Ein Knigge für den Umgang mit Pflegekräften
Berlin/Sindelfingen – In wenigen Berufen erfährt man so viel Wertschätzung wie in der Altenpflege. Da ist sich der gelernte Altenpfleger Stefan Werner sicher - zumindest, was die Beziehung zwischen Pflegekräften und Pflegebedürftigen angeht.
Oft läuft es also gut zwischen Pflegenden, Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Doch: Was sollte man vielleicht lieber lassen, weil es bei den Pflegekräften nicht gut ankommt? Ein Überblick.
Vergessen darf man eines nicht: Menschen, die bisher selbstständig in ihrer Wohnung gelebt haben, müssen sich im Heim in die Obhut bislang fremder Menschen geben. Oder es kommen auf einmal Pflegekräfte in die Wohnung und kümmern sich um privateste Dinge.
Diese neue Situation kann Betroffene wie auch ihre Angehörigen anfangs überfordern. Es kann dauern, bis alle Beteiligten ihre Rolle gefunden haben.
Deshalb gilt: „Es ist für beide Seiten extrem wichtig, sich auf Augenhöhe zu begegnen”, sagt Stefan Werner, der Referent für Pflegemanagement bei der katholischen Keppler-Stiftung in Sindelfingen ist. „Pflegekräfte dürfen dem zu Pflegenden oder Angehörigen nicht auf eine besserwisserische Art kommen.”
Angehörige oder Pflegebedürftige sollten sich aber genauso wenig auf das hohe Ross setzen, „nach dem Motto: Ich bin der, der dich bezahlt, und deshalb hast du zu tun, was ich sage”, so Werner.
Wenn die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind und die Pflegebeziehung richtig gut läuft - wie bringen Pflegebedürftige und Angehörige ihre Dankbarkeit zum Ausdruck?
Am besten mit einem Lächeln und Freundlichkeit, rät Erika Prinz. Sie arbeitet im Rekrutierungsteam der Caritas-Altenhilfe in Berlin und hat als gelernte Krankenschwester langjährige Erfahrung in der Pflege.
Geld dürfen die Pflegekräfte hingegen nicht annehmen. „Das hat so ein Gschmäckle, wie man bei uns hier in der Gegend sagt”, warnt Stefan Werner. „Es ist, als ob man sich Gefälligkeiten erkaufen will. Ich rate davon ab, die Beziehung bekommt eine andere, ungute Qualität dadurch.”
Erika Prinz hat aber einen Vorschlag parat, wenn Angehörige sich nicht mit leeren Händen bedanken wollen: „Wenn es von Herzen kommt, freuen sich Pflegekräfte immer über ein Pfund Kaffee oder eine Kekspackung für die Teamsitzung.”
Und was, wenn es mit einer bestimmten Pflegefachkraft nicht so gut läuft? Das sollten Betroffene rückmelden - aber auf angemessene Weise.
Den Pfleger oder die Pflegerin direkt anzusprechen - das ist oft gar nicht so einfach. Aber es gibt eine andere Möglichkeit: „In jedem Pflegedienst gibt es Ansprechpartner dafür”, sagt Stefan Werner. Betroffene können sich zum Beispiel an die Pflegedienstleitung oder das Rückmelde- oder Beschwerdemanagement wenden.
Von anonymen Beschwerden rät der Pflegeexperte allerdings ab: „Wenn ich eine konkrete Situation lösen will, fahre ich mit Anonymität nicht gut.”
Wertschätzung hat viel mit Kommunikation zu tun. Pflegebedürftige sollten dabei auf ihr Empfinden vertrauen und mit klaren Ich-Botschaften Feedback geben. „Sie können zum Beispiel sagen: "Ich kenne mich schon mein ganzes Leben, bitte verstehen Sie, dass ich da auch Experte für mich selber bin",” sagt Werner.
Dem anderen so begegnen, wie man es sich selbst wünschen würde, hält auch Erika Prinz für eine goldene Regel in der Pflege. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus”, sagt sie. „Wenn ich wertschätze, werde ich auch wertgeschätzt.”
Wertschätzung wünscht sich Stefan Werner noch aus einer anderen Richtung: der Politik. Denn so können sich die Arbeitsbedingungen verbessern.
Und auch da können Angehörige viel tun, indem sie zum Beispiel einen Brief an ihren Abgeordneten schreiben. „Die Rahmenbedingungen ändern sich nicht durch Dankbarkeit. Aber genau die müssen besser werden. Da muss die Politik von der Gesellschaft Druck kriegen”, sagt Werner.
© dpa-infocom, dpa:220613-99-647902/4 (dpa/tmn)