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Backpacking mal andersWie ein Paar mit Baby quer durch Deutschland radelte

Lesezeit 5 Minuten

Mit Kind, Hund und Sack und Pack radelten Bruno Maul und Manuela Wetzel quer durch Deutschland.

Das Heimatland mit dem Fahrrad erkunden, sehen, woran man sonst nur vorbeirauscht: Wunderschöne Bilder ihrer Reise zeigen Bruno Maul und Manuela Wetzel aus Sonthofen in einem neuen Bildband.

Im Interview erzählt Fotograf Bruno Maul von der Begegnung der Familie mit einem alten Fischer und von der Erfahrung, als Bayer nach Norddeutschland zu kommen.

Wie ist Ihre Idee entstanden, Deutschland mit dem Rad zu durchqueren?

Maul: Auf Auslandsreisen. Meine Freundin und ich haben mit dem Fahrrad schon viele lange Touren gemacht, zum Beispiel durch die Balkanländer bis nach Ägypten. Auf den Reisen waren die Menschen uns gegenüber immer unheimlich gastfreundlich und hilfsbereit. Also haben wir uns gefragt, ob das in Deutschland auch so wäre. Was passiert, wenn man hier irgendwo an einer Tür klingelt und nach Wasser fragt. Dazu kam, dass wir bei unserer ersten Reise mit Kind nicht so weit weg fahren wollten. Deswegen haben wir beschlossen, unser eigenes Land als Backpacker zu erkunden.

Wie lange waren Sie dann quer durch Deutschland unterwegs?

Insgesamt knapp fünf Monate, in zwei aufeinanderfolgenden Sommern.

Sie sind in Ihrer Heimatstadt Sonthofen im äußersten Süden Deutschlands losgeradelt. Wie haben Sie die Route geplant?

Gar nicht. Wir hatten kein bestimmtes Ziel im Kopf, ganz nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Also sind wir ohne Karte oder GPS-Gerät losgefahren, einfach nur Richtung Norden. Anfangs auf Feld-, Wald- und Wiesenwegen im Allgäu, später auf ausgeschilderten Radwegen.

Die Reise der Familie beginnt in der Heimat, im Allgäu.

Eine Tagesetappe war für uns dann beendet, wenn wir dachten „Hier ist es schön, hier bleiben wir“ oder wenn irgendwo ein nettes Gespräch zustande gekommen ist. Dann haben wir Landwirte oder Waldarbeiter gefragt, ob wir hier oder da unser Zelt aufschlagen dürfen. Das wurde uns nie verwehrt. Auf Campingplätzen haben wir nur ungefähr einmal pro Woche übernachtet, zum Wäschewaschen und Duschen.

Ihre Tochter Frida war bei der ersten Tour 2011 erst acht Monate alt. Mit Säugling auf langer Fahrradtour: Hatten Sie da Bedenken?

Nein, es gab nichts, was ein unglaubliches Risiko dargestellt hätte. Also haben wir uns bewusst gesagt, wir reden uns auch keine Ängste ein. Wir hätten in jeder Stadt schnell einen Arzt aufsuchen oder die Reise jederzeit abbrechen können. Frida ist einfach im Anhänger mitgefahren. Bei der zweiten Tour ein Jahr später hat sie auch regelmäßig im Kindersitz gesessen und genau mitverfolgt, was sich am Wegesrand abspielt.

Wie hat ihr die Reise denn gefallen?

Sie war unglaublich wach und aktiv und hat alles kommentiert, was sie sah. Es gab immer etwas, das sie fasziniert hat, zum Beispiel das Meer oder die Schafe an der Nordsee. Die Menschen, denen wir begegnet sind, hat sie offen angelacht. So haben wir als Eltern gemerkt, dass das Leben in der Natur auch für sie ein Highlight ist.

Welche Erlebnisse sind Ihnen als Erwachsenem besonders im Kopf geblieben?

