Sieben Fragen an die AnwältinKind kauft virtuelles Heu für 500 Euro – was tun?
Whatsapp, Instagram, Snapchat – Jugendliche bewegen sich heute wie selbstverständlich im Netz und kennen sich im Virtuellen oftmals besser aus als ihre Eltern. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes vernetzt. Da ist es für Eltern oft nicht leicht, das richtige Maß an Vertrauen und Kontrolle zu finden.
Welche Pflichten haben sie da? Haften Eltern auch online für ihre Kinder? Und wie können sie gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder schützen? Wir haben mit Dr. Astrid Auer-Reinsdorff vom Deutschen Anwaltsverein darüber gesprochen.
Jugendliche – und auch schon Kinder – bewegen sich heute wie selbstverständlich im Internet. Für Eltern ist es schwierig, zu durchschauen, was sie da tun. Haben sie denn die Verpflichtung, sie zu kontrollieren?
Astrid Auer-Reinsdorff: Nein, Eltern sind nicht verpflichtet, die Kommunikation lückenlos zu kontrollieren. Selbstverständlich sollten Eltern je nach Alter des Kindes aber mitentscheiden, welche Apps, Kommunikationsangebote und Ähnliches das Kind nutzen darf und ob es überhaupt schon reif genug ist, damit umzugehen.
Eltern sollten sich also in der Tat mit den Einstellungsmöglichkeiten bei Smartphones zur Nutzung von Apps und den Nutzungsbedingungen der verschiedenen Dienste vertraut machen.
Konkreter: Wenn ein elfjähriges Kind ein Smartphone hat, bin ich als Mutter oder Vater dann dazu verpflichtet, die Chats durchzulesen?
Auer-Reinsdorff: Nein. Eltern haben die Rechte der Kinder zu wahren und die Kontrolle sollte viel früher ansetzen, bei der Entscheidung: Wie häufig darf mein Kind die Medien nutzen? Was darf mein Kind nutzen und wie regelmäßig sprechen wir in der Familie über Inhalte und technische Fragen?
Gegebenenfalls kontrollieren sie routinemäßig gemeinsam, zu welchen Chats die Kinder Fragen haben oder was sie bewegt. Natürlich können sie sich auch als Follower mit den Kindern verbinden und im Falle eines Regelverstoßes die Nutzung eines Dienstes unterbinden, sozusagen digitalen Hausarrest erteilen.
Von Trackings-Apps, die manche Eltern zur Kontrolle ihrer Kinder heute einsetzen, halte ich aber nichts. Das verdirbt meines Erachtens aber nur das Vertrauensverhältnis.
Darf ich meinem Kind denn einen Zugang zu einem sozialen Netzwerk verbieten?
Auer-Reinsdorff: Die Nutzungsbedingungen der einzelnen Dienste geben vor, ab welchem Alter diese Verträge mit Minderjährigen anbieten. WhatsApp zum Beispiel darf ab 13 Jahren genutzt werden.
Sind die Kinder jünger und haben sich trotzdem angemeldet, können Eltern beim Anbieter Accounts löschen lassen. Zum Beispiel dann, wenn sie sich bei der Registrierung „älter gemacht haben“. Fraglich ist nur, ob dies das Thema für die Eltern beendet.
Gibt es Schutzmechanismen, die ich beim Handy des Kindes einstellen muss, damit ich nicht haften muss, wenn es Unsinn macht?
Auer-Reinsdorff: Natürlich sollte bei der Ersteinrichtung die Drittanbietersperre eingerichtet werden, um Überraschungen durch die Nutzung von Mehrwertdiensten und Servicerufnummern zu vermeiden. Je jünger das Kind ist, wäre auch zu überlegen, ob es das Smartphone nicht nur zu Hause über das WLAN nutzen sollte.
Eine andere Möglichkeit wäre eine Prepaid-Karte, mit der das Kind zwar erreichbar wäre und kurze Telefonate führen könnte, aber nicht unterwegs surfen oder chatten kann. Das ist altersadäquat zu entscheiden.
Unsere Kinder haben einmal 500 Euro für virtuelles Heu bei einer Bauernhofspiel-App ausgegeben, ohne dass wir es mitbekommen haben. Zum Glück reagierte der Anbieter kulant und wir mussten nicht zahlen. Wie sieht das denn rechtlich aus?
Auer-Reinsdorff: Bei den In-App-Käufen handelt es sich um so genannten Fernabsatz und zumeist sind die Widerrufsbelehrungen nicht ordnungsgemäß, weshalb die Anbieter bei In-App-Käufen in aller Regel ohnehin den Vertrag rückabwickeln müssen.
Aber in der Tat sollten sich Eltern mit den Einstellungen vertraut machen, das heißt In-App-Käufe entweder gar nicht zulassen, auf Guthaben-Karten begrenzen oder im Einzelfall selbst frei geben.
Wichtig ist: Lassen Eltern die Kinder das Eltern-Smartphone nutzen, bei dem alle Altersbegrenzungen und Beschränkungen für Käufe aufgehoben sind, so müssen die Eltern natürlich nachweisen, dass ihre minderjährigen Kinder – und nicht sie selbst – die Käufe getätigt haben.
Geben die Eltern Käufe durch verdeckte Eingabe des Passwortes im Einzelfall für die Kinder frei, sollten sie darauf achten, dass die Einstellungen für das Passwort so gewählt sind, dass es sofort erlischt.
Bei den Standardeinstellungen bleibt das Passwort meist 15 Minuten aktiv und die Kinder freuen sich, dass sie x Portionen Heu, Spielgeld oder Ähnliches durch wiederholtes Klicken kaufen können. Die Eltern sehen dann hoffentlich bald die Abbuchungen auf ihrem App-Account und sollten schnell reagieren.
Wenn ich nun beim Durchschauen des Handys feststelle, dass sich jemand mit meinem Kind geschrieben hat, der mir nicht geheuer ist, wenn zum Beispiel Anzüglichkeiten ausgetauscht wurden. Wie reagiere ich dann als Eltern?
Auer-Reinsdorff: Zunächst sprechen Sie mit dem Kind, woher die Kontaktaufnahme kam. Sie sichern alle Daten und sofern Sie eine Strafverfolgung anstreben wollen, gehen Sie unverzüglich zur Polizei und erstatten Strafanzeige, damit Verbindungsdaten noch greifbar sind.
Dann löschen Sie in Absprache mit dem Kind die Verbindung zu diesem Account und/oder besorgen dem Kind eine neue Telefonnummer, auch wenn es dann alle WhatsApp-Chat-Inhalte verliert. Im Vorfeld sprechen die Eltern besser noch eine goldene Regel aus, dass Kontaktanfragen von Unbekannten nicht frei gegeben werden.
Welche Regeln für Teenager im Umgang mit dem Smartphone halten Sie für sinnvoll, damit die Eltern auf der sicheren Seite sind?
Auer-Reinsdorff: Es gibt einfach keine allgemeingültige Empfehlung für den Umgang und die Nutzung von Smartphones für Teenager. Es kommt einfach darauf an, welche Regeln die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern von Anfang an aufstellen, wie das Nutzungsverhalten in der sozialen Gruppe der Jugendlichen ist und wie die Eltern den ständigen Austausch über Aktivitäten und Inhalte pflegen.