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Früher MedienkonsumDarf mein Kind mit dem Tablet spielen?

Lesezeit 6 Minuten

Schon die Kleinsten beschäftigen sich gerne mit dem Tablet oder Smartphone.

Sobald meine einjährige Tochter das Tablet erblickt, beginnt sie vor Freude zu kreischen und will es sofort mit beiden Händen schnappen. Es hat eine magische Anziehungskraft auf sie. Genau wie das Smartphone, das sie sofort gebannt anvisiert, wenn es auch nur einmal piept.

Tablets sind begehrte Spielzeuge

Dass sie so scharf ist auf die mobilen digitalen Medien, das überrascht mich keineswegs. Nicht nur, weil sie bunte Bewegung zeigen und damit aus ihrer Sicht Wunder vollbringen können, sondern weil wir die Geräte schließlich jeden Tag benutzen, sie gehören zu unserer Lebensrealität. Sie hat längst verstanden, dass man mit dem Tablet die Oma anrufen und Fotos anschauen kann. Und dass Mama und Papa, auch wenn sie es versuchen zu vermeiden, häufig auf das Smartphone starren. Ich frage mich, wie ich nun am besten reagiere: Tablet und Smartphone vor ihr verstecken oder auf ihre Begeisterung eingehen und ihr sogar ein paar Spiele zeigen?

„SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ ist eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie von Vodafone, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF und TV Spielfilm. Der Medienratgeber für Familien unterstützt Eltern und Erziehende dabei, Kinder im Umgang mit Medien zu stärken.

„Verstecken oder verbieten ist nicht realistisch,“ sagt Medienpädagogin Kristin Langer von der Initiative „Schau hin!, dem Medienratgeber für Familien, „Kinder nehmen die Geräte als begehrtes Spielzeug wahr.“ Eltern sollten für diese Faszination Verständnis haben. „Wenn ganz Kleine gelegentlich mit Smartphones oder Tablets spielen, ist das kein Problem, wenn Inhalte und Dauer kindgerecht sind. Sie sollten sich den Geräten aber freiwillig und selbstbestimmt nähern.“

Kinder beim Umgang mit Medien begleiten

Wann und in welchem Ausmaß kleine Kinder in Kontakt kommen mit Tablets und Smartphones, das hängt natürlich von der Familiensituation ab. Manche Eltern haben das Tablet immer auf dem Couchtisch liegen, andere nicht einmal ein Smartphone zuhause. Allgemeine Altersrichtwerte für die Mediennutzung kleiner Kinder könne man deshalb nicht aufstellen, sagt Kristin Langer. „Wichtig ist, dass Eltern ihre Kinder von Anfang an beim Umgang mit den Geräten begleiten und gemeinsam mit ihnen in diese Welt eintauchen.“

Geräte allein führen nicht zur Reizüberflutung

Aber sind die digitalen Bilder oder das Wischen und Tippen nicht grundsätzlich zu viel zu verarbeiten für ein kleines Kind? „Man kann nicht generell sagen, dass ein Mediengerät zu Reizüberflutung führt. Das kommt immer auf die Inhalte, die Befindlichkeit des Kindes und die Aktivitäten des Tages an“, erklärt Kristin Langer. Wenn es am Tag schon viel Trubel, akustische und visuelle Eindrücke gehabt habe, sei ein Tablet-Spiel mit schnellen Bildfolgen nicht zu empfehlen.

Mediennutzung zeitlich begrenzen

Laut Dr. Christine Feil vom DJI nutzen mehr kleine Kinder die Tablets als angenommen. Sie spielten aber nicht stundenlang, und dann auch meistens mit den Eltern zusammen. In der Kita werden Tablets wenn überhaupt für medienpraktische Arbeit eingesetzt. Das DJI forscht gerade am Projekt „Digitale Medien in der Lebenswelt von Klein- und Vorschulkindern“.

Grundsätzlich kommt es darauf an, wie viel Zeit das Kind mit den digitalen Geräten verbringt. Im Leben der Kleinkinder müsse es vor allem noch viele nicht-medial vermittelte Inhalte geben, die etwas mit Riechen, Schmecken und Fühlen zu tun haben, sagt Langer. Kinder sollten Zeit haben, Dinge mit allen Sinnen zu erleben, also Tiere auch in der Natur zu erfahren, nicht nur auf dem Tablet. „Wichtig ist vor allem, dass die Medienzeit gegenüber anderen Aktivitäten im richtigen Verhältnis steht und reale Erfahrungen nicht durch digitale Welten einfach verdrängt werden.“

Was aber, wenn das Kind ständig nach dem Smartphone grapscht? Bei den ganz Kleinen funktioniert Ablenkung noch gut. Wenn sie etwas anderes sehen, ist das Gerät schnell vergessen. Bei den etwas größeren Kindern sind feste Strukturen empfehlenswert. Eltern sollten klar machen, was Kindern und was Erwachsenen vorbehalten ist, so Medienpädagogin Langer. Dazu gehöre, dem Kind, was die Mediennutzung betrifft, konsequent Grenzen zu setzen. „Verzicht gehört auch auf diesem Gebiet dazu.“ Die Kinder müssen lernen, dass die Mediengeräte nicht immer verfügbar sind, sie sollten sie gezielt und bewusst nutzen.

Kinder-Apps bewusst aussuchen

Und wenn ich mein Kind spielen lasse, wie finde ich die richten Spiele? Eltern können die Interessen des Kindes aufgreifen und die Inhalte danach auswählen, zum Beispiel wenn das Kind Musik oder Tiere besonders mag. „Ein bis zwei Apps reichen für den Anfang“, sagt Dr. Christine Feil vom Deutschen Jugendinstitut, die gerade zum Thema digitale Mediennutzung von Kleinkindern forscht. Da Kinder ohnehin Wiederholungen liebten, gelte die Devise: „weniger, aber ausgewählt Gutes“.

Wo findet man gute Kinder-Apps? Und wie kann man verhindern, dass Kinder schädliche Inhalte sehen? Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Die Auswahl an Kinder-Apps wird immer größer, immer mehr Anbieter nehmen Inhalte für Kleine mit ins Programm. Es ist deshalb wichtig, dass Eltern sich vorher gut über Apps informieren. Kriterien sind zum Beispiel, wie überschaubar die Apps sind oder wie sie akustisch dargeboten werden. Und vor allem sollten sie werbefrei sein. Wenn Werbung aufpoppt, können gerade ganz Kleine sie oft noch nicht wegklicken. Eine umfangreiche Datenbank des DJI oder unabhängige Portale wie Klicktipps.net helfen bei der App-Auswahl für Kinder. Auch „Schau hin“ hat eine Übersicht guter Kinder-Apps zusammengestellt.

Eltern sollten ihre Geräte sichern

Viele Apps sind kostenlos. Erweiterungen und neue Funktionen kosten aber meist Geld. Opfer dieser In-App-Verkäufe sind oft Kinder, die neue Apps herunterladen und dabei viel Geld ausgeben. Eltern können vorbeugen und die Kinder im Offline-Modus spielen lassen oder das Gerät so einstellen, dass bei jedem Schritt neu das Passwort eingegeben werden muss.

Grundsätzlich müssten Eltern Hüter über ihre Geräte bleiben. Nur sie sollten Apps herunterladen. Damit verhindere man auch, dass Kinder teure In-App-Verkäufe tätigen, sagt Soziologin Feil. Außerdem sei es ratsam, dass Eltern vorher die Sicherheitseinstellungen ihrer Geräte überprüfen und zum Beispiel verschiedene Nutzerbereiche einrichten. Damit Kinder keinen Zugang zum Internet haben und evtl. verstörende Inhalte zu sehen bekommen. Für ältere Kinder, die gerne kleine Videos anschauen, gebe es sogenannte Video-Apps, in die Eltern gezielt kleine Filmchen oder Bilderbuchgeschichten hineinladen können.

Eltern müssten aber nicht unter Druck geraten, was die Medienausstattung der Kids betrifft. „Ein Kind versäumt nichts, wenn die Eltern nicht mit ihm auf dem Smartphone spielen.“

Kind-Ich-Zeit statt Dauerkommunikation

Wenn es um kontrollierte Mediennutzung geht, sind natürlich wieder wir Eltern Vorbild. Und bei uns hat sich die Dauerkommunikation längst ganz schön im Alltag festgesetzt: Wir schieben den Kinderwagen und tippen nebenher eine Nachricht oder sitzen auf dem Spielplatz und telefonieren. „Wenn Eltern Smartphone oder Tablet ständig nutzen, schließen sie sich aus der Welt der Kinder aus, es bleibt weniger Zeit für bewusste Erlebnisse mit der Familie“, beschreibt es Kristin Langer von „Schau hin!“. Das Kind nehme schon früh wahr, dass die Geräte immer dabei sind. Schöner wäre es stattdessen, dem Kind öfter einmal explizit Zeit zu schenken.

Das kann dann wiederum auch bedeuten, dass man gemeinsam auf dem Tablet spielt: „Wichtig ist, dass Eltern sich mit ihren Kindern beschäftigen,“ fasst Christine Feil am Ende gut zusammen, „dass man zusammen spielt – egal ob das Medium digital ist oder nicht.“

Mehr zum Thema:

Datenbank - Apps für Kinder (vom Deutschen Jugendinstitut)

App-Empfehlungen von „Schau hin!“

Empfehlungen Kinderapps bei Klick-tipps.net

Apps für Kleinkinder – Tipps im Blog Mamaclever

Kinderbuch-Apps

Projekt „Digitale Medien in der Lebenswelt von Klein- und Vorschulkindern“ (DJI)

Kleinkinder und Medien: MiniKIM-Studie 2012

Tipps für den richtigen Umgang mit Smartphone und Tablet (inkl. Sicherheitseinstellungen)