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In HarmonieSo überstehen Sie die Corona-Krise, ohne mit den Kindern zu schimpfen

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Eltern müssen jetzt alles auf einmal bewerkstelligen. Das führt zu Frust und Überlastung. Das bekommen oft die Kinder zu spüren. 

  1. Zwischen Homeoffice und Hausaufgaben stehen Eltern gerade enorm unter Druck. Das bekommen oft die Kinder zu spüren.
  2. Wie kommt man durch diese Zeit, ohne zu schimpfen? Indem wir uns entstressen und den Frust raus lassen, sagt Nicola Schmidt.
  3. Auch Bewegung hilft enorm. Im Interview gibt Nicola Schmidt weitere konkrete Tipps, wie Eltern jetzt am besten mit ihren Kindern umgehen sollten.

Köln – Homeoffice, Hausaufgaben, keine Hobbies, keine Freunde. Die Zeit der Kontaktsperre ist für Familien eine große Herausforderung. Viele Erwachsene haben zudem Existenzangst. Eltern stehen gerade enorm unter Druck. Darunter leiden auch die Kinder.

Nicola Schmidt ist zweifache Mutter, Autorin, Diplom-Politologin, Wissenschaftsjournalistin, ausgebildeter Coach sowie Gründerin und Geschäftsführerin des artgerecht-Projektes. Sie hat unter anderem den Bestseller „Erziehen ohne Schimpfen“ geschrieben. Im Interview erklärt sie, wie man jetzt in der Corona-Krise ohne zu schimpfen durch die schwierige Zeit zuhause kommt.

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Frau Schmidt, die Kernaussage in Ihrem Buch „Erziehen ohne Schimpfen“ lautet, dass Eltern mit ihren Kindern schimpfen, weil sie selbst gestresst sind. Die Zeit jetzt bringt noch mehr Stress: Überforderung zuhause, Angst um die Gesundheit, Angst um den Arbeitsplatz. Wie kann man in dieser Situation Stress vermeiden? Nicola Schmidt: Das wichtigste ist, dass wir uns nicht selbst noch mehr unter Druck setzen. Wenn wir versuchen, jetzt in dieser Zeit, in der alle zuhause sind, genauso produktiv weiter zu arbeiten wie vorher, alle Vorgaben der Schule zu erfüllen und jeden Tag dreimal für vier oder mehr Personen lecker zu kochen, dann werden wir ja verrückt. Meine Familie und ich haben beschlossen, dass wir es langsam angehen lassen. Wenn die Kinder also nicht alle Matheblätter schaffen, wird mir kein Zacken aus der Krone fallen. Es macht aus meiner Sicht wenig Sinn, die Kinder fünf Wochen lang jeden Tag anzumotzen, nur damit sie alle Aufgaben schaffen. Wir arbeiten jeden Tag und dann geht es eben Stück für Stück. Genauso versuchen wir, das Kochen einfach zu halten, machen also Suppen oder kochen für mehrere Tage vor. Wer es sich leisten kann, kann auch seine lokalen Restaurants unterstützen und dort Essen holen! Die freuen sich über die Solidarität. Und was das Aufräumen angeht: Auch da lassen wir gerade fünfe gerade sein…

Das Chaos um einen herum auszuhalten, ist aber gerade dann schwierig, wenn man die ganze Zeit zuhause ist und dort auch noch arbeiten soll. Nicola Schmidt: Ja, das ist ein normaler psychologischer Effekt. Wenn draußen alles chaotisch ist, wünscht sich unsere Psyche wenigstens im direkten Umfeld Klarheit und Ordnung. Aber das kann dazu führen, dass wir uns und unsere Familie total stressen. Es ist viel klüger, mir einzugestehen, dass ich ein Thema mit dem Kontrollverlust habe. Dann kann ich mich mit diesem Thema beschäftigen, statt wütend hinter den Kindern herzuputzen.

Sie empfehlen Eltern, regelmäßig in sich hineinzuhören und sich zu fragen, wie es ihnen gerade geht, damit sich nicht zu viel Stress anstaut, den man dann später an den Kindern auslässt. Das ist aber jetzt umso schwieriger, weil gewohnte Strukturen und Tagesabläufe wegbrechen. Wie schafft man das trotzdem? Nicola Schmidt: In Situationen wie jetzt werden unsere Urängste getriggert. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, diese Ängste anzuschauen und zu sagen: „Ja, ich habe Angst. Ja, ich bin traurig. Ja, ich bin frustriert.“ Seien wir ehrlich: Unsere Pläne für Wochen und Monate in voraus sind über den Haufen geworfen worden. Das ist frustrierend. In unserer Familie haben wir festgestellt, dass die Stimmung an dem Tag besser wurde, an dem wir uns eingestanden haben, dass wir wirklich gefrustet sind.

Über abgesagte Urlaube, Klassenfahrten und Ferien?Nicola Schmidt: Ja genau. Urlaube, Klassenfahrten, Ausflüge, Großeltern besuchen, Theaterbesuche, Kino. Wenn ich nur sage: „Naja, ist nicht so schlimm“, dann kocht das in mir weiter. Aber es kocht immer höher, je länger wir in diesem Lockdown sind. Wir gewinnen viel mehr, wenn wir uns zugestehen zu sagen: „Ich trauere darüber, ich schimpfe darüber, und dann lasse ich es los!“

Haben Sie das alle gleichzeitig gemacht, sich also quasi vorgenommen: „Heute trauern wir“ oder nimmt jeder seine Gefühle so wie sie kommen?Nicola Schmidt: Wenn bei Kindern der Frust hochkommt, können wir sagen: „Ja, das ist echt blöd mit deinen Ausflügen. Ich verstehe das, es würde mich auch ärgern!“ Wir können aber auch ganz bewusst sagen: Wie geht es Dir damit? Und dann mal ehrlich drüber sprechen, wie sich das anfühlt

Bei den Kindern äußern sich die schlechten Gefühle nicht immer so deutlich. Man merkt das daran, dass mehr gestritten wird und die Tränen schneller fließen. Die Kinder sind emotional anfällig. Nicola Schmidt: Ja, die Spannung ist derzeit oft sehr hoch, bei Eltern und Kindern gleichermaßen. Es ist extrem wichtig, diese Spannung regelmäßig abzubauen.

Das ist jetzt umso schwieriger, wo man keinen Sport machen und nicht richtig rausgehen kann. Klar kann man mit den Kindern spazieren gehen, aber im Vergleich zu dem, was sie sonst alles machen, ist das nicht genug.

Nicola Schmidt: Spazieren gehen reicht vielen Kindern nicht, außerdem finden Kinder Spazierengehen oft langweilig. Und sie werden einfach nicht müde. Gehen Sie lieber mit den Kindern Fahrradfahren, Inlineskaten oder Skateboarden. Sitzen sie nicht nur zusammen in der Sandkiste, spielen sie auch ruhig mal eine Runde fangen. Kinder brauchen Bewegung und sollten nach Ansicht von Medizinern mindestens dreimal am Tag leicht ins Schwitzen kommen und einmal am Tag ordentlich aus der Puste sein.

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Haben Sie weitere Tipps, um mit den Kindern entspannter durch diese Zeit zu kommen?Nicola Schmidt: Wir alle brauchen eine Tagesstruktur. Man weiß von Schiffbrüchigen und Menschen in Isolation, dass sie besser durch ihre Tage kommen, wenn sie eine feste Struktur etablieren und zum Beispiel Tagebuch schreiben. Das beginnt schon mit Kleinigkeiten, wie, dass wir uns morgens anziehen. Wir machen mit den Kindern vormittags die Schulaufgaben, dann ist das erledigt. Wichtig, vor allem bei kleinen Kindern: Gehen Sie mit den Kindern frühzeitig am Tag raus, nicht erst, wenn alle schon am Rad drehen. Vorher. Seien wir den Kindern einen Schritt voraus, dafür gibt es ein gutes Mantra: „Zeit verlieren, um Zeit zu gewinnen.“ Wenn Sie Zeit verlieren, um mit den Kindern eine halbe Stunde Fahrradfahren zu gehen, gewinnen Sