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5 große UngerechtigkeitenWas sich ändern muss, damit es Alleinerziehenden besser geht

Lesezeit 12 Minuten
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Sie sind nicht wenige, aber sie sind sehr benachteiligt: 1,8 Millionen Alleinerziehende in Deutschland.

  1. Alleinerziehende machen fast 20 Prozent aller Familien in Deutschland aus, dennoch werden sie systematisch vergessen und benachteiligt.
  2. Sie profitieren zum Beispiel nicht von Steuerentlastungen, die der Staat Paarfamilien gewährt, und die ihn jährlich 28 Milliarden Euro kosten.
  3. Zwei Kölner Expertinnen und Betroffene klären über die 5 größten strukturellen Ungerechtigkeiten auf - und was sich ändern müsste.

Köln – Sie sind nicht wenige, und dennoch werden sie in unserer Gesellschaft massiv benachteiligt: Alleinerziehende machen mit 1,8 Millionen immerhin knapp 20 Prozent aller Familien aus. Doch ob es um Schwimmbadtarife oder Steuererleichterungen geht, um bezahlbaren Wohnraum oder Betreuungszeiten, politische Beteiligung oder Partizipation auf dem Arbeitsmarkt – Ein-Eltern-Familien werden als Familienform sehr oft nicht mitgedacht, sind Paarfamilien gegenüber meist im Nachteil. Was dabei kaum jemand bedenkt: Plötzlich verwitwet oder über Nacht verlassen – es kann jede und jeden treffen. Jetzt oder zu jedem anderen Zeitpunkt.

Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass jede zweite Frau in ihrem Leben, egal welcher Herkunft, alleinerziehend ist oder war. So verschieden geartet die Gruppe der Alleinerziehenden ist und die Gründe dafür sind, so gleich groß sind ihre Herausforderungen. Eine Expertin vom Verband allein erziehender Mütter und Väter NRW e.V. und eine Kölner Rechtsanwältin erklären die fünf gröbsten strukturellen Ungerechtigkeiten - und wie es fairer zugehen könnte.

Mit Klischees behaftet und gedemütigt

„Ich bin erst seit Februar alleinerziehend. Überrascht mich immer wieder, wie viele denken, ich würde nie mehr einen Partner finden, arbeitslos und gelangweilt mit Kind zu Hause hocken und auf Geld vom Amt oder dem Kindesvater warten. Dabei gehe ich einer Arbeit nach. Es ist ein furchtbar negatives und einseitiges Bild, das eine große Mehrheit von uns hat.“ (Anna Déinyan)

Viele Alleinerziehende berichten, genervt und gedemütigt davon zu sein davon, ständig als anders betrachtet zu werden, entweder als Superheld(in) oder, viel häufiger, als Loser(in), nicht liebenswert und lebensunfähig, arm und ausgebrannt. Diese unterstellte Bedürftigkeit, Beziehungsunfähigkeit und fehlende Belastbarkeit empfinden sie als doppelte Ungerechtigkeit.

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Nicola Stroop ist Vorsitzende des Verbands allein erziehender Mütter in Väter NRW e.V. (VAMV)

„Wenn Alleinerziehende als defizitär dargestellt werden, steht dahinter eine Mentalität, die in den Vorwürfen à la »die oder der ist selbst schuld« oder »die oder der hat es doch so gewollt« wurzelt. Dabei sind die Gründe des Alleinerziehens sehr verschieden und es bedeutet ja nicht gleich, keinen Partner zu haben“, sagt Nicola Stroop, Vorsitzende des Verbands allein erziehender Mütter und Väter NRW (VAMV).

Die Statistik gibt ihr Recht: 31 Prozent der Alleinerziehenden leben in einer Partnerschaft, wenn auch nicht im selben Haushalt. Außerdem ist alleinerziehend zu sein in den meisten Fällen weniger eine Familienform als eine Phase, der andere Familienformen vorausgegangen sind – oder noch folgen: 45 Prozent der Alleinerziehenden waren vorher verheiratet, 83 Prozent wünschen sich eine feste Beziehung.

„Was auch gründlich missverstanden wird: Natürlich sind Alleinerziehende auch mal ausgebrannt und überfordert, das liegt aber nicht an persönlicher Schwäche oder mangelnden Fähigkeiten, sondern an falscher Politik und struktureller Ungerechtigkeit“, sagt Stroop. Auf eine kurze Formel gebracht bedeute alleinerziehend hierzulande: Schlechtere Arbeits- und Betreuungssituationen = Weniger Geld und Freizeit + Höhere Abhängigkeit von staatlichen Leistungen = Erhöhtes Armutsrisiko der Eltern = Geringere Bildungschancen der Kinder.

