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FußfetischWarum stehen manche Männer so sehr auf Füße?

Lesezeit 9 Minuten
Im Internet kursieren zahlreiche Bilder von Frauenfüßen – für die mancher Mann viel Geld ausgibt.

Im Internet kursieren zahlreiche Bilder von Frauenfüßen – für die mancher Mann viel Geld ausgibt.

Füße lösen bei manchen Menschen Ekel aus – und andere sind völlig verrückt nach ihnen. Männer zahlen mitunter sogar für getragene High Heels und Bilder von Frauenfüßen viel Geld.

Coco Mocoe trägt ein Paar Socken meist nur einen Tag, so wie viele andere Menschen auch. Wenn ihr Kunde es will, dann lässt sie sie auch mal drei Tage lang an – mehr aber nicht. „Das wäre mir persönlich schon ein bisschen zu ekelig“, sagt sie und lacht. Coco Mocoe, die eigentlich anders heißt, verkauft online getragene Socken. Wenn sie sie lang genug am Fuß hatte, steckt sie sie in einen Plastikbeutel und entzieht daraus die Luft mit einem Vakuumiergerät. „Damit bleibt der intensive Geruch erhalten“, erzählt sie. So mögen es ihre Kunden.

Getragene Socken sind nicht die einzigen Artikel im Portfolio der Österreicherin. Auf der Plattform Feeterie verkauft sie auch Fußbilder und Videos – wahlweise aufgenommen in der eigenen Wohnung oder auf der Sonnenliege im Urlaub. Ihre Preise dafür variieren zwischen 40 und 65 Euro. Für sogenannte Kreativanfragen verlangt sie mehr, laut Website um die 100 Euro. „Meine Kunden können mir bei diesem Angebot individuell sagen, was sie sehen möchten, was ich mit meinen Füßen machen soll“, sagt Mocoe, die nach eigenen Angaben Ende 20 ist. Einer ihrer Stammkunden ist dabei stets sehr spezifisch: Einmal sollte sie mit ihren nackten Füßen an einem Luftballon reiben. „Er findet das Geräusch ganz reizend“, sagt sie.

Das Material rund um ihre Füße geht nicht etwa an Wissenschaftler, die zu Bakterien an getragenen Socken forschen. Die Käufer sind Männer, die auf Frauenfüße stehen. Ihre Vorlieben sind dabei ganz individuell: Manche finden getragene High Heels attraktiv, andere wollen lackierte Fußnägel und glänzende Füße nach der Pediküre sehen. Was nach einer sexuellen Nischenvorliebe klingt, ist im Internet ein gefragter Markt.

Füße sind ein vergleichsweise häufiger Fetisch

Sexuelle Vorlieben sind sehr individuell, manche jedoch deutlich häufiger verbreitet als andere. Die meisten heterosexuellen Männer würden in einer Befragung angeben, dass sie den Po und die Brüste einer Frau attraktiv finden. Fesselspiele beim Sex sprechen im Vergleich weniger Menschen an – genauso wie Füße. Immerhin gaben aber 10 Prozent der 1000 befragten Teilnehmenden zwischen 18 und 65 Jahren in einer belgischen Onlinebefragung an, sich von Füßen sexuell angezogen zu fühlen. Der US-amerikanische Sozialpsychologe Justin Lehmiller konnte in einer Umfrage unter 4175 Menschen für sein Buch „Tell Me What You Want“ sogar einen höheren Anteil feststellen. „Ich habe herausgefunden, dass einer von sieben Erwachsenen schon mal eine sexuelle Fantasie hatte, in der Füße oder Zehen eine prominente Rolle gespielt haben“, sagt er. „Das heißt natürlich aber nicht, dass sie alle einen Fetisch haben.“

Tatsächlich spricht man im medizinischen Sinne erst dann von einem Fetisch, wenn „unbelebte Objekte als Stimuli für die sexuelle Erregung und zur sexuellen Befriedigung“ gebraucht werden. So definiert es die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD) der Weltgesundheitsorganisation. Ferner könne ein Fetisch demnach nur dann als psychische Störung diagnostiziert werden, wenn er für die sexuelle Befriedigung unerlässlich sei oder die wichtigste Quelle dafür darstelle. Auf manche Fußliebhaber trifft das zwar zu, für andere Menschen sind Füße nur eine weitere sexuelle Vorliebe. Aber eben eine vergleichsweise beliebte Vorliebe.

Bestnote für die Füße von „Barbie“-Schauspielerin Margot Robbie

„Fetische existieren grundsätzlich nur am Rande, aber sie sind in den vergangenen Jahren mehr Mainstream geworden“, sagt Lehmiller. Vor allem das Internet habe ein Bewusstsein für Kinks geschaffen, also für alternative sexuelle Vorlieben. Das wundert nicht: Denn hier können Menschen ihre Fantasien weitgehend wertfrei und vielseitig ausleben. Auf Reddit zählt die Community r/feetpics aktuell über 400.000 Mitglieder. Und auf der Website Wikifeet posten Menschen unzählige Bilder von den Füßen prominenter Frauen – und bewerten diese. „Barbie“-Schauspielerin Margot Robbie bekommt für ihre Füße fünf von fünf Sternen, Kamala Harris immerhin vier von fünf.

