Die Nase läuft, die Brust rasselt, die Stirn glüht. Wer jetzt krank ist, könnte mal wieder von Corona erwischt worden sein.
Steigende Zahlen im HerbstWas derzeit auf eine Corona-Welle in NRW hindeutet
Wir erklären, welche Anzeichen für eine Covid-Herbstwelle sprechen und was nun zu tun ist.
Steigt die Zahl der Corona-Infektionen?
Dafür gibt es Hinweise, auch wenn die Datenlage unsicher ist. Die Zahlen des Robert Koch Instituts, die alle Arztbesuche wegen einer Corona-Erkrankung dokumentieren, bewegen sich insgesamt auf einem sehr niedrigen Niveau. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass Coronatests nicht mehr verpflichtend sind und eine Infektion nur dann entdeckt wird, wenn ein Patient freiwillig einen Test macht.
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Zudem habe Corona nie eine richtige Sommerpause eingelegt, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein: „Wir hatten den gesamten Sommer über höhere Infektionszahlen als im Vorjahr.“ Das belegen auch die Daten des Robert Koch Instituts. „Jetzt, zwei Wochen nach Schulstart, geht es weiter nach oben“, sagt Dr. Mirjam Antz, Hausärztin in Köln Longerich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vergleicht man die wöchentlichen Arztkontakte aufgrund einer Corona-Infektion mit denjenigen, die vor einem Jahr gezählt wurden, als Tests auch nicht mehr verpflichtend waren, dann ist auch hier ein Anstieg sichtbar. Während zum Monatswechsel nun 81 Arztbesuche pro 100.000 Einwohner in Deutschland auf Corona zurückzuführen waren, so besuchten Anfang September 2023 nur 31 von 100.000 mit einer gesicherten Corona-Infektion den Arzt. „Im vergangenen Jahr waren wir erst im Oktober auf diesem Infektionsniveau“, sagt Antz.
Auch die Viruslast im Abwasser weist auf ein erhöhtes Infektionsgeschehen hin. Sie liegt derzeit laut Infektionsradar des Bundesgesundheitsministeriums bei 130.000 Genkopien pro Liter Abwasser, vor einem Jahr lag der Wert zu dieser Zeit bei 84.000.
In der Longericher Praxis, die Mirjam Antz gemeinsam mit ihrem Mann Philipp leitet, steigt der Zulauf zur Infektionssprechstunde. Etwa 100 Patienten meldeten sich derzeit pro Woche mit entsprechenden Atemwegssymptomen. Der Internistin zufolge belege Köln bei Infektionskrankheiten immer so etwas wie eine Vorreiterrolle. „Da sind wir meist zwei bis drei Wochen vorneweg. Das liegt vielleicht an der höheren Reiseaktivität, an den Messen und Events. Die Viren verteilen sich dann erst in der Folge auf die Dörfer weiter draußen.“
Wer beim Infektionsradar aber weiter in die Vergangenheit blättert, der sieht auch: Das Infektionsgeschehen hat noch Luft nach oben. Deutlich mehr positive Coronatests gab es bei deutschen Ärzten nämlich beispielsweise Anfang September vor zwei Jahren. Damals stieg die Kurve auf 171 von 100.000. Ihren Höhepunkt erreichte sie den Zahlen zufolge übrigens im März 2022, damals gab es fast 1000 Corona-bedingte Arztbesuche pro 100.000 Einwohner.
Wer ist besonders betroffen?
Die meisten Corona- und Atemwegserkrankung-motivierten Arztbesuche zählen die Mediziner nach RKI-Zahlen derzeit in der Gruppe der 35-59-Jährigen, gefolgt von den jungen Erwachsenen. Das bestätigt auch Mirjam Antz. „Hier bei uns in der Praxis sind eher die Jüngeren von Atemwegserkrankungen betroffen. Und ganz besonders haben wir hier die Erzieherinnen und Erzieher, die Azubis in den Kindereinrichtungen oder Leute vom Bundesfreiwilligendienst. Die holen sich die Viren immer als erste ab.“
Wie macht sich die aktuelle Covid-Variante JN.1 symptomatisch bemerkbar?
Kopfschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit, Husten und Schnupfen gehören zur Standardpalette der Krankheit. Derzeit klagten auch einige Patientinnen und Patienten über Magen-Darm-Symptome wie Durchfall oder Übelkeit. Obwohl es sich klinisch um milde Verläufe handelt, können sich Betroffene durchaus sehr krank fühlen und ein bis zwei Wochen mit Fieber im Bett liegen.
Fieber, Schnupfen, Husten - Wie wahrscheinlich ist es, dass mich Covid erwischt hat?
Laut Infektionsradar vom Robert Koch Institut geht derzeit etwa jede zehnte Atemwegserkrankung in Deutschland auf Covid zurück. Die Zahlen sind allerdings nicht ganz eindeutig, schließlich wird auch beim Arzt nicht mehr standardmäßig getestet. „Wir melden einen positiven Test, wenn Patienten diesen von zu Hause mitbringen. In der Praxis testen wir nur in Ausnahmefällen – beispielsweise wenn die Person zur Risikogruppe gehört und wir bei einer gesicherten Diagnose mit einem Medikament gegensteuern könnten“, sagt Antz. Wer aber nun krank ist, kann durchaus auch von einem RS-Virus, einer Grippe oder anderen Erkältungskrankheiten betroffen sein.
Sollte man sich überhaupt noch testen?
Gerade bei jungen und gesunden Menschen ohne Kontakt zur Risikogruppe sei die Frage nach Corona eher unerheblich, sagt Antz. Das sieht man auch in der Kölner Uniklinik so. Würden Patienten mit Covid-Symptomen eingeliefert teste man auf SARS-CoV-2. Darüber hinaus empfehle man „derzeit keine Masken“ und auch „keine zusätzlichen Tests außerhalb der üblichen Standards“, heißt es auf Anfrage.
Apotheker Thomas Preis rät dennoch zum Test, um gerade dann Gewissheit zu haben, wenn Besuche bei alten, schwangeren oder sehr kranken Menschen anstünden. Wer noch Schnelltests aus dem vergangenen Jahr im Badezimmerschrank findet, könne diese noch verwenden, „solange ihr Haltbarkeitsdatum nicht überschritten und sie korrekt gelagert wurden“. Ideal seien neuere Produkte, die gleichzeitig auf Corona, Grippe und RSV testen. Die Konsequenz bei allen drei Diagnosen: „Bei einem positiven Test sollte man möglichst den Kontakt zu anderen Menschen meiden und eine Maske tragen.“
Wie groß ist das Risiko, nach einer Covid-Infektion schwer zu erkranken?
Mirjam Antz spricht von vorwiegend milden Verläufen. „Wir haben schon länger keinen Fall mehr gehabt, den wir ins Krankenhaus schicken mussten“, sagt sie. Auch die Zahlen des Robert Koch Instituts geben ihr Recht. Derzeit muss etwa einer von 100.000 Bundesbürgern wegen einer Covid-Infektion ins Krankenhaus, das entspricht ungefähr dem Wert von vor einem Jahr. In Deutschlands Intensivbetten liegen derzeit 230 Covid-Patienten, gut die Hälfte davon sind älter als 70 Jahre, nicht einmal jeder Zehnte jünger als 50. Insgesamt entspricht das einer Auslastung von 1,4 Prozent. NRW liegt hier genau im Bundesdurchschnitt. Die höchste Auslastung haben die Bundesländer Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz, wo der Prozentsatz mindestens doppelt so hoch liegt. Zur Hochzeit zum Jahreswechsel 2020/2021 war jeder fünfte Patient in einem deutschen Intensivbett mit Covid infiziert.
Die Wahrscheinlichkeit an Covid zu sterben, steigt seit dem Frühsommer zwar wieder leicht an, im Vergleich zum vergangenen Jahr ist sie aber rückläufig. Während in der vergangenen Woche 62 Todesfälle in Deutschland gemeldet wurden, waren es in der korrespondierenden Woche vor genau einem Jahr mit 122 fast doppelt so viele. In NRW starb in der vergangenen Woche etwas mehr als einer von einer Million Einwohnern an den Folgen der Erkrankung. Damit liegt das Bundesland über der Sterblichkeit im Bund, wo statistisch gesehen nur 0,7 Covid-Todesfälle auf eine Million Einwohner kommen.
Kommt das Gesundheitssystem mit der Infektionslage klar?
Laut RKI-Zahlen liegt die Covid-Hospitalisierungsrate in NRW bei 1,7 von 100.000 Bundesbürgern und ist damit stabil. Die Normalstationen der Kliniken in NRW sind laut RKI-Zahlen derzeit zu knapp 65 Prozent ausgelastet, die Intensivbetten zu knapp 83 Prozent. Beide Werte liegen auf stabilem Niveau. „Ich sehe derzeit keine Bedrohung für das System“, sagt Mirjam Antz. Auch in der Kölner Uniklinik ist man derzeit noch entspannt: „Auch wenn es aktuell zu einem leichten Anstieg von SARS-CoV-2 positiven Fällen kommt, stellt dies keine nennenswerte zusätzliche Belastung in der Uniklinik Köln dar“, sagte Jan Rybniker, Professor für klinische Infektiologie, auf Anfrage. Natürlich beobachte man die Entwicklung sehr genau, um rechtzeitig auf weitere Anstiege reagieren zu können.
Wie ist die Lage an den Kölner Schulen?
Eine stichprobenartige Anfrage bei verschiedenen Schulen seitens der Redaktion ergab keinen bemerkenswerten Anstieg an Infektionen. Auch der Krankenstand im Lehrerkollegium wird als „normal“ bezeichnet. Es gelte die Regelung: Wer sich positiv testet und Symptome hat, bleibt zu Hause. Eine formale Erhebung dazu finde in den Schulen aber seit längerer Zeit nicht mehr statt. Aus dem nordrhein-westfälischen Schulministerium heißt es, es existierten seit Februar 2023 keine Sonderregeln mehr im Zusammenhang mit dem Coronavirus. „An den Schulen gelten die allgemeingültigen Hygieneregeln wie regelmäßiges Händewaschen sowie die bewährte Husten- und Niesetikette.“ Freiwillig könne in Schulen zum Eigenschutz oder zum Schutz anderer eine Maske getragen werden. Zudem gelte für Lehrer, Betreuer wie Kinder weiterhin der Grundsatz: „Wer krank ist, sollte nicht die Schule besuchen.“
Ist eine Booster-Impfung nun sinnvoll?
Wer älter als 60 oder vorerkrankt ist, der sollte sich gegen Covid boostern lassen, sagt Thomas Preis vom Apothekerverband. Der neue Impfstoff von Biontech sei auch besser auf die neue Mutation ausgerichtet als das Serum aus dem vergangenen Jahr. Auch wenn die Krankheitsschwere grundsätzlich abgenommen hat, kann eine Corona-Infektion für bestimmte Personengruppen und in Einzelfällen immer noch gefährlich werden. „Gerade für den älteren Körper ist diese Strapaze belastend. Und wer beispielsweise schon mit einer Krebserkrankung zu kämpfen hat, der sollte sich nicht zusätzlich noch mit einem schweren Virusinfekt rumschlagen“, sagt Preis. Der beste Zeitpunkt ist seiner Meinung nach jetzt, „im Oktober kann dann eine Impfung gegen Influenza und RSV folgen“.
Bereits geimpften, gesunden Erwachsene, die nicht an exponierter Stelle wie beispielsweise in Schulen oder Kitas arbeiten, wird auch laut Stiko kein Booster mehr empfohlen. „Die Impfrisiken übersteigen bei jungen Menschen die potenziell negativen Folgen eines Infekts.“ Auch gesunde Kinder würde die Ärztin nicht impfen lassen.
Welche Vorsichtsmaßnahmen kann man noch ergreifen?
Thomas Preis rät allen Erkrankten – ganz gleich welcher Infekt – zum Maskentragen in geschlossenen Räumen. „Aber auch Gesunde tun in bestimmten Situationen gut daran, schließlich schniefen auch immer wieder Bahnfahrende ohne Maske durch die Gegend“, so Preis. Nicht jede Rotznase in der Öffentlichkeit kann – gerade in Schulen und Kitas – vermieden werden, sagt Antz: „Wer aber Fieber hat oder so schlapp ist, dass er schlecht Treppensteigen kann, der gehört nach Hause ins Bett.“