Erwachsenhotels boomenIst es okay, wenn man im Urlaub kein Kindergeschrei hören will?
Hannover/Oberursel – Urlaub ohne Kinder in der Unterkunft wird immer öfter gebucht. Der Wunsch nach Entspannung ohne Geschrei und ohne Arschbomben am Pool nimmt zu. Lange galt das als Tabu. Doch man muss kein Kinderfeind sein, wenn man seinen Urlaub unter Erwachsenen verbringen möchte. Gäste von „Adults only“-Hotels sind zum Beispiel auch Eltern oder erholungsbedürftige Erzieherinnen.
Bis vor kurzem war es ein heißes Eisen, das merkt man noch an vorsichtigen Formulierungen. „Dieses Hotel ist für Kinder nicht geeignet“ steht da im Reisekatalog oder auf der Webseite. Soll eigentlich heißen: „Wir wollen hier keine Kinder.“ Aber der Hotelbesitzer will das so nicht schreiben - eigentlich unnötigerweise. Denn Urlaubsangebote, die Kinder ausschließen, gelten heute keineswegs mehr als so politisch inkorrekt wie noch vor einigen Jahren. Im Gegenteil: Angebot und Nachfrage nach Ferien ohne Geschrei beim Essen und ohne Lärm bei jedem Sprung in den Pool sind in den vergangenen Jahren geradezu explodiert.
„Adults only“ für Gäste, die mindestens 18 Jahre alt sind
„Dadurch, dass der Markt in diesem Segment sehr stark wächst, ist diese Diskussion, die es vor einigen Jahren gab, komplett verschwunden“, sagt Patrick Hogrefe, Leiter des Produktmanagements „Sun and Beach“ bei Tui. Ein Beispiel für das Wachstum: Die zur Tui gehörende Cluburlaubsmarke Robinson hat angekündigt, 5 von 24 Anlagen künftig nach dem Prinzip „Adults only“ zu betreiben - in der Schweiz und der Türkei ebenso wie auf Fuerteventura und den Malediven. Auch ein neuer Club auf den Kapverdischen Inseln soll vom Herbst 2019 an nur für Gäste buchbar sein, die schon mindestens 18 Jahre alt sind.
Früher habe man über Urlaub ohne Kinder kaum öffentlich sprechen können, meint auch René Weiss. Er begann 2008 aus privatem Frust bei der Suche nach einem ruhigen Hotel, auf einer Website mit dem damals gewagten Titel „Urlaub ohne Kinder“ 30 Hotels aufzulisten, in denen Kinder nicht erlaubt waren. Kinderfeindlichkeit und Egoismus waren die Hauptvorwürfe, erinnert er sich. Inzwischen sei das besser geworden. „Allerdings ist es immer noch so, dass viele Veranstalter sich nicht trauen, mit dem Thema offen umzugehen.“ Mittlerweile finden sich rund 700 Hotels auf der Website von Weiss. Allein innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich die Zahl fast verfünffacht.
Nachfrage nach Hotels nur für Erwachsene wächst
Hogrefe sagt, in diesem Zeitraum habe sich der Markt „Couples Only“ (nur Paare) mit Sicherheit um 40 oder 50 Prozent entwickelt. „Und er wächst kontinuierlich.“ Tui ist ebenfalls seit 2008 in dem Markt der Erwachsenenhotels mit der Marke Sensimar unterwegs. Ursprünglich bot man eine Handvoll kinderfreie Hotels an, mittlerweile sind es insgesamt rund 400, nicht nur unter dem Sensimar-Logo.
Die Nachfrage sei in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, heißt es auch bei Thomas Cook. Der Reisekonzern ist mit der Marke Sunprime im Bereich der Erwachsenenhotels mit einem Mindestalter von 16 Jahren unterwegs. Derzeit gibt es neun dieser Sunprime-Hotels. Aber auch bei anderen Marken gibt es Hotels ohne Kinder.
Ruhe am Pool und im Restaurant
Auch Jörg Thurm, der seit 2011 mit der Webseite „Hotels ohne Kinder“ Reisen anbietet, stellt fest: „Das ist zur Zeit ein sehr stark expandierender Markt.“ Alleine auf Mallorca sei die Zahl der Erwachsenenhotels innerhalb eines Jahres von 41 auf 106 gestiegen. „In den vergangenen zwei Jahren ging das richtig los.“ 400 Hotels weltweit bietet er mittlerweile an.
Kinderfreie Hotels finden Urlauber heute also jede Menge. Bloß unter einem einheitlichen Namen sind diese Herbergen nicht zu finden. Hotels mit einem Gästemindestalter werden in Deutschland vor allem als „Adults-Only-Hotels“ angeboten. Weil das Wort Adult im Englischen oft auch mit Sex und Porno verbunden ist, sprechen andere Anbieter lieber von Erwachsenenhotels. Gemeint ist: Hotels, in denen Ruhe herrscht bei Tisch und am Pool. Die Mindestalter sind je nach Anbieter unterschiedlich: 16 oder 18 Jahre sind am geläufigsten.
Angst vor dem Vorwurf der Kinderfeindlichkeit
Das Herumdrucksen mancher Hoteleigentümer aus Angst, in den Ruch der Kinderfeindlichkeit zu geraten, sorgt beim Buchen von kinderfreien Hotels für die meisten Risiken. „Ohne Kinder“ sei auf den großen deutschen Buchungsportalen im Internet immer noch kein Suchfilter, bedauert Weiss - im Gegensatz zu „familienfreundlich“, „romantisch“ oder „kinderfreundlich“.
„In den Onlinekatalogen muss ich mich wirklich durch alle Hotelbeschreibungen wühlen, um herauszufinden, ob es dort Kinder gibt oder nicht“, sagt Weiss. Verkompliziert werde das Ganze durch schwammige Formulierungen wie „Für Kinder nicht empfohlen“ und dadurch, dass in Einzelfällen Hotels in verschiedenen Ländern unterschiedlich vermarktet würden.
Urlaub auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet
Ebenso wie Weiss rät auch Thurm seinen Kunden, die Hotelbeschreibung sehr genau zu lesen. Denn Hotels könnten ihre Hausregeln sehr kurzfristig ändern: „Da ist eine Grauzone entstanden.“
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Relativ wenige Überraschungen muss man bei den großen Spezialmarken befürchten. „Der Kunde möchte immer öfter maßgeschneiderte, passgenaue Angebote für seinen Urlaub haben“, sagt Tui-Mann Hogrefe. „Er möchte genau wissen, was auf ihn zukommt und was er erwarten kann.“ Deswegen sei die Akzeptanz solcher maßgeschneiderter Angebote groß. „Der Kunde möchte nicht mehr Urlaub von der Stange, sondern er möchte seinen Urlaub ohne Abstriche und auf ihn abgestimmt machen.“ Und der Trend, den Urlaub auf bestimmte Zielgruppen auszurichten, werde definitiv zunehmen. Die Ausrichtung auch auf kinderfreie Hotels sei jetzt komplett akzeptiert und ganz normal am Markt.
„Hat nichts mit der Ablehnung von Kindern zu tun"
Das Bedürfnis nach einer Auszeit werde immer größer, sagt Weiss. Früher seien Paare mit Doppelverdiener-Einkommen die typische Zielgruppe für Urlaub ohne Kinder gewesen. „Mittlerweile ist das beim normalen Bürger angekommen.“ Eine große Zielgruppe seien Erzieher: „Die wollen nicht alle 365 Tage im Jahr mit Kindern verbringen.“ Und andere Eltern machten gerne mal alleine Ferien.
Thurm hat selbst zwei Kinder, vier Enkel und lebt in einem Drei-Generationen-Familienhaus. Er erzählt von einer Stammkundin, die als Kinderärztin tätig ist: „Urlaub ohne Kinder hat überhaupt nichts mit der Ablehnung von Kindern zu tun.“ Die Diskussion um diese Art von Urlaub sei früher typisch deutsch gewesen. „In Spanien, wo man verrückt nach Kindern ist, war das nie ein Thema.“ (dpa/tmn)