorbereitet.

Der Kanzler hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz darauf hingewiesen, dass Russland inzwischen auf Kriegswirtschaft umgestellt hat. Kann die Bundeswehr dagegen bestehen?

Eva Högl: Wir sind nicht im Krieg und brauchen auch keine Kriegswirtschaft. Aber alle Streitkräfte zusammen in der Bündnisverteidigung, EU und Nato, sind natürlich verteidigungsfähig und setzen der russischen Bedrohung etwas entgegen. Dennoch müssen wir besser werden bei der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte. Das heißt mehr Investitionen in Verteidigung, klare Vereinbarungen mit der Industrie und ein schneller Aufbau von Produktionskapazitäten ‒ und auch ein klares Bekenntnis zur weiteren Unterstützung der Ukraine.

Man hörte bei der Sicherheitskonferenz häufiger die Frage: Was ist eigentlich mit Deutschland los? Warum haltet ihr an der Schuldenbremse fest, obwohl so große Investitionen für die Verteidigung notwendig sind?

Es ist die Aufgabe aller demokratischen Staaten, mehr in Verteidigung zu investieren. Das heißt, nicht nur das 2-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen, sondern vollständig einsatzbereite Kräfte aufzustellen. Jedes Land muss für sich entscheiden, wie es das erreicht.

Was sagen Sie als Wehrbeauftragte? Sollte die Schuldenbremse für eine bessere Verteidigungsfähigkeit gelockert werden, um den Wehretat dauerhaft besser auszustatten?

Als Wehrbeauftragte des Bundestags mische ich mich nicht ein in die Details der Finanz- und Haushaltspolitik. Ich werbe dafür, dass die Bundeswehr langfristig gut ausgestattet werden muss. Es braucht nicht nur Investitionen zum Beispiel über ein Sondervermögen. Auch die laufenden Kosten, der Grundbetrieb, die Personalkosten, die Infrastruktur müssen abgesichert werden. Da geht es um eine ordentliche Ausstattung des Verteidigungshaushaltes.

Bisher zeichnet sich nicht ab, dass das geschieht.

Es ist allen Verantwortlichen in Regierung und Parlament bewusst, dass die Bundeswehr dauerhaft ordentlich finanziell ausgestattet werden muss, damit sie in wenigen Jahren vollständig einsatzbereit ist. Das Geld muss zügig bei der Bundeswehr ankommen. Wir haben nicht die Zeit für langfristige Verfahren. Das Geld muss auch sinnvoll ausgegeben werden. Es muss vor allem in moderne Technologien investiert werden.

Kriegstüchtig müsse Deutschland werden, hat der Verteidigungsminister gesagt. Wie lange dauert das, wenn ab heute dazu alle Weichen richtig gestellt werden?

Das hängt davon ab, ob es die finanziellen Grundlagen gibt, wie schnell die Industrie liefern kann, wie schnell die Prozesse verändert werden. Wir haben nicht viel Zeit. In spätestens fünf Jahren muss es geschafft sein. Dann muss die Bundeswehr vollständig einsatzbereit sein ‒ mit Material, Personal und Infrastruktur.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat gesagt, die Regierungen in der EU würden ihre Bevölkerungen mental nicht ausreichend darauf vorbereiten, dass es zum Ernstfall kommen kann. Ist das so?

Präsident Selenskyj hat gesagt, dass es in der Ukraine acht Jahre gedauert habe, seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 bis zur Invasion 2022 ‒ und dann die Bevölkerung bereit war, die Ukraine zu verteidigen. Das stellt sich in Europa unterschiedlich dar. So sind die Finnen zum Beispiel besser vorbereitet als andere Länder. Es ist wichtig, ganz klarzumachen, dass die gesamte Gesellschaft gefordert ist, wenn es darum geht, unseren Frieden, unsere Freiheit, unsere Werte zu verteidigen. Das ist eine Aufgabe nicht nur der Bundeswehr.

Über die Ausrüstung haben wir schon gesprochen. Ist die Bundeswehr denn mental ausreichend auf den Ernstfall vorbereitet?

Ja. Die Bundeswehr ist auf den Ernstfall mental vorbereitet. Unsere 181.500 Soldatinnen und Soldaten wissen, worum es geht. Sie stehen 100 Prozent hinter der Unterstützung der Ukraine bei Abgabe von Material und bei der Ausbildung der ukrainischen Kräfte. Um die Einstellung unserer Soldatinnen und Soldaten müssen wir uns keine Sorgen machen. Unsere weiß, worum es geht, sowohl bei dem Krieg in der Ukraine als auch bei glaubwürdiger Abschreckung und im Ernstfall bei der Verteidigung unseres Bündnisses.