Vielleicht betrügt sie mich ja doch? Wenn in der Beziehung das Vertrauen fehlt, greifen manche Menschen heimlich zum Smartphone ihres Partners. Ein Betroffener erzählt – und kennt beide Seiten.
„Schmerzhafte Dinge gesehen“Jede vierte Person liest heimlich Chats des Partners – Ein Betroffener erzählt
„Chatverläufe habe ich komplett hochgescrollt, Bildergalerien durchforstet, die Browser-Historie angeschaut.“ – Thomas* war 17, als er mit seiner ersten Freundin Maria* zusammenkam. Knapp zwei Jahre lang waren die beiden glücklich, doch dann verliebte sie sich in einen anderen Mann und betrog ihn, die Beziehung ging in die Brüche.
„Ich bin ihr hinterhergelaufen“, erzählt Thomas. Loslassen konnte er Maria nicht. Schließlich kamen sie, zunächst locker, wieder zusammen. „Sie meinte dann, das Betrügen sei ein Fehler gewesen.“ Zuerst habe Thomas ihr geglaubt, doch dann kamen die Zweifel. „Es gab Anzeichen, dass sie den anderen doch noch toll findet.“ Er wollte Gewissheit und linste Maria über die Schulter, als sie ihre PIN ins Handy tippte. Als sie kurz die Wohnung verließ und ihr Handy neben Thomas liegen ließ, griff er mit klopfendem Herzen danach.
„Ich habe sehr schmerzhafte Dinge gesehen – Fotos und Chatverläufe“
Was er fand, bestätigte seinen Verdacht: „Ich habe sehr schmerzhafte Dinge gesehen – Fotos und Chatverläufe.“ Er konfrontierte Maria, aber zog keinen Schlussstrich. Schließlich kamen sie wieder fest zusammen, und blieben es, bis Thomas 23 war. Doch das Vertrauen war weg. Ein bis zweimal im Monat schaute er durch ihr Smartphone.
Schuldgefühle hatte er dabei kaum, sagt Thomas. „Es war Überwindung dabei, als ich das zum ersten Mal gemacht habe. Aber später hatte ich keine Hemmungen mehr. Weil ich es vor mir selbst legitimiert habe: Ich bin ja im Recht, ich wurde ja verletzt.“
Welche Gefühle stecken dahinter?
Lisa Fischbach kennt diesen Gedankengang, doch sie findet klare Worte: „Eifersuchtsgefühle kann man haben, die kann man auch besprechen. Aber das ist keine Legitimation“, sagt die Psychologin. Für das Datingportal Elitepartner leitete sie eine Studie, die dem RND vorliegt. Diese zeigt: Jede vierte Person hat schon einmal heimlich Chatnachrichten ihres Partners oder ihrer Partnerin gelesen. „Smartphone-Spionage ist in der Liebe verbreiteter, als viele glauben“, heißt es in der Studie. „Wir waren schon erstaunt über die hohen Zahlen“, sagt Lisa Fischbach.
Welche Gefühle stecken hinter dem Spionieren? „Das Bedürfnis, diese Grenze zu überschreiten, hat ganz viel damit zu tun, Kontrolle zu erlangen“, erklärt Fischbach. „Es ist selten reine Neugier.“ Vielmehr stecke Unsicherheit dahinter. „Und meistens ein Gefühl von Eifersucht oder Verdacht.“
Auch bei Thomas sei der Grund Misstrauen gewesen. In anderen Beziehungen, in denen er seiner Partnerin vertraut hat, habe er nie den Drang gehabt, ihre Chatverläufe zu lesen, erzählt er. Doch die Partnerschaft mit Maria sei nicht gesund gewesen. Hinzu kamen Selbstzweifel. „Ich hatte kein großes Selbstbewusstsein.“
Thomas wollte vor Maria nicht zugeben, dass er ihr Handy mehrmals durchsucht hatte. Deshalb sprach er sie nie auf das an, was er fand – und es kam nie zu produktiven Diskussionen. „Es war schon ziemlich dumm. Es hat mir nie etwas gebracht“, sagt er rückblickend. „Es war nur die Bestätigung für das, was ich eh schon wusste.“
Wie eine Beziehung diese Grenzüberschreitung überstehen kann
„Es ist selten, dass derjenige, der es getan hat, es dann gesteht“, weiß Lisa Fischbach aus der Praxis. Doch genau das sei ein wichtiger Schritt, um den Vertrauensbruch zu kitten. „Ob eine Beziehung das überlebt, hängt von einsichtigem Verhalten ab. Es geht um das Eingestehen des Fehlverhaltens. Und darum, klar zu benennen: Ich habe einen Fehler gemacht, ich habe eine Grenze überschritten.“
Eine glaubwürdige Entschuldigung mache viel aus. „Auch wenn man tatsächlich etwas entdeckt hat, das unschön ist.“ Danach sei es wichtig, die darunterliegenden Probleme in der Beziehung zu klären.
„Dann habe ich sie dort stehen sehen, mit meinem Handy in der Hand“
Zeitsprung: Jahre später steht Thomas mit einem vagen Verdacht vom Sofa beim Filmabend mit Freunden auf. Seine jetzige Freundin Franziska* war vor einer Weile in der Küche verschwunden. „So lang dauert es nicht, ein neues Getränk zu holen“, habe er sich damals gedacht. In der Küche lag sein Handy. „Ich bin leise in die Küche gekommen, um zu schauen, was sie macht. Dann habe ich sie dort stehen sehen, mit meinem Handy in der Hand. Sie hat sich fürchterlich erschrocken, hat das Handy fast fallengelassen. Hat gestammelt, dass sie etwas nachschauen wollte.“
Er sei geschockt gewesen und habe nicht gewusst, wie er reagieren sollte. „Da war ein flaues Gefühl. Ich habe es gar nicht angesprochen. Ich habe mir etwas zu trinken geholt und wir sind zurück ins Wohnzimmer.“ Später habe er sein Handy überprüft. „Die Fotogalerie war geöffnet, und Whatsapp. Ein Chatverlauf war komplett hochgescrollt, bis zum Anfang. Es war der Chatverlauf mit einer Arbeitskollegin.“
„Ab diesem Zeitpunkt habe ich meinen Code geändert“
Wieder habe er nicht gewusst, wie er mit der Situation umgehen soll. „Als wir dann nach Hause gefahren sind, habe ich versucht, verständnisvoll mit ihr zu sprechen.“ Er habe Franziska angeboten, alle Fragen zu beantworten oder ihr freiwillig Chatverläufe zu zeigen und gehofft, dass dieser Vorfall einmalig war.
„Es hat aber nicht lange gedauert, da habe ich sie ein zweites Mal erwischt. Da war ich wütender.“ Er habe Franziska sein Smartphone aus der Hand gerissen. „Ab diesem Zeitpunkt habe ich meinen Code geändert. Aber irgendwie hat sie wohl aus dem Augenwinkel gesehen, wie ich ihn eingegeben habe.“ Mehrmals schaute sie in der Folge durch sein Handy, löschte manchmal sogar Bilder, auf denen andere Frauen zu sehen waren. Warum Franziska ihm so sehr misstraute, verstand Thomas nicht. „Ich habe in meiner letzten Beziehung nichts getan, was Anlass gegeben hätte, dass man mir nicht glauben kann“, erinnert er sich. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich an ihrer Treue zweifeln müsste. Und ich habe gedacht, ich gebe ihr dasselbe Gefühl.“
Wie Paare ihre Beziehung vor Smartphone-Spionage schützen können
Lisa Fischbach kennt dieses Muster und spricht von „chronischem Misstrauen“. „Damit hat der Partner vielleicht gar nichts zu tun, sondern die Person hat schlechte Erfahrungen gemacht“, beschreibt es die Psychologin. In jedem Fall empfiehlt Fischbach, fehlendes Vertrauen offen anzusprechen. Im besten Fall schon, bevor es zu einer Grenzüberschreitung kommt.
Wer verhindern möchte, selbst in Versuchung zu geraten oder Opfer von Smartphone-Spionage zu werden, sollte in Beziehungsarbeit investieren. „Paare sollten frühzeitig kleine Unstimmigkeiten ansprechen“, sagt Fischbach. „Meistens verlieren Paare in schwierigen Phasen die Offenheit und Ehrlichkeit miteinander. Deswegen gehe es darum, in guten Zeiten Beziehungspflege zu betreiben, sich hinzusetzen und zu sagen: ‚Wie geht es uns miteinander? Wie empfinden wir unser Beziehungsleben?‘“
Das Wichtigste sei, in Kontakt zu bleiben. „Das kann man zu einem schönen Ritual machen, bei einem Spaziergang oder beim Kochen.“ Reden, bevor das Thema zu groß wird, empfiehlt Fischbach. „Paare können sehr viel bewirken, indem sie über ihre Empfindungen, ihren Kummer und ihr Misstrauen sprechen, anstatt in die Heimlichkeit zu gehen.“
Außerdem seien klare Absprachen zu Privatsphäre und zu Grenzen wichtig. „Was heißt es, wenn ich mit meinem Partner die PIN teile? Ist das nur für den Notfall oder ist es dadurch insgesamt erlaubt, ins Handy zu schauen?“
„Ich würde eine krassere Grenze ziehen“
Thomas entwickelte damals paranoide Züge. Sein Handy ließ er nirgendwo mehr liegen. Franziskas Eifersucht machte ihm weiter zu schaffen. „Am Anfang versöhnten wir uns schnell wieder“, erinnert er sich. „Aber je öfter das gleiche Thema aufkam, desto größer wurde der Graben zwischen uns.“ Schließlich beendete er die Beziehung, nach mehr als vier Jahren. „Ich hätte mich viel früher trennen sollen“, sagt er heute.
Wenn er jetzt seine Partnerin dabei erwischen würde, wie sie heimlich seine Nachrichten liest, würde er anders reagieren, sagt Thomas heute. Er würde eine „krassere Grenze ziehen, vielleicht sogar ein Ultimatum setzen und es als Trennungsgrund sehen“. Die Denkweise hinter dem Schnüffeln sei toxisch, sagt er rückblickend. „Es steckt ein gewisses Misstrauen dahinter. Eine Eifersucht. Und die Neigung, Dinge nicht anzusprechen, wenn sie einen stören. Und die Vermutung, dass jemand lügt.“
*Alle Namen geändert.