Ein Jahr durch EuropaSie gingen als Freunde auf Reisen – und kamen als Paar zurück
Köln – Ramona Krieger und Ulrich Pingel haben vor einem Jahr gewagt, was viele sich nicht trauen: Sie haben ihre Wohnungen in Köln aufgegeben, ein Wohnmobil gekauft und sich auf eine Abenteuer-Tour durch Europa begeben. Zusammen mit Hund Pepito sind sie hoch bis zum Nordkap, über das Baltikum bis nach Griechenland und Italien gefahren. Im Interview erklären die 39-jährige Lektorin und der 37-jährige Projektmanager, warum die Reise sie in vielerlei Hinsicht verändert hat – und wahrscheinlich die beste Idee ihres Lebens war.
Warum habt ihr den Alltag hinter euch gelassen und seid für ein Jahr durch Europa gereist? Viele wagen so ein Abenteuer ja nicht.
Ramona Krieger: Wir hatten beide unabhängig voneinander die Idee, haben uns aber alleine nicht getraut. Wir sind schon seit vielen Jahren locker befreundet, hatten uns aber zuletzt aus den Augen verloren. Als wir uns zufällig wieder trafen und feststellten, dass wir einen ähnlichen Traum haben, dachten wir uns: Warum nicht jetzt? Und warum nicht wir beide zusammen?
Ulrich Pingel: Man kann schon sagen, dass wir füreinander jeweils der entscheidende Auslöser waren, diese Reise wirklich zu machen. Die Pläne wurden immer konkreter, bis wir beide schließlich unsere Wohnungen kündigten und gemeinsam ein Wohnmobil anschafften. Von da ab gab es kein Zurück mehr.
Während der Reise habt ihr das Buch „Auszeit Storys“ geschrieben, mit dem ihr andere dazu ermutigen wollt, ihre Traumreise zu verwirklichen. Warum?
Ramona Krieger: Die häufigste Reaktion auf unsere Geschichte ist: „So eine Reise würde ich auch gerne machen, aber das geht nicht“. Und dann werden etliche Gründe aufgezählt, warum so ein Trip nicht möglich sein soll: der Job, die Kinder oder ein Haus, das abbezahlt werden muss. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass es fast immer einen Weg gibt, um so ein Abenteuer umzusetzen.
Ulrich Pingel: Für uns war es zwar leichter, weil wir selbstständig sind und auch von unterwegs arbeiten konnten, aber viele Arbeitgeber bieten ja inzwischen die Möglichkeit an, ein Sabbatjahr zu nehmen. Es gibt sogar spezielle Agenturen, die dabei helfen, die eigene Wohnung unterzuvermieten und sich um alles kümmern, wenn man unterwegs ist. Auf unserer Reise haben wir auch etliche Familien getroffen, die sich auch eine längere Auszeit gönnten. Solange Kinder nicht schulpflichtig sind, ist das absolut kein Problem und für sie sicher eine wertvolle Erfahrung.
Ramona Krieger: Auch das Leben mit Hund im Wohnmobil hat super geklappt. Pepito hat sich gefreut, immer neue Regionen zu erkunden. Er hat vom Nordkap bis nach Südeuropa jetzt sozusagen sein Gebiet markiert.
Wie hat euer direktes Umfeld – Freunde und Familie – auf eure Pläne reagiert?
Ramona Krieger: Die Idee an sich fanden sie gut, aber die meisten glaubten nicht daran, dass wir beide es auf so engem Raum dauerhaft zusammen aushalten. Sie fürchteten, dass es Krach gibt und wir in ein paar Wochen wieder zurück in Köln sind.
Gab es denn Situationen, die komisch waren?
Ramona Krieger: Na ja, am Anfang ist es schon seltsam auf so engem Raum zusammen zu leben, wenn man sich eigentlich gar nicht so gut kennt. In einem Wohnmobil gibt es keine Privatsphäre und die Toilette ist sehr hellhörig. Da bleiben keine Fragen offen. Aber wir haben dann einfach beschlossen, dass uns nichts mehr peinlich ist.
Ulrich Pingel: Wenn man auf einmal 24 Stunden am Tag zusammen ist, dann bekommt man natürlich auch die Macken des anderen ungefiltert mit. Das bleibt nicht aus.
Eure Beziehung hat sich während der Reise dann tatsächlich geändert. Allerdings zum Positiven.
Ramona Krieger : (lacht) Ja, es hat gefunkt zwischen uns. Das war wahrscheinlich das längste Date, das ich je hatte.
Ulrich Pingel: Allerdings konnten wir uns nicht – wie bei Dates üblich – von unserer besten Seite zeigen, weil wir ja die ganze Zeit zusammen waren. Wir haben uns sozusagen in das Gesamtpaket verliebt.
Wann habt ihr euch einander geöffnet und euch eure Liebe gestanden?
Ulrich Pingel: An Weihnachten auf dem Peleponnes in Griechenland – etwa auf der Hälfte der Reise – haben wir es zum ersten Mal ausgesprochen.
Ramona Krieger: Wir hatten beide die Befürchtung, wir könnten dadurch die Reise in Gefahr bringen. Man weiß ja nicht, wie der andere empfindet oder reagiert, aber das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet.
Würdet ihr sagen, dass ihr einige Schritte in einer Beziehung übersprungen habt?
Ulrich Pingel: Ja, definitiv. Andere beschnuppern sich erst einmal, treffen sich dann regelmäßiger und ziehen vielleicht nach zwei Jahren zusammen. Wir haben das alles viel schneller und intensiver durchlebt.
Ramona Krieger: Auch unsere Beziehung ist dadurch sehr innig. Ich habe den Eindruck, dass wir durch dieses gemeinsame Abenteuer ziemlich gut gewappnet sind für sämtliche Herausforderungen, die das Leben bereithalten kann.
Inzwischen seid ihr nicht nur ein Paar sondern auch Geschäftspartner. Ihr habt einen Verlag gegründet und bereits ein Buch herausgebracht. Wie kam es dazu?
Ramona Krieger: Wir haben Christian Siry am Strand auf Sizilien kennengelernt. Am Lagerfeuer haben wir uns abends unsere Reiseerlebnisse erzählt und schließlich stellte sich raus, dass er Autor ist und gerade sein zweites Buch geschrieben hatte. Wir durften das Manuskript von „Holy Bearshit – Eine Abenteuerreise auf der Suche nach den letzten Bären Europas” lesen und waren sofort hin und weg von dieser liebenswerten Geschichte. Wir wollten Christian einfach gerne dabei helfen, sein Buch zu veröffentlichen, und so fing alles an.
Ulrich Pingel: Wir wollen weiterführen, was wir mit den „Auszeit Storys“ begonnen haben: Wir möchten Bücher veröffentlichen, die Menschen ermutigen, ihr Leben zu verändern und ihre Traumreise zu verwirklichen. Für uns war unser Abenteuer wahrscheinlich die beste Idee, die wir jemals hatten.
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Gab es nicht auch schon mal brenzlige Situationen?
Ramona Krieger: Nicht wirklich. Einmal haben wir uns auf Sizilien mit dem Wohnmobil festgefahren, mitten im Nirgendwo. Aber daraus haben wir gelernt: Auch am Ende der Welt kommt irgendwann jemand vorbei und hilft Dir. Ein Schäfer ist auf uns aufmerksam geworden und hat dem Bauern aus dem Nachbardorf Bescheid gesagt, der uns mit seinem Traktor einen steilen Berg hochgezogen hat.
Was waren die schönsten Momente?
Ramona Krieger: Da gab es natürlich etliche: Zum Beispiel als wir nach einem anstrengenden Anstieg oben auf dem Vulkan Ätna getanzt haben oder auf einer kleinen griechischen Insel nackt und laut schreiend ins Meer gelaufen sind. Das war einfach der Inbegriff von Freiheit. Ganz besonders war auch der Stopp auf unserer Rückreise in der Eifel, wo meine Familie herkommt. Uli hat mir dort einen Heiratsantrag gemacht.
Wow, herzlichen Glückwunsch, das heißt, eure gemeinsame Reise geht jetzt erst richtig los. Wo werdet ihr denn in Zukunft leben?
Ulrich Pingel: Zurzeit wohnen wir vorübergehend bei meinen Eltern im Vorgebirge. Die Reise hat uns gezeigt, dass das Leben in der Großstadt nichts mehr für uns ist. Wir wollen deshalb demnächst in die Eifel ziehen, in ein Haus mit Garten.
Und was ist mit dem Wohnmobil?
Ramona Krieger: Das behalten wir. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir jederzeit unsere Sachen packen und wieder los düsen können.
Den Trip kann man auf www.wenn-nicht-jetzt.de und auf Facebook nachverfolgen.
Ramona Krieger und Ulrich Pingel: Auszeit Storys. 11 inspirierende Geschichten über den Aufbruch zu einer längeren Reise. Amazon Distribution GmbH, 126 Seiten, 8,99 Euro.
Christian Siry: Holy Bearshit – Eine Abenteuerreise auf der Suche nach den letzten Bären Europas, Wenn nicht jetzt-Verlag, 12,99 Euro.