Sie sind meistens nur die „Frau" oder „Freundin von" Manuel Neuer/Mario Gomez/Jérôme Boateng. Dabei sind die sogenannten „Spielerfrauen“ viel mehr als hübsche Accessoires am Rande eines spannenden Fußballspiels, die in der Halbzeitpause für ein paar nette Bilder gut sind. Seltsam, dass man das überhaupt betonen muss. Ex-„Spielerfrau“ Dagmar Thiam weiß, wie es sich anfühlt, immer wieder nur als Anhängsel eines berühmten Fußballers abgestempelt zu werden. Sie war bis 2008 mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi Pablo Thiam verheiratet.
„Pablo Thiam mit Saftglas und Freundin“
Die Betriebswirtin, Sportjournalistin und TV-Moderatorin war in dieser Zeit nur noch die Begleiterin von Pablo Thiam. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Unterschied so extrem sein würde“, sagt sie heute. Auf einmal schien ihre eigene Persönlichkeit, ihre eigene Karriere, wie ausgeknipst. „Eine Bildunterschrift in einem Artikel aus dieser Zeit lautete: Pablo Thiam mit Saftglas und Freundin“ , erinnert sie sich. „Darüber habe ich mich sehr geärgert.“
Die Journalistin Christine Eisenbeis hat ähnliche Fälle in ihrem Buch „Im nächsten Leben werde ich Spielerfrau. Ein Phänomen wird abgeschminkt“ beschrieben. Spielerfrauen seien für die meisten „nichts anderes als Beiwerk“, schreibt Eisenbeis. „Etwas, was eben zum Fußballspieler gehört, genauso wie sein tolles, schnelles Auto und sein Geld.“ In einem Interview mit dem Fußball-Magazin „Rund“ zog die Wissenschaftlerin Bilanz: „Ich fürchte, es gibt keine Gruppe von Frauen mit einem schlechteren Image.“
Überhaupt dieses Wort „Spielerfrau“ – wer hat sich das nur ausgedacht? Wir haben uns doch schon lange von der Vorstellung der „Zahnarztgattin oder der Anwaltsehefrau“ verabschiedet, oder nicht? Bastian Schweinsteiger wird am Rande eines Tennisturniers seiner Freundin Ana Ivanovic kaum „Spielerinnenmann“ genannt werden. Und Thomas Müller, der seine Frau, die Dressur-Reiterin Lisa Müller, häufig zu Turnieren begleitet, wird dort immer noch als Fußballnationalspieler wahrgenommen – und nicht nur als Anhängsel seiner Frau.
Thomas Müller: „Meine Frau hat auch ihr eigenes Leben“
Als er in einem Interview mit dem Stern kürzlich gefragt wurde, ob seine Frau ihn denn bei der EM in Frankreich begleiten würde, stellte er klar: „Da müssen wir schauen, ob das zeitlich passt. Ist ja nicht so, dass sie daheim wartet und die Uhr danach stellt, wann sie endlich losfliegen kann. Sie hat auch ihr eigenes Leben“.
„Insgesamt scheinen prominente Paare auch im Fußball heute mehr auf Augenhöhe zu sein, als das vor vielleicht zehn bis 15 Jahren der Fall war“, urteilt die Ex-Spielerfrau Thiam. Der schwedische Nationalspieler Zlatan Ibrahimovic, der für ein großes Ego bekannt ist, sagte erst kürzlich in einem Interview des ZEIT-Magazins, dass er sich mit seiner zehn Jahre älteren Frau alle anfallenden Aufgaben rund um die Familie und den Haushalt „50 zu 50“ teile.
Was für einen Teil der Profi-Fußballer jedenfalls vollkommen selbstverständlich zu sein scheint, ist in der Öffentlichkeit allerdings noch nicht angekommen. Wenn es um Spielerfrauen geht, gibt es immer nur ein einziges Interesse: ihr Aussehen. Tausende Artikel über „die schönsten, heißesten, hübschesten Spielerfrauen der EM“ kursieren im Netz. Was die „Spielerfrauen“ ansonsten so machen? Shoppen, Schminken, Selfies. Glaubt man den diversen Artikeln. Ist das wirklich so?
„So glamourös ist das Leben einer Spielerfrau nicht“
„Die Medien befeuern dieses Image“, sagt Dagmar Thiam, „indem sie diejenigen in den Vordergrund stellen, die aussehen wie Models oder sich dem Klischee entsprechend inszenieren.“ Über alle anderen werde kaum oder fast gar nicht berichtet. Hinzu kommt: „So glamourös ist das Leben einer Spielerfrau nicht. Es ist ja nicht so, dass man ständig von einer Gala zur nächsten schwebt.“ Das Leben der Spielerfrauen sei ansonsten genauso „langweilig oder eben nicht langweilig“ wie das von jedem anderen auch. Die durch den Job des Mannes bedingten häufigen Umzüge machten es zudem nicht unbedingt einfach, soziale Bindungen aufzubauen.
Die moderne Version des Prinzessinnen-Märchens
„Mir kommt es so vor, als sei das unsere moderne Version des Prinzessinnen-Märchens, als suchten wir in den Fußballer-Paaren sozusagen unsere deutschen Royals“, sagt Thiam. „Schöne Frau heiratet prominenten Fußballer mit Geld und beide schwelgen in Luxus“. Einer Spielerfrau werde immer unterstellt, sich ihren Mann nur wegen des Geldes und des Status ausgesucht zu haben. „Da kann man überhaupt nichts dran machen, auch wenn man eine komplett eigene Karriere hat und vollkommen selbstständig ist“, sagt Thiam, die heute als Coach mit psychotherapeutischer Ausbildung in Berlin arbeitet.
Gibt es nicht auch Spielerfrauen, die das Klischee bedienen?
Aber gibt es nicht auch die diejenigen, die das Klischee der schönen Spielerfrau, zu deren Hobbies vor allem Mode und Marken gehören, bedienen – Stichwort: Cathy Hummels? „Ich würde eher sagen, dass einige Spielerfrauen die Aufmerksamkeit der Medien für sich und ihre eigene Sache nutzen“, sagt Thiam. „Das halte ich für vollkommen legitim.“ Umso besser sei es, wenn die Paare sich dann auch gegenseitig stützten. „Mats und Cathy Hummels treten als Einheit auf. Er kritisiert seine Frau nie öffentlich, obwohl sie viel Kritik einstecken musste – das finde ich sehr souverän.“
Mode-Channel oder Menschenrechte?
Was man allerdings durchaus kritisieren könne, findet Thiam, dass viele Spielerfrauen sich dann doch wieder nur vermeintlich typischen Frauenthemen widmen. „Sie haben einen Mode-Channel oder eröffnen einen Schuhladen – das langweilt mich persönlich“, sagt Thiam. Natürlich könne jede machen, was sie wolle und für wichtig halte.
„Aber es wäre doch großartig, wenn eine Spielerfrau mit einem eigenen Beruf für eine gesellschaftlich wichtige Sache wie Menschenrechte oder etwas Ähnliches eintreten würde, am besten für einen Bereich, indem sie auch eine Expertise hat.“ Das wäre dann tatsächlich mehr als ein bisschen Charity-Gepose und ein wenig Weltfrieden-Lächeln. Abwarten, wer weiß, womit uns die sogenannten „Spielerfrauen“ noch überraschen.