Zusätzlich zu diesen kostenlosen Websites finden Menschen mit einem Faible für Füße im Netz auch kostenpflichtige Plattformen für exklusiven Content. Eine von ihnen ist Feeterie. Sie wurde 2020 von drei BWL-Studenten aus Österreich gegründet, unter anderem von Tobias M. – der Geschäftsführer des Start-Ups Neolime, zu dem Feeterie gehört. „Freundinnen haben uns in Gesprächen immer wieder erzählt, wie sie online Kleidung verkauften und dabei immer wieder von Männern nach getragenen Socken oder Stiefeln gefragt wurden“, sagt Tobias M., der seinen Nachnamen nicht in diesem Artikel lesen möchte. So entstand die Idee für Feeterie.

Tobias M. zufolge zählt die Plattform aktuell 7500 aktive Verkäuferinnen und zwischen 125.000 und 150.000 Käufer. „Wir haben zum Beispiel durch Videos auf Youtube und Tiktok und die Berichterstattung über die Jahre immer mehr Bekanntheit erreicht“, sagt der Geschäftsführer. Gerade auf Tiktok berichten immer wieder Frauen, dass sie mit Fußbildern viel Geld verdienen. Der Vorteil: Manche können dabei anonym bleiben. Coco Mocoe zeigt beispielsweise nie ihr Gesicht. Doch wie viel Geld verdient man damit wirklich?

Fußbilder und getragene Schuhe als Nebenverdienst

In guten Monaten verdient Coco Mocoe nach eigenen Angaben zwischen 700 und 1100 Euro vor Abzug von Steuern. In den vergangenen Monaten sei sie jedoch mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, deswegen sei ihr Verdienst auf Feeterie geringer ausgefallen. Hauptberuflich mache sie das Geschäft mit ihren Füßen ohnehin nicht.

Trotzdem darf man davon ausgehen, dass Mocoe zu den Besserverdienenden der Plattform gehört. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Tobias M. das Gespräch mit ihr vermittelt hat. Der Österreicher gibt das Durchschnittseinkommen einer Verkäuferin mit aktuell etwa 400 bis 500 Euro brutto monatlich an. Transaktionskosten gebe es für Verkäuferinnen nicht, jedoch verlangt Feeterie für eine Mitgliedschaft einmalig 34,99 Euro. „90 Prozent der Verkäufer haben binnen drei Monaten dieses Geld wieder raus“, sagt Tobias M.

Das große Geld verdienen die meisten auf Feeterie also nicht, für Verkäuferinnen wie Mocoe ist es aber ein netter Nebenverdienst. Auch sie kann nach regelmäßigem Austausch mit anderen Anbieterinnen bestätigen, dass sie zu den erfolgreicheren Verkäuferinnen gehört. „Ich mache das schon sehr lange und habe schon einige Stammkunden“, sagt sie. Einer der wichtigsten Faktoren sei, regelmäßig neue Angebote zu posten. So sei die Wahrscheinlichkeit höher, auf Feeterie gefunden zu werden. „Das Problem bei anderen ist oft auch, dass ihre Füße nicht wirklich gepflegt aussehen. Es gibt zwar Männer, die zum Beispiel auf schmutzige Füße stehen – aber die meisten möchten schöne, weibliche und gepflegte Füße sehen“, sagt Mocoe.

Eine Folge von Epidemien? Wie Fußfetische entstehen

Die Österreicherin sagt, dass ihre Kunden sie genau dafür schätzen: für ihre schmalen, weiblich aussehenden Füße. Warum manche Männer dieses Körperteil überhaupt sexuell anziehend finden, ist bislang noch unklar. In der Wissenschaft gibt es für die Vorliebe für Füße einige Erklärungsansätze. Fußfetischismus sei wahrscheinlich ein erlerntes Verhalten, sagt Psychologe Lehmiller. „Dafür spricht, dass es Forschenden unter Anwendung des Prinzips der klassischen Konditionierung gelungen ist, Probanden dahingehend zu konditionieren, Bilder von Schuhen und Stiefeln sexuell erregend zu empfinden, nachdem sie ihnen diese Fotos mehrfach in Zusammenhang mit Nacktbildern gezeigt haben.“

Die Sexualisierung von Frauenfüßen könnte dem Forscher zufolge somit in Teilen die vergleichsweise häufige Vorliebe für Füße unter Männern erklären. Frauenfüße werden in Film, Fernsehen und Werbung oft in High Heels oder auch bestimmten Sandalen dargestellt. Auch gepflegte Füße mit lackierten Fußnägeln gelten als Ideal. „Unsere Kultur hilft dabei, eine Assoziation zwischen Füßen und Sex Appeal herzustellen, zumindest bei Frauenfüßen“, sagt Lehmiller. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum nur sehr wenige heterosexuelle Frauen Füße sexuell anziehend finden: Männerfüße werden medial nicht sexualisiert und wenn überhaupt als ekelig dargestellt. „Das erklärt jedoch nicht, warum so viele schwule Männer einen Fußfetisch haben“, sagt Lehmiller.