Das müsste sich ändern

Die Lebensrealität von Familien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Immer mehr Eltern erziehen ihre Kinder alleine. „Wenn Ein-Eltern-Familien die volle Akzeptanz

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Neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen.

– wie jede andere Familienform auch – erhielten, wäre das ein erster Schritt,“ sagt Stroop. Wichtig sei aber auch, dass die Gesellschaft die besonderen Herausforderungen Alleinerziehender erkennt und damit Verständnis und Solidarität für deren Bedarfe und Bedürfnisse entwickelt. Stroop: „Ein-Eltern-Familien als gleichberechtigte Familienform anzuerkennen und wertzuschätzen, vor allem deren Leistung, ist die eine Lösung, eine gerechtere Familienpolitik die andere.“

Steuerlich unfair behandelt

„Ehegattensplitting ist, wenn mein Kollege jeden Monat mehrere hundert Euro weniger Steuern zahlt als ich mit drei Kindern, weil er verheiratet ist. Unglaublich, aber wahr! Steuerklasse II gehört sofort reformiert und Care-Arbeit gerade bei Alleinerziehenden anerkannt und entlohnt. Arbeitgeber sollten für die Einstellung eines Alleinerziehenden einen Obolus erhalten, ähnlich wie bei der Einstellung eines behinderten Mitarbeiters. Und: Umgangselternteile müssen mehr in die Pflicht genommen werden!“ (Bine Sa und Stefanie Orlowski )

Fakt ist: Das deutsche Steuerrecht wirkt sich negativ auf Alleinerziehende aus. Während verheiratete Paare mit bis zu 15000 Euro Steuervorteil pro Jahr vom Ehegattensplitting profitieren – unabhängig davon, ob sie Kinder großziehen oder nicht –, kommt die Steuerklasse II, die Alleinerziehenden zusteht, der Besteuerung von Singles gleich. Dabei sind Alleinerziehende auf größere Wohnungen angewiesen, haben Mehrkosten etwa für die Betreuung und Förderung ihrer Kinder, für Schule und Spielsachen, deren Kleidung und Konsum. Bei einem Bruttogehalt von 2000 Euro bedeutet das einen steuerlichen Nachteil von rund 150 Euro, der natürlich bei steigendem Einkommen wächst.

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Kerstin Clara Mink ist eine Kölner Fachanwältin für Familienrecht.

Das Ehegattensplitting gewährt Ehepartnern Steuerklasse III und V, was bedeutet, dass der besser verdienende Part weniger Steuern zahlt, beide vom Steuerfreibetrag profitieren – und wenn sie Kinder haben, zusätzlich vom Kinderfreibetrag oder dem Kindergeld. Ein Steuervorteil, den Alleinerziehende nicht haben und den „unser Staat jährlich mit rund 20 Milliarden Euro subventioniert“, sagt Nicola Stroop. Zusätzlich zu den 20 Milliarden Euro, die dem Staat damit jährlich an Steuergeld verloren gehen, fehlen der Staatskasse durch die gemeinsame Berechnung des zu versteuernden Einkommens von Ehepaaren weitere acht Milliarden Euro, wie die Friedrich-Ebert-Stiftung berechnet hat.

Alleinerziehende in Zahlen

2019 waren in Deutschland rund 2,2 Millionen Frauen und 407 000 Männer (insgesamt rund 2,61 Millionen Eltern) alleinerziehend. Gemessen an der Gesamtzahl der Familien sind das rund 20 Prozent – knapp 90 Prozent davon sind Mütter.

In fast jeder fünften Familie in NRW lebte nur ein Elternteil mit minderjährigen Kindern zusammen, darunter 88 Prozent alleinerziehende Mütter.

Weniger als die Hälfte des Einkommens von Paarfamilien haben Alleinerziehende in NRW jeden Monat durchschnittlich zur Verfügung, was ungefähr dem bundesdeutschen Durchschnitt entspricht. Sie müssen jeden Monat mit 1873 Euro Miete, Energiekosten, Lebensmittel, Kleidung für die Kinder und viele andere Ausgaben stemmen. Knapp ein Drittel (30 Prozent) hat sogar weniger als 1300 Euro Familieneinkommen im Monat.

Besonders wenig Geld haben alleinerziehende Mütter. Ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen lag 2017 in NRW bei 1830 Euro und damit fast 380 Euro unter dem Einkommen alleinerziehender Väter. Über die Hälfte (54 Prozent) der alleinerziehenden Mütter verfügte dabei über weniger als 1700 Euro.

Auch unfair: Sobald in einem Alleinerziehenden-Haushalt das älteste Kind die Ausbildung beendet hat und Geld verdient – oder verdienen könnte – aber noch zu Hause lebt, wird das alleinerziehende Elternteil wie ein Single in die Steuerklasse I gruppiert, selbst wenn noch weitere minderjährige Kinder im Haus leben. Denn laut Gesetzgeber handelt es sich, sobald zwei erwachsene und arbeitsfähige Personen zusammenleben, um eine Haushaltsersparnis. Dem widerspricht wiederum die gesetzlich geförderte Regelung des Ehegattensplittings, die Familien entlasten und gezielt eine Haushaltsersparnis bewirken soll. Eine Crux.

Das müsste sich ändern

„Wir fordern daher eine Individualbesteuerung und keine Besteuerung nach Lebensform à la Ehegattensplitting, da der Gesetzgeber durch diese steuerlichen Anreize die Ehe bevorzugt und Alleinerziehende – und damit ihre Kinder – benachteiligt“, sagt Nicola Stroop. Auch eine angemessene Berücksichtigung der geleisteten „Care“-, also Betreuungs- und Erziehungsarbeit würde zu mehr Gerechtigkeit beitragen. Wofür sich Stroop und ihr Verband schließlich auch stark machen, ist die Kindergrundsicherung, „worüber die Kinder direkt – statt über die Steuervorteile der Eltern – gefördert würden und ihr soziokulturelles Existenzminimum damit gesichert wäre.“

Um Unterhalt betrogen

„Mein Ex-Mann hat sich direkt nach unserer Trennung arbeitslos gemeldet und deshalb keinen Unterhalt gezahlt. Bis 2018 bekamen wir gar kein Geld, seitdem bekommt unsere Tochter einen staatlichen Unterhaltsvorschuss, der allerdings unter dem liegt, was ihr normalerweise zustünde. Hartz-IV-Empfänger werden ständig kontrolliert, ob sie ja nicht zu viel bekommen. Ich finde, der Staat sollte genauso penibel prüfen, ob auch alle Eltern ihren Unterhaltspflichten nachkommen.“ (Denise Thaler)

Eine wichtige Einkommensquelle von Alleinerziehenden ist der Kindesunterhalt. Laut Gesetz ist der nicht im Haushalt lebende Elternteil verpflichtet, dem Kind als Mindestbedarf den Freibetrag für das Existenzminimum zu zahlen. In der Praxis aber müssen viele Alleinerziehende auf diesen Unterhalt verzichten. Studien zeigen, dass die Hälfte der 1,4 Millionen alleinerziehenden Mütter gar keinen Kindesunterhalt bekommt und dass nur jeder vierte Vater zahlt, was er zahlen muss. 70 Prozent aller Alleinerziehenden berichten in einer Studie des VAMV obendrein von Problemen bei der rechtlichen Durchsetzung des Kindesunterhalts, fühlen sich doppelt betrogen.

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Alleinerziehend bedeutet oft: doppelte Verantwortung, halbes Einkommen

Auch die Kölner Fachanwältin für Familienrecht Kerstin Clara Mink weiß davon ein Lied zu singen: „Seit der Unterhaltsreform im Jahr 2008 ist die finanzielle Absicherung durch den nicht betreuenden Elternteil schwierig geworden.“ Streng juristisch gesehen würde nämlich der Grundsatz der Eigenverantwortung gelten, was bedeutet: Alleinerziehende sind im Regelfall mit dem dritten Geburtstag des Kindes finanziell auf sich selbst gestellt. Mink: „Der Gesetzgeber hat dabei übersehen, dass es in Familien üblich ist, dass ein Elternteil, sobald Kinder im Spiel sind, beruflich kürzer tritt. Das betrifft leider noch immer meist die Mütter, die ihren Job aufgeben oder in Teilzeit arbeiten, um dem Partner, der Karriere macht, den Rücken frei zu halten.“

Und auch nach einer Trennung, das beweist die Statistik, bleiben die Kinder zum Großteil im Haushalt der, dann meist teilzeitarbeitenden Mütter. Neun von zehn Alleinerziehenden (88 Prozent) sind Frauen. „Während Ehepaare nach einer Trennung wenigstens im Fall einer Krankheit oder Arbeitslosigkeit abgesichert sind, gibt es diesen Unterhaltsanspruch für unverheiratete Alleinerziehende nicht. Auch ein Vermögens- oder Rentenausgleich greift nur bei Ehepaaren“, sagt Mink, weshalb Alleinerziehende häufiger einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt und auf staatliche Hilfen, wie Arbeitslosengeld II oder Unterhaltsvorschuss angewiesen sind.

Immerhin: Seit der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes im Jahr 2017 springt das Jugendamt für nicht zahlende Unterhaltspflichtige bis zum 18. Geburtstag des Kindes ein. „Doch liegt die Höhe teils erheblich unter den Pflichtsätzen der Düsseldorfer Tabelle“, so Mink.

Das müsste sich ändern

In manchen Ländern macht nicht das Jugendamt sondern das Finanzamt säumige Kindesunterhaltszahler ausfindig – und sanktioniert sie. Andere Ideen reichen von der Führerscheinentzug über verpflichtende Sozialstunden oder Radkrallen am Auto nicht zahlender Elternteile.

Nicola Stroop und der VAMV dagegen fordern, dass die Beistandschaften, die den Unterhalt durchsetzen, personell besser ausgestattet werden, um so wirklich wirksamen Unterhalt einfordern zu können. Kerstin Clara Mink rät dazu, bereits bei der Eheschließung, die Ansprüche vertraglich zu regeln – und auch nicht verheirateten Paaren rät sie, sobald Kinder im Spiel sind, den Unterhalt vertraglich absichern lassen – „da die gesetzlichen Regelungen meist nicht ausreichen“.

Ist beides nicht der Fall, und es kommt zur Trennung, ohne dass entsprechend vorgesorgt wurde, sollten Betroffene schnellstmöglich Rat beim einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin für Familienrecht einholen um zügig Unterlagen zu sichten und zu sichern. „Ist die Trennung erstmal erfolgt, ist es erfahrungsgemäß meistens schwieriger, an die nötigen Unterlagen zu kommen.“

Kaum entlastet, doppelt verantwortlich

„Im Lockdown war es ziemlich hart. Da konnte man am Anfang nur einen Platz in der Notbetreuung bekommen, wenn man das alleinige Sorgerecht hat und in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Das alleinige Sorgerecht gibt es aber heutzutage kaum noch, egal ob sich der Kindsvater kümmert oder nicht.“ (Silke Wildner)

Die Unterhaltszahlung ist die eine, die Unterstützung des alleinerziehenden Parts bei der Erziehung, Betreuung und Versorgung der Kinder die andere Seite der Medaille. „Während heutzutage oft das Wechselmodell praktiziert wird, was bedeutet, die Kinder leben zu gleichen Teilen bei der Mutter und dem Vater, gibt es immer noch sehr viele Elternteile, meist Väter, die sich nach der Trennung auch von den gemeinsamen Kindern abwenden, weil sie zum Beispiel eine neue Familie gegründet haben“, sagt Mink.

Nun haben diese Männer einen gesetzlichen Anspruch auf ein Umgangs- und Besuchsrecht, was ihnen auch meist zugesprochen würde, selbst wenn sie sich nur für zwei Stunden pro Woche um den Nachwuchs kümmern. Umgekehrt gebe es für das Elternteil, bei dem die Kinder leben, keine rechtlichen Mittel, dieses Besuchs-, Umgangs- und damit auch: Entlastungsrecht einzufordern, um beispielsweise die Arbeitszeiten einhalten zu können. Mink: „Ich erlebe in der Praxis immer wieder, dass es Mandantinnen besonders belastet, dass der Gesetzgeber das gemeinsame Sorgerecht im Fall der Trennung als Regelfall vorgibt und die betroffene Alleinerziehende damit über wichtige Erziehungsfragen nicht mehr alleine entscheiden kann. Selbst wenn sich der andere Elternteil im Alltag aus der Verantwortung zieht.“

Das nächste Paradoxon: Gibt es einen neuen Partner, wird dem bei Einzug gesetzlich quasi eine Versorger-Rolle verordnet, die den unterhaltspflichtigen Ex-Partner aus der Verantwortung nimmt. Auch finanziell.

Das müsste sich ändern

Familienanwältin Mink rät, in schwerwiegenden Sorge- und Umgangsrechtsfällen anwaltlichen Rat einzuholen, auch um einen Antrag auf alleiniges Sorgerecht abzuwägen. „Nichtverheiratete sollten sich gut überlegen, ob bei der Geburt eines gemeinsamen Kindes eine sogenannte Sorge-Erklärung abgeben, die ein gemeinsames Sorgerecht auch ohne Ehe erlaubt.“

Im Spagat zwischen Arbeits- und Betreuungszeiten

„Ich bekomme erst Infos, ob und in welchem Umfang eine Tagesmutter zur Verfügung steht, wenn ich eine Arbeitsstelle nachweisen kann. Ich bekomme aber erst eine Arbeitsstelle, wenn ich eine Betreuung für meine Tochter habe.“ (Thomas von Thelen)

Alleinerziehende Eltern, die einen Job suchen, stehen vor einem Dilemma: Erwähnen sie ihren Status, haben sie oft wenig Chancen. „Und was machen Sie, wenn das Kind mal krank ist?“ oder „Wie stellen Sie sich vor, ihre Arbeits- mit den Betreuungszeiten ihrer Kinder zu vereinbaren?“ sind noch heute gängige Fragen im Bewerbungsgespräch – die offenlegen, dass Alleinerziehenden reflexartig mangelnde Flexibilität und Belastbarkeit unterstellt wird.

Tatsächlich zeigt die Statistik, dass es hierzulande aussichtsreicher ist, jemanden ohne Ausbildung und ohne Deutschkenntnisse in Arbeit zu vermitteln als Alleinerziehende. „Viele alleinerziehende Frauen berichten uns, dass sie sich in der Arbeitswelt doppelt diskriminiert fühlen, da sie zusätzlich zu dem schlechten Image bei Arbeitgebern als Frauen im Job benachteiligt sind,– zumal häufig in Teilzeit beschäftigt – weniger Aufstiegschancen haben und weniger verdienen“, sagt Stroop.

60 Prozent der erwerbstätigen, alleinerziehenden Mütter arbeiten in Teilzeit, sind, wie eine VAMV-Studie ergab, gut ausgebildet, qualifiziert und hoch motiviert. Daneben gibt es einen wachsenden Anteil an Müttern mit niedrigem Bildungsabschluss, der mit 23 Prozent sieben Prozent höher liegt als bei Müttern in Paarfamilien. Viele von ihnen sind auf schlecht bezahlte Jobs im Handel oder in der Gastronomie angewiesen.

Stroop: „Alleinerziehende Mütter, egal welchen Bildungsgrads, arbeiten oft unter sehr herausfordernden Bedingungen – befristet, nicht in ihrem erlernten Beruf, unterhalb ihrer Qualifikationsniveaus, abends, an Wochenenden, im Schichtdienst, um Zeit für ihre Kinder zu haben.“ Stroop und ihre Mitstreiter wissen: Die Wahl des Arbeitgebers ist bei Alleinerziehenden in der Regel weniger abhängig von persönlichen Interessen, Qualifikationen oder Karrierechancen, als von flexiblen Arbeits-, Fahrtzeiten und Kinderbetreuungsmöglichkeiten – ihrer beinahe größten Herausforderung.

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Sie werden entweder als Heldinnen oder als Loserinnen gesehen: Alleinerziehende Mütter sind genervt davon, immer vermeintlich "anders" zu sein.

„Die Unvereinbarkeit von Arbeits-, Familien- und Betreuungszeiten empfinden die meisten Betroffenen als größtes Problem“, sagt Stroop. Normale Öffnungszeiten der Kitas und Schulen sind hierzulande nach wie vor nicht darauf ausgelegt, dass Alleinerziehende Vollzeit arbeiten können, Ganztagsbetreuungsangebote sind Mangelware. Stroop: „In Deutschland fehlen immer noch Betreuungsplätze für unter Dreijährige, wenige Grundschüler haben einen Nachmittagsplatz.“ Damit würden viele Alleinerziehende in Teilzeit gezwungen, was sich auf das Familieneinkommen, auf Karrierechancen und die Rentenhöhe auswirkt. Vor allem aber, so Stroop, „erhöht es das Armutsrisiko.“

Das müsste sich ändern

„Alleinerziehende brauchen mehr und bedarfsgerechtere, qualitativ hochwertige Angebote in der Kinderbetreuung, die auch Zeiten jenseits klassischer Teilzeit-Büroarbeitszeiten abdecken“, fordert Stroop. Die Autoren der Bertelsmann-Studie plädieren für flexiblere Strukturen in der Arbeitswelt, etwa dass die Arbeits- an die die verfügbaren Kinderbetreuungszeiten koppelt würden, auch Zeitkonten oder Home-Office-Regeln wären eine Lösung. Kurz: „Alleinerziehende brauchen mehr und nachhaltigere Teilhabe am Arbeitsmarkt. Es wäre schön, wenn Politik, Verwaltung und Arbeitgeber das als gemeinsame Querschnittsaufgabe betrachten würden.“