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Ein paar TippsWie man mit Corona-Leugnern in der Familie und bei der Arbeit umgeht

Lesezeit 5 Minuten
Maske unter der Nase Getty Images

Wer die Gefahren des Coronavirus leugnet, dem ist es wahrscheinlich auch egal, ob die Maske richtig sitzt.

Köln – Haben Sie auch schon einmal die Luft angehalten, wenn Ihnen ein Passant auf dem Gehweg ohne Maske zu nahe kam? Die Gefahr, sich an der frischen Luft mit dem Coronavirus anzustecken, ist erwiesenermaßen gering. Und trotzdem ist da dieses Gefühl des Unwohl-Seins. Das Gefühl, besser schnell die Straßenseite wechseln zu wollen. Bei Passanten, Unbekannten geht das. Bei Freunden, Familien, Arbeitskollegen nicht. Da gibt es keine Bürgersteige zum Ausweichen, eher gemeinsamen Wohnraum. Ein gemeinsames Büro. Was aber tun, wenn Personen aus diesem nahen Umfeld ganz andere Vorstellungen von Corona-Regeln und -Maßnahmen haben als man selbst? Wenn die Kollegin ständig die Maske unter der Nase trägt und der Partner so viele Kontakte pflegt wie manch einer zuletzt 2019? Und was tun, wenn diese Vorstellungen gar Verschwörungstheorien sind?

Verunsicherung ist Nährboden für Verschwörungstheorien

„Die Corona-Pandemie war geplant“, „Das Virus existiert gar nicht“, „Die Bevölkerung soll mit Zwangsimpfungen kontrolliert werden“ – Sätze wie diese haben Geschäftsführerin Sabine Riede und ihre Kollegen der Sekten-Info Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr zur Genüge gehört. Sie waren im vergangenen Jahr viermal so oft wie im Vorjahr mit Beratungsfällen konfrontiert, die in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien standen. Keinen einzigen Tag gab es, an dem nicht mindestens ein Beratungsgespräch zu dem Thema stattgefunden hat.

Sabine Riede Sekteninfo.NRW

Sabine Riede

Kümmert sich Sekten-Info NRW sonst um Betroffene von beispielsweise religiösen Sondergemeinschaften oder Wunderheilern, war der Anlass nun oft die Corona-Pandemie: Seien es Anfragen von besorgten, erwachsenen Kindern über die plötzlichen Sinneswandel ihrer Eltern oder jene, die wegen der Verweigerung der Maskenpflicht die Kündigung eines Familienmitglieds fürchteten. „Viele Menschen leiden durch die Krise unter gesundheitlichen und existenziellen Ängsten. Gefühle der Verunsicherung und Machtlosigkeit sind schwer auszuhalten und der ideale Nährboden für die Entstehung von Verschwörungstheorien. Sie suggerieren denjenigen, man würde zu den 'auserwählten' Menschen gehören, die den Durchblick haben“, sagt Riede.

Keine leichte Aufgabe, gegen diese Überzeugungen anzukommen. Einige Tipps aber gibt es dennoch, wenn man selbst einem ähnlichen Konflikt im persönlichen Umfeld gegenüber steht.

Kritik oder Verschwörung?

Schritt eins wäre dabei, zu erkennen, ob der andere bereits tatsächlich in den Glauben einer Verschwörungstheorie gerutscht ist. Laut Riede ist dies relativ einfach am Gesprächsverlauf zu erkennen. Redet die Person im Zuge der Impfung von Unfruchtbarkeit und Mikrochips, spricht sie immer wieder von der sogenannten 'Wahrheit', die sie erfahren hat oder teilt die Welt in Gut und Böse ein, deutet es mehr auf die bekannten Ansätze von Verschwörungstheorien hin als auf bloße Kritik der Regierungsmaßnahmen. „In diesen Fällen ist es sinnvoll, eine Beratung zu Rate zu ziehen“, sagt Riede.

Am Arbeitsplatz

„Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass am Arbeitsplatz alle Corona-Maßnahmen eingehalten werden. Tun das manche Kollegen nicht, kann das auch rechtliche Konsequenzen haben“, sagt Riede. Dem Chef von solchen Problemen zu erzählen, mag einem zunächst wie Petzen vorkommen. Schließlich gehe es aber um die eigene Sicherheit, wenn der Kollege etwa immer wieder die Maske absetzt.

„Die Maskenpflicht im Büro hat sich der Arbeitgeber genauso wenig ausgedacht, wie die Vorschrift zum Tragen eines Helmes auf der Baustelle“, so Sabine Riede. Und deshalb solle man sich im Arbeitsumfeld auch lieber gar nicht erst auf Diskussionen einlassen. Distanz zum betreffenden Kollegen, eine klare Abgrenzung zwischen dessen und der eigenen Meinung sowie ein Hinweis, das Thema nun nicht weiter zur Sprache zu bringen, seien das beste, was man machen könne. In klassischen Bürojobs besteht zudem die Möglichkeit, ins Homeoffice auszuweichen. „Aber wer beim Autohersteller am Fließband steht und wem Kollegen immer wieder die Maske von der Nase ziehen – der bittet besser den Arbeitgeber, mal ein Auge auf die Arbeitssituation zu werden.“

An diese offene Kommunikation appelliert auch die Kölner Konfliktberaterin Sonia Grützmacher, ganz gleich, ob es um den Job oder einen anderen Lebensbereich geht. „Es ist mühsam, aber wenn sich jemand nicht an die Corona-Maßnahmen hält, muss man darauf aufmerksam machen.“ Helfen könne dabei, die Ich-Perspektive einzunehmen und von der Sach- auf die Emotionsebene zu wechseln. Denn auf der Sachebene stelle sich im Bezug auf die Corona-Krise schnell die Frage, wer denn nun recht hat – und schon befände man sich erneut im klassischen Dilemma. Auf der Emotionsebene hingegen liefert man seinem Gegenüber noch andere Gründe, sein oder ihr Verhalten anzupassen: „Indem ich kommuniziere 'Ich fühle mich nicht wohl, wenn du mir ohne Maske gegenüber sitzt', mache ich meine eigenen Wünsche transparent.“

Bei Freunden und Familie

Im familiären Bereich sind die Gespräche ohnehin oft emotionaler. Und der Wunsch, Freunde und Familie von der eigenen Meinung zu überzeugen, entsprechend größer. Aber: „Diskutieren bringt nichts. Es führt im Zweifel eher dazu, dass das Gegenüber bei guten Argumenten das Gefühl einer Niederlage bekommt – und die Person abends ins Internet geht, um mehr Infos zu seiner oder ihrer Position zu finden und weiter in den Teufelskreis aus Verschwörungstheorien gerät“, sagt Riede. Was aber stattdessen tun?

Sekten-Info NRW rät, mit Gegenfragen zu arbeiten und damit Interesse an der Meinung des anderen zu signalisieren. Denn glaubt eine Person wahrhaftig an diese Theorien, gehe es weniger um Wissen und das, was wirklich richtig ist als um etwas, an dem sie sich festhalten kann. Wut, Provokation, all das ist für sie laut Riede einfacher auszuleben als Angst. „Umso wichtiger, demjenigen deutlich zu machen: Wir sind in dem Punkt zwar anderer Meinung. Aber du bist mir trotzdem wichtig und uns verbinden andere Dinge. Die Tür für diese Menschen sollte offen bleiben, damit sie sich nicht auch noch sozial isolieren“, rät Riede. Mit der Einschränkung: Geht es um Rassismus, Antisemitismus oder gar Aufrufe zu Gewalt, dann müsse die Reißleine gezogen werden. Ansonsten gilt es parallel, Ursachenbekämpfung zu betreiben. Denn die Neigung hin zu Verschwörungstheorien übertrage sich oft aus anderen Lebensbereichen, in denen bereits große Unzufriedenheit herrscht.

Gespräche, Diskussionen und Auseinandersetzungen, die viel Kraft abverlangen. Konfliktberaterin Sonia Grützmacher rät deshalb, sich nicht in jede Argumentation zu stürzen. „Die Gesamtsituation ist für alle anstrengend. Jeder muss selbst wissen, wofür er seinen Energiehaushalt einsetzt und in welche Diskussionen er einsteigt. Ich meide diese inzwischen – weil ich selbst nicht weiß, wo ich da anfangen sollte.“