Der indische Neurowissenschaftler Vilayanur Ramachandran hat dafür auch keine Erklärung, vermutet aber, dass die Ursache für Fußfetischismus auch im Gehirn liegen könnte. Demnach sei der Teil des Gehirns, der das Empfinden der Füße verarbeitet, mit dem Teil benachbart, der die Stimulation der Genitalien wahrnimmt. Das könnte ihm zufolge erklären, dass manche Menschen eine Verbindung zwischen Füßen und sexueller Erregung haben.

Eine Studie zum Thema Fußfetischismus aus dem Jahr 1998 fand zudem einen möglichen Zusammenhang zwischen Fußfetischismus und Epidemien. Demnach gab es im Zuge der Aids-Epidemie eine Zunahme an pornografischen Material, in denen Frauenfüße sexualisiert wurden. Die Forschenden vermuten, dass sexuelle Fußspiele in Zeiten sexuell übertragbarer Krankheiten als sichere Alternative zu penetrativem Sex wahrgenommen wurden – und somit an Beliebtheit gewannen.

Food Crushing: Essen mit den Füßen zerquetschen

Coco Mocoe hat selbst keinen Fußfetisch, kann aber verstehen, warum manche Männer Frauenfüße attraktiv finden. „Es ist ja auch eine schöne Art der Zuneigung, wenn ein Mann zum Beispiel die Füße der Partnerin massiert“, sagt sie. Was sie dagegen nicht nachvollziehen kann: Männer, die darauf stehen, wenn Frauen mit ihren Füßen Insekten oder Essen zertreten. Food Crushing nennt sich letzteres, das auch auf Tiktok zahlreiche Interessenten findet. „Vielleicht haben manche Männer dieses Bild der Domina im Kopf, die so etwas wertvolles wie Essen mit ihren Füßen oder High Heels zertritt“, vermutet Mocoe. Kein Verständnis habe sie dafür, Tiere oder Insekten damit zu quälen. „Da ziehe ich bei mir eine strenge Grenze.“

Fetische sind multisensorisch, erklärt Psychologe Lehmiller. Deswegen stehen manche Männer etwa eher auf den Geruch von getragenen Sandalen, einige auf das Geräusch von durch High Heels zerquetschtem Essen, wieder andere auf den bloßen Anblick nackter Füße – oder auf eine Kombination aus allem. Das interessante an diesem Fetisch ist, dass all das bei vielen Menschen genau das Gegenteil, nämlich Ekel auslöst. Dadurch stößt Fußfetischismus oft auf Unverständnis, Männer werden durch ihre Vorliebe für Füße stigmatisiert. Das alles kann Folgen für ihr Sexleben haben.

„Unterschiedliche Vorlieben gehören zur Sexualität dazu“

„Scham und Stigma rund um Fußfetische kann dazu führen, dass viele Fetischisten ihre Interessen geheim halten“, sagt Lehmiller. „Diese Geheimhaltung kann sie davon abhalten, gesunde sexuelle und romantische Beziehungen zu führen, weil sie ihr wahres Ich verstecken müssen.“ Medien und Social Media hätten ein Bewusstsein für das weit verbreitete „Kink Shaming“ geschaffen. „Dadurch haben Menschen realisiert, dass andere erotische Interessen nicht gleich ungesund oder problematisch sind, nur weil sie sich von ihren unterscheiden“, sagt Lehmiller. Auch Tobias M. stellt eine zunehmende Akzeptanz für Fußfetische fest. „Die Enttabuisierung hat viel mehr Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt, wodurch auch die Nachfrage nach Content rund um Füße gestiegen ist“, sagt er.

Für viele Männer sind Füße jedoch nicht das einzige Körperteil, das sie an Frauen attraktiv finden – sondern nur ein weiteres. Das merkt Mocoe auch an manchen Anfragen. „Wenn ich Lust habe und die Anfrage freundlich und angenehm formuliert ist, zeige ich auf Fußbildern auch mal ein Stück meiner Brust oder meines Pos“, sagt sie. Derartige Anfragen seien jedoch selten. Schließlich können Männer ihre Vorliebe für Brüste und Pos für gewöhnlich auch in ihrem Sexleben ausleben. Fußfetischisten haben es aufgrund von Scham und Stigmatisierung dagegen oft schwer. Obgleich Coco Mocoe nicht jede Anfrage ihrer Kunden nachvollziehen kann, findet sie ihre Vorlieben nicht schlimm: „Es ist genauso viel Wert, auf Füße zu stehen, wie auf den Po oder die Brüste. Unterschiedliche Vorlieben gehören zur Sexualität dazu.“