AboAbonnieren

Altersarmut vorbeugenWieso Frauen ihre Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen sollten

Lesezeit 6 Minuten
ILLUSTRATION - Zum Themendienst-Bericht von PhilippLaage vom 2. August 2022: Anleger sollten ihr Depot nicht ständig umschichten, sondern den Vermögensaufbau besser langfristig planen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

„Frauen stehen im Alter finanziell immer schlechter da als Männer“, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Tabea Bucher-Koenen.

Angst davor, sich mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen? Das habe viele Menschen – besonders Frauen. Dabei ist es gerade als Frau wichtig, sich mit Altersvorsorge und Co. auseinanderzusetzen.

Ob im Vollzeitjob, in der Teilzeit oder doch komplett zu Hause: Frauen haben meist ein geringeres Einkommen als Männer. Das ist ein bekanntes Problem. Doch welche weitreichenden Folgen dies hat, ist vielen nicht klar. Besonders in Sachen Rente hat es schwerwiegende Auswirkungen. Jede fünfte Frau ab 65 Jahren ist armutsgefährdet.

„Untersuchungen zeigen, dass es nicht nur einen Gender-Pay-Gap gibt, sondern auch eine Gender-Pension-Gap“, erklärt Tabea Bucher-Koenen. Die Wirtschaftswissenschaftlerin forscht im Feld Frauen und Finanzen. „Frauen stehen im Alter finanziell oft schlechter da als Männer“, sagt Bucher-Koenen. Wie es dazu kommt, wird viel diskutiert. Denn es liegt nicht nur am Einkommen.

Berührungsängste mit Finanzen

Viele Frauen haben Berührungsängste mit dem Thema Geld und Finanzen. „Das Thema Investieren und Finanzen wirkt oft so übermächtig. Dabei können Frauen sehr gut mit Finanzen umgehen“, sagt Margarethe Honisch. Sie ist Finanzexpertin und gibt Finanzkurse für Frauen. „Ich meine, wer plant und bucht eine Reise? Das macht in der Regel die Frau in Familie oder Partnerschaft. Und zwar innerhalb eines Budgets.“ Ihrer Meinung nach ist damit der Grundstein schon gelegt. „Wenn ich einen Urlaub planen kann, dann kann ich auch meine Finanzen regeln. Meiner Meinung nach ist es für jede Frau möglich, sich genau das anzueignen.“

Oftmals fehle Frauen allerdings das Selbstbewusstsein, erklärt Honisch. Das kommt nicht von ungefähr: Es wird Ihnen auch weniger Wissen im Finanzbereich zugetraut, zeigen Studien. Zwar zeigt eine weitere Untersuchung, dass das Frauen über weniger Finanzwissen verfügen. Es unterscheidet sich jedoch nur geringfügig vom Wissen der Männer. Auch Honisch sagt: „Oft ist das Wissen gar nicht das Problem, sondern die Unsicherheit.“ Sie selbst sieht aber auch gesellschaftliche Problematiken dahinter: „Wenn ein Mann sagt: Geld ist mir wichtig, ist es etwas anderes, als wenn es aus dem Mund einer Frau kommt.“

Geld oft vom Partner verwaltet

Hinzu kommt, dass Finanzthemen wie Altersvorsorge und Geldanlagen oft in heterosexuellen Beziehungen dem Partner überlassen werden. Ängste, aber auch Bequemlichkeit können Gründe dafür sein. „So kann aber nicht gelernt werden, wie man mit Geld umgehen soll“, so Honisch.

Oftmals sind die Männer nicht nur diejenigen in der Partnerschaft, die besser verdienen. Sie sind auch weiterhin meist die Hauptverdiener. „Moderne Paare, die sind so lang modern, bis es in den Kreißsaal geht. Denn danach bleibt doch oft die Frau zu Hause mit dem Kind“, sagt Margarethe Honisch. Dadurch entstehen nicht nur finanzielle Abhängigkeiten im Alltag. Wenn die Frau weniger oder gar nicht arbeitet, fällt auch die Rente im Alter geringer aus.

Eigenes Geld stärkt Unabhängigkeit

Nicht über eigenes Geld zu verfügen, kann zudem mental belastend sein: „Wenn man vom Geld des Mannes abhängig ist, kann man sich beispielsweise nicht trennen, obwohl man es vielleicht möchte. Aber auch die eigene Lebensgestaltung leidet darunter. Finanzen betreffen am Ende das komplette Leben“, so die Finanzexpertin. Man gäbe nicht nur die Verantwortung ab, sondern auch die eigene finanzielle Zukunft.

Blindes Vertrauen kann auch dramatische Folgen haben, erzählt Honisch: „Wir haben oft Teilnehmerinnen bei uns, bei denen die Kinder aus dem Haus sind, der Mann durch Scheidung oder Tod nicht mehr da ist – und dann stellen sie fest: So gut abgesichert, wie ich dachte, bin ich gar nicht“. Drei von vier Frauen hat eine negative finanzielle Überraschung erlebt, nach einer Trennung oder dem Tod des Partners, so die Studie der UBS.

„Es ist wichtig, dass man sich in der Partnerschaft auch mit den Konsequenzen für die Altersvorsorge auseinandersetzt, die diese traditionellen Rollenbilder mit sich bringen. Es ist gut, eine gemeinsame die Entscheidung darüber zu treffen, wie man die entsprechenden Altersvorsorgeansprüche regelt und teilt“, sagt sie.

Außerdem: „Das ist doch eigentlich der größte Liebesbeweis, wenn man sagt: ‚Wenn ich nicht mehr da bin, dann will ich, dass es dir trotzdem noch gut geht. Und du abgesichert bist.‘“

Nicht nur Einkommen entscheidend

Bei der Altersvorsorge komme es allerdings nicht nur auf die Höhe des Einkommens an, sondern auch darauf, wie die Ersparnisse angelegt werden, sagt Bucher-Koenen. Auch bei geringerem Einkommen kann fürs Alter vorgesorgt werden.

Wie das Geld gespart und angelegt wird, spielt eine zentrale Rolle. Wissenschaftlerin Bucher-Koenen weiß: „Relativ sparen Frauen nicht weniger als Männer. Was sich dann aber zeigt, ist, dass Frauen tendenziell risikolose Anlagen besitzen, die wenig Rendite bringen. Frauen legen weniger Geld in Investitionsprodukten wie Aktien an, bei denen die Renditechancen vor allem über lange Anlagezeiträume höher sind“. Somit bildet sich insgesamt weniger Vermögen.

Erste Schritte wagen

Um selbst für seine Finanzen zu sorgen und mehr aus dem eigenen Ersparten herauszuholen, ist es unerlässlich, sich Wissen anzueignen. Ob durch Bücher, Social Media oder offizielle Informationsseiten – wichtig ist nur, dass es seriöse Quellen sind. Honisch empfiehlt zuerst ein Grundwissen aufzubauen – dazu gehöre unter anderem Wissen über den Zinseszins oder Inflation. Aber auch der Schritt zur Anwendung ist unerlässlich: Frauen sollten etwa wissen, wie Sie ein Aktiendepot eröffnen oder ein ETF auswählen. Sich einen Überblick über die eigenen Finanzen und Rentenpunkte zu verschaffen, ist außerdem ein notwendiger Tipp.

Sich mit anderen – besonders mit Frauen – auszutauschen, kann dabei sehr hilfreich sein und noch dazu stärkend wirken. Das bestätigt auch Bucher-Koenen: „Überhaupt einmal über das Thema Finanzen zu sprechen, ist wichtig.“

Ein Rezept, wie man sein Geld am besten anlegt, gibt es nicht. Honisch erklärt aber, man müsse sich seiner Ziele bewusst werden und den eigenen Lebensstil reflektieren. „Will ich zum Beispiel die Rentenlücke decken – und was brauche ich dafür?“

Auch kleine Beträge lohnen sich

Das Alter ist bei Anlagen ein wichtiger Faktor. „Wenn du 25 bist, kannst du auch risikoreicher investieren und da etwas ausprobieren. Mit steigendem Alter muss man strategischer vorgehen.“ Honischs Rat daher: „So früh wie möglich anfangen. Auch wenn es nur 25 Euro im Monat sind. Lieber kleine Beträge sparen als gar nichts. Außerdem gewöhnt man sich auch daran, weniger Geld zur Verfügung zu haben“. Dabei hilft es, direkt am Monatsanfang das Geld zum Sparen zur Seite zu legen.

Die 50/30/20 Regel wird beim Sparen oft als Richtwert verwendet. Also 50 Prozent des Einkommens für die Lebensgrundlagen wie Miete und Lebensmittel, 30 Prozent für die Freizeit und den Urlaub und 20 Prozent des Gehalts zum Sparen. Vorausgesetzt, das Gehalt genügt zum Leben. Wem das zu viel erscheint, kann auch mit 10 Prozent beginnen und sich steigern. Wichtig ist vor allem, anzufangen.