Vor allem Begegnungen, die unerwartet geschahen und mich nachdenklich gestimmt haben. In der ehemaligen DDR sind wir einem älteren Herrn begegnet, der auf einem riesigen Fabrikgelände freiwillig Rasen gemäht und Unkraut gejätet hat. Die Fabrik war längst stillgelegt, aber er hatte dort vor der Wende gearbeitet und konnte nicht mitansehen, wie alles verfällt. An der Ems haben wir einen Fischer getroffen, der vehement gegen den Bau der Meyer-Werft in Papenburg gekämpft hatte. Viele seiner Kollegen, so erzählte er es, bekamen neue Kutter gesponsert, wurden also gekauft. Er nahm das Angebot aber nicht an und ging deshalb leer aus. Dafür war er sich selbst treu geblieben. Jetzt zieht er ab und zu noch einen Aal aus der Ems. Seine Befürchtung, der Bau der Werft würde zu Lasten der Natur und der Fischbestände gehen, hat sich wohl erfüllt.

Nächste Seite: So gastfreundlich erlebte die Familie ihre deutschen Landsleute.

Mit Kind, Hund und Sack und Pack radelten Bruno Maul und Manuela Wetzel quer durch Deutschland.

Sie wollten nicht nur interessante Gespräche führen, sondern auch herausfinden, wie gastfreundlich die Deutschen sind.

Ja, und das sind sie. Wenn wir an Haustüren geklingelt und darum gebeten haben, unsere Wasservorräte auffüllen zu dürfen, waren die Menschen sehr hilfsbereit. Viele haben uns gefragt „Wollt ihr nicht auch noch einen Kaffee?“. Im Gegensatz zu unseren Erfahrungen im Ausland haben wir aber festgestellt, dass es hierzulande eine ganz andere Grenze der Privatsphäre gibt. Während wir im Ausland oft ins Haus gebeten wurden, hat man uns hier die Tassen nach draußen gebracht.

Abgesehen vom kulturellen Aspekt: Als Bayer, der den Anblick von Bergen gewöhnt ist: Wie haben Sie den Rest Deutschlands landschaftlich erlebt?

Wir waren positiv überrascht, wie schön unser Land eigentlich ist. Unheimlich saftig-grün, was natürlich daran lag, dass wir im Sommer unterwegs waren. Überall gab es neben den landwirtschaftlich genutzten Flächen unberührte Abschnitte mit wilden Pflanzen und Insekten oder mäandrierenden Bachläufen. Ganz lieblich-ruhige Landschaften. Es war zwar nicht überall heile Welt, aber diese Rückzugsräume, wo kein Bauer hinkommt, die gibt es. Als Bayern war für uns natürlich auch die Frage, ob flaches Land langweilig sein könnte. Im Gegenteil, haben wir festgestellt: Der Wind und die Weite im Norden – das hat was.

Nach knapp zwei Monaten und zirka 2000 Kilometern erreicht Familie Maul/ Wetzel die Ostseeküste.

Was nehmen Sie von dieser Reise für die Zukunft mit?

Für uns als junge Familie war es eine sehr harmonische Zeit. Es war zwar nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen, aber wir haben in der Zeit alle an einem Strang gezogen, weil es für jeden von uns um Dasselbe ging. Durch das gemeinsame Unterwegssein haben wir viel Zeit miteinander verbracht, anders als im Alltag, wenn man sich oft nur in der Früh und am Abend sieht. Die Erfahrung hat uns als Familie auf jeden Fall zusammengeschweißt.

Und in Bezug auf Deutschland: Welche Erkenntnis ziehen Sie aus den Erfahrungen der Tour?

Wir haben Deutschland als sehr schönes Land erlebt. Da wir mit unserer kleinen Tochter unterwegs waren, haben wir uns natürlich gefragt, in welche Zukunft wir unser Kind hineingeboren haben. Durch die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen haben wir festgestellt: Vieles läuft gut, aber eben nicht alles. Und dass es hier so schön bleibt, ist nicht selbstverständlich. Die Verantwortung dafür haben nicht nur Politiker und Wirtschaftsbosse, die haben wir alle.

Informationen zum Buch

Bruno Maul, Manuela Wetzel: „Die Deutschland-Entdecker. Eine ungewöhnliche Reise durch unsere Heimat“, erschienen im Frederking & Thaler Verlag, 29,99 Euro.