Erzieher, Lehrer, Hebammen erzählenSo schlimm sind Helikopter-Eltern wirklich
Es gibt so Dinge, die glaubt man nicht, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Immer wieder hört man also von so genannten Helikopter-Eltern, die den ganzen Tag sorgend um ihre Kinder kreisen. Aber sind die Erzählungen nicht auch immer ein bisschen übertrieben?
Das fragten sich die Journalistinnen und Autorinnen Lena Greiner und Carola Padtberg – und forderten Hebammen, Erzieher, Lehrer, Ärzte und Kinder auf, von ihren Erfahrungen zu erzählen.
Heraus kam das Buch „Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag“, bei dem man sich wünscht, es sei nur Satire. Es geht um lebensgefährliche Sonneneinstrahlung in der Kita, um Klausuren, die wegen Kindergeburtstagen doch bitte verschoben werden sollen – und um Eltern, die an Kitatüren lauschen.
Wir haben die sieben absurdesten Erzählungen aus dem Buch zusammengetragen. Tatsächlich soll sich das alles genauso zugetragen haben.
Das Ungeborene mit dem Anspruch auf Ästhetik
Eine Hebamme erzählt: „Ich erhielt von einer Erstgebärenden in der 33. Schwangerschaftswoche eine Anfrage zur Nachsorgeuntersuchung. Ich hatte noch Kapazitäten frei und schlug wie üblich vor, einen Kennenlerntermin zu vereinbaren, der von der Krankenkasse bezahlt wird. Ihre Antwort kam zügig: Erst einmal solle ich ein Bild von mir per Mail schicken, denn ihr Kind hätte einen Anspruch auf Ästhetik, und zwar vom ersten Lebtag an. Ich habe der Dame dann mitgeteilt, dass wir uns nicht auf dem Mailänder Laufsteg befinden und abgesagt.“
Das Baby, dem die Ohren zugehalten werden
Die Freundin einer jungen Mutter erzählt: „Bei jedem kleinen Mucks sprang meine Freundin Kati auf und rannte zu ihrer Tochter. Den Thermomix durfte man nicht mehr anstellen – zu laut. Wenn die Kaffeemaschine mahlte, hielt sie trotz einiger Meter Entfernung dem Baby die Ohren zu und flüsterte: „Es ist gleich vorbei.“ Auch Spaziergänge mit dem Kinderwagen lehnte sie ab: „Da rauscht dann ein Auto vorbei, und schon ist sie wach!““
Die Eltern, die an der Kita-Tür lauschen
Eine Kita-Erzieherin erzählt: „Ein Elternpaar hat jeden Tag nach der Verabschiedung minutenlang an der Tür gelauscht oder durchs Schlüsselloch geguckt. Ich war immer sprachlos, dass ihnen das vor den Erziehern oder anderen Eltern nicht peinlich war. Spätestens eine halbe Stunde nach Verlassen der Kita schrieben sie mich per WhatsApp an und baten um Updates inklusive Fotos, auf denen sie das Wohlbefinden ihres Schatzes „erkennen“ könnten.“
Das Kind, das andere treten darf
Eine Kita-Erzieherin erzählt: „In der Abholsituation besprach ich noch etwas mit einer Mutter, die ihren Jungen an der Hand hielt. Der Vierjährige begann nach einer Weile, mir kraftvoll gegen das Schienbein zu treten, während die Mutter völlig ungerührt dabeistand. Als ich sie fragte, warum sie das Kind nicht zurechtweise, erwiderte sie: „Warum? Er hat doch Sie getreten und nicht mich.““
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Ein Schnuller, der vor Bienen schützt
Eine Kita-Erzieherin erzählt: „Ich bekam von einem Elternteil einen Zettel mit Handlungsanweisungen an das Garderobenfach geklebt: „Unter 18,5 Grad Pulli anziehen, ab 22,5 Grad Sonnenschutzoberteil an. Außentemperaturen sind im Schatten zu messen.“ Eine weitere Erzieherin erzählt: „Eine Mutter sagte uns Erziehern, dass ihre anderthalbjährige Tochter bei Ausflügen auf den Spielplatz stets ihren Schnuller benutzen solle. Damit der Kleinen keine Biene in den Mund fliegt.“
Ein Apfel, der das Kind erschlagen könnte
Ein Haus-Besitzer erzählt: „Die Käufer meines Einfamilienhauses haben direkt nach dem Kauf den einzigen Schattenspender im Garten gefällt, einen 50 Jahre alten Apfelbaum. Sie hatten Angst, ihrem Kind könnte im Sommer ein Apfel auf den Kopf fallen.“
Die Kinder, die nur in der Garage spielen dürfen
Ein Nachbar erzählt aus dem Urlaub: „Unsere Nachbarn in Florida hatten ihren acht und zehn Jahre alten Töchtern das Verlassen des Hauses ohne elterliche Aufsicht komplett verboten, weil sie draußen von Alligatoren gefressen werden könnten. Sie mussten in der Garage spielen. Nur freitags zwischen 16 und 18 Uhr durften sie mit ihren Fahrrädern unter elterlicher Aufsicht im Wendehammer vor dem Haus im Kreis fahren, nachdem die Eltern die Einfahrt in diese Sackgasse mit Schildern abgesperrt hatten.
Alle sieben erzählten Fälle entstammen dem Buch: „Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Kind hat Geburtstag“ von Lena Greiner und Carola Padtberg.