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In Sachen LiebeADHS bei Erwachsenen – wie geht man als Paar damit um?

Lesezeit 4 Minuten
Ein junges Paar bespricht auf dem Sofa ein Problem, der Mann wirkt sehr frustriert

ADHS wird im Erwachsenenalter oft lange nicht erkannt und kann Beziehungen auf die Probe stellen.

Die Diagnose ADHS kann eine Partnerschaft stark belasten. Wie findet man als Paar wieder zueinander?

Ich bin seit Jahrzehnten mit einem Mann verheiratet, der immer chaotischer wird. Vor kurzem wurde bei ihm mit 50 Jahren ADHS diagnostiziert. Ich halte es inzwischen nur noch aus, in dem ich mich abkapsele. Für unsere fünfköpfige Familie ist das aber natürlich keine gute Lösung. Kann eine Behandlung im Alter überhaupt noch helfen? Besteht darin auch eine Chance für uns?

„Wo sind schon wieder die Autoschlüssel?“ – „Immer kommst du zu spät!“ – „Du fängst ständig neue Dinge an, und nichts wird fertig!“ Ein Verhalten, das Sie vermutlich bei Ihrem Mann beobachten, kennen – für sich genommen – viele Menschen, zumindest in Ansätzen. Jetzt ist bei Ihrem Mann aber eine Erkrankung festgestellt worden, und da kommt einiges zusammen, was Sie und Ihre Familie belastet und in Ihrem Familienleben stark verunsichert. Da ist viel mehr als nur mal „den Schlüssel vergessen“.

Elisabeth Raffauf

Elisabeth Raffauf

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ADHS, die „Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung“, ist zurzeit als Diagnose sehr „beliebt“. Manche Menschen entlastet es, sie zu bekommen: „Jetzt weiß ich endlich, was mit mir los ist.“ Bislang hatten sie das Gefühl, sie seien „falsch“ und hätten Schuld daran, dass sie so sind, wie sie sind. Jetzt haben sie das Gefühl: „Ich kann nichts dafür, und ich kann nichts tun.“ Dabei geht es ja überhaupt nicht um Schuld.

Die Diagnose gemeinsam angehen und als Chance sehen

Andere nehmen die Diagnose als Ansporn für eine Therapie, in der sie nach den Gründen suchen, warum sie nichts fertigbekommen. Sie möchten schauen, was sie tun können, um mit sich und der Welt besser zurechtzukommen.

Die spannende Frage, wie Ihr Mann und auch Sie mit der Diagnose umgehen können, lautet: Wie erklärt er – und wie erklären Sie sich – sein Verhalten? Was denkt wer, woran es liegt? Denken Sie: „Das ist eine Krankheit, da kann man nichts machen“? Oder sagen Sie sich: „Jetzt wissen wir, was los ist, jetzt kann man etwas tun“?

Für ADHS gibt es die medizinisch-biologische Erklärung: Der Ursprung sind Stoffwechselprozesse im Gehirn. Es herrscht ein Dopamin-Defizit. Das bedeutet dann auch: ADHS ist ein körperlicher Mangel. Medizinisch wird dann mit einem Medikament behandelt, das den Wirkstoff Methylphenidat enthält. Das Medikament wirkt wie Schmerztabletten bei Zahnweh. Es entlastet vorübergehend, solange es genommen wird. Wird es abgesetzt, ist das Problem wieder da.

Versuchen Sie die Krankheit zu verstehen

Anders ist es, wenn man sich das „krankhafte“ Verhalten als eine Reaktion auf komplexe und/oder schwierige Bedingungen im sozialen Umfeld erklärt und dazu nicht den Mangel der Betroffenen in den Vordergrund stellt, sondern ihre besonderen Fähigkeiten: Sie nehmen sehr intensiv wahr, und sind besonders bereit zu handeln.

Mit einem solchen Herangehen ist es leichter möglich, in einer Therapie zu schauen: Was ist für die Betroffenen so belastend? Was macht ihnen im Alltag zu schaffen? Seit wann ist das so? Wie waren die Lebensumstände in der Kindheit? Was hat sich eingeprägt? Wie sind die Lebensumstände heute? Wann ist das Vergessen, Verlegen, Vertrödeln heute stärker? Und in welchen Situationen kommt es selten oder gar nicht vor?

Gemeinsam an Lösungen arbeiten um wieder zueinander zu finden

Auf diese Weise können Menschen sich besser verstehen und lernen, sich mehr anzunehmen. Auch Sie können mehr von Ihrem Mann verstehen und er von Ihnen, wenn Sie ihm sein Verhalten nicht mehr vorwerfen müssen, sondern von Ihren Ängsten erzählen können. So können Sie sich wieder näherkommen.

Wenn Ihr Mann bereit ist, sich dem zu stellen, bin ich sehr optimistisch, dass eine Veränderung möglich ist. Und: Sie können ihn unterstützen. Sie können gemeinsam schauen: Wie kann der Tag klarer strukturiert werden? Welche Reize sind einfach zu viel und können verringert werden? Wie können Handlungsschritte kleiner und überschaubarer gemacht werden? Welche Erinnerungsstützen kann es geben? Vielleicht hilft Ihnen das Motto: „Immer nur eine Sache gleichzeitig!“


Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung. Die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald sind versiert in der Beratung rund um Liebe, Beziehung und Partnerschaft. Der Urologe Volker Wittkamp kennt sich mit allem aus, was Liebe mit unserem Körper macht – und umgekehrt. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt! Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.