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Pinot Blanc „Breakaway“ & Riesling „Deserteur“Alkoholfreie Weine erleben enormen Fortschritt im Geschmack

Lesezeit 4 Minuten
Gefüllte Weingläser stehen im Abendlicht.

Gefüllte Weingläser stehen im Abendlicht.

Der Trend zu alkoholfreien Getränken belebt auch die Weinbranche: Tropfen, die noch vor zehn, zwanzig Jahren als ungenießbar galten, erfahren durch geschickte Planung im Weinberg und technische Neuerungen einen echten Qualitätsschub.

Der Pinot Blanc „Breakaway“ vom Pfälzer Weingut Bergdolt-Reif & Nett in Neustadt an der Weinstraße hat einen feinen Duft nach weißen Blüten und ist wunderbar saftig. Mit spannungsgeladener Säure, zitrisch, mineralisch und damit sortentypisch kommt der Riesling „Deserteur“ vom Rheingauer Weingut Bibo Runge daher. Im Unterschied zu anderen Weinen verfliegen bei diesen Tropfen die Bouquets allerdings recht schnell, auch ein langer Nachhall fehlt.

Erstaunlich sind die beiden Weißweine trotzdem, denn sie sind entalkoholisiert und haben einen Alkoholgehalt unter 0,5 Prozent – ein Bereich also, in dem sich durchaus auch Fruchtsäfte mit einer erlaubten Menge von 0,38 Volumenprozent Alkohol pro Liter einpendeln. Geschmacklich ist der Fortschritt bei alkoholfreien Weinen enorm. Ließ man sich noch vor zehn Jahren im Restaurant zu einem alkoholfreien Tropfen hinreißen, wurden einem ausschließlich ungenießbare Kreszenzen eingeschenkt. Alkoholfreie Weine lagen im Spektrum von krachsauer bis hin zu schal. Schaumweine ohne Prozente erinnerten an fade Schorlen. Stilsicher waren bestenfalls Glas und Flasche. Heute gibt es alkoholfreie Weine, die im Duft von Qualitätsweinen kaum zu unterscheiden sind.

Absatzmarkt für alkoholfreie Getränke wächst stetig

Es lohnt sich für Handelsketten, Winzergenossenschaften und Weingüter, in die Qualitätsverbesserung zu investieren, denn der Markt entwickelt sich prächtig: 2022 belief sich der Absatzzuwachs bei entalkoholisierten Weinen laut dem Deutschen Weininstitut im Lebensmitteleinzelhandel auf etwa 18 Prozent. Noch deutlicher lässt sich der Trend bei prickelnden Erzeugnissen belegen: Während der Sektabsatz im Jahr 2023 um 1,5 Prozent zurückging, betrug der Anteil „alkoholfreier Sparklingvarianten“ laut dem deutschen Sektverband dennoch 7,4 Prozent, was einem Absatzzuwachs von 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Wenngleich der Umgang mit alkoholischen Getränken in unserem Kulturkreis immer noch problematisch hoch liegt, ändert sich in einem Teil der Gesellschaft die Trinkkultur. Vor allem bei jüngerem Publikum steht der „NoLo“-Trend (No and Low Alcohol) hoch im Kurs. Zumal Abstinenz keinen Abstrich beim Genuss bedeuten muss. Gerade beim Sekt gibt es hochspannende Alternativen zu alkoholischen Sorten. Die „PriSeccos“ aus alten Obstsorten von Jörg Geiger beispielsweise gehören heute zur Grundausstattung einiger Gourmetrestaurants.

Bei Sekt und Prosecco wird mit Teeauszügen experimentiert

Besonders aber wird bei Sekt und Prosecco mit Teeauszügen experimentiert. Beliebt sind der dänische „Copenhagen Sparkling Tea“ der Sparkling Tea Company oder die „Tea Royal“-Serie des Weinguts Schauer mit Auszügen aus Tees, Kräutern, Blüten, Früchten und Gewürzen. Auch alkoholfreie Schaumweine aus Trauben sind natürlich am Markt vertreten, sei es der Traubenkombucha „Embrizzo“ vom Weingut Graf Hardegg oder der reine Rosé-Sekt des Berliner Unternehmens Kolonne Null: ein beerenduftiger, gut gemachter Schaumwein, der frisch schmeckt, mit einem Trinkfluss wie ein echter Sekt. Allerdings fehlt die Fülle am Gaumen, weil der Geschmacksträger Alkohol entfernt wurde.

Bei alkoholfreien Weinen wird zunächst nach gängigen Verfahren ein Wein hergestellt. Zur daraufhin folgenden Entalkoholisierung stehen drei Verfahren zur Auswahl: Bei der „Umkehrosmose“ wird der Wein mehrmals durch eine feine Membran gefiltert, das ist aromaschonend und aufwendig. Verbreiteter sind daher die „Rektifikation“ oder die „Schleuderkegelkolonne“. Dabei handelt es sich um zwei ganz unterschiedliche Techniken, beide nutzen jedoch die Verdampfung des Alkohols im Vakuum – ein Prinzip, das keine neue Erfindung, sondern schon mehr als 100 Jahre alt ist. Der Wein muss dadurch nicht so hoch erhitzt werden. Es reichen um die 35 statt 78 Grad. So bleiben die Aromen besser erhalten.

Qualitätssprung dank Rückführung weineigener Aromen

Die Verfahren sind energieaufwendig und kosten bis zu 40 Cent pro Liter. Bei der Entalkoholisierung gehen zudem bis zu 20 Prozent der Weinmenge verloren. Einen Qualitätssprung haben die Weine in jüngster Zeit aber vor allem deshalb erfahren, weil weineigene Aromastoffe, die mit dem Alkohol abgetrennt wurden, rückgeführt werden. Auch deswegen liegen gute alkoholfreie Weine in der Regel im Preis gleichauf mit den alkoholischen Alternativen. Schaumweine von „French Bloom“ aus Frankreich etwa kosten zum Teil dreistellige Beträge. Maggie Frerejean-Taittinger, ehemalige Direktorin des Guide Michelin, und Model Constance Jablonski gründeten „French Bloom“ 2021. Sie sind davon überzeugt, den Zeitgeist getroffen zu haben: „Mit jeder neuen Generation geht der durchschnittliche Alkoholkonsum zurück“, sagte Frerejean-Taittinger gegenüber dem Magazin „Forbes“.

Wie in der übrigen Weinwelt braucht es offensichtlich auch bei alkoholfreien Varianten Prestigetropfen. Einerseits. Andererseits hat man vielerorts verstanden, dass auch ein guter alkoholfreier Wein im Weinberg entsteht. Das Traubenmaterial muss etwa einen niedrigeren Säurewert haben als für gewöhnliche Weine, aber vor allem muss die Qualität der Grundweine stimmen. Der Produzent, der alkoholfreien Wein gering schätzt und als Nebenprodukt aus übrig gebliebenem Lesematerial herstellt, wird keine nennenswerte Qualität erreichen.

So gibt es auch alkoholfreie Rotweine aus dem Bordeaux, etwa vom Château Clos de Boüard aus Saint Émilion, die sorgfältig in Handarbeit entstehen. Der Tropfen deutet bereits die Komplexität eines guten Weins an, hat neben der Beerenfrucht auch Noten von Pflaume, Kräutern und ist leicht pfeffrig. Nur am Gaumen wird er dann doch den säuerlichen Fruchtsaft nicht ganz los, aus dem er hergestellt wurde. Das pelzige Tanningerüst erinnert an einen jungen Rotwein, den man zu früh geöffnet hat. Dafür darf es davon gern ein Glas zu viel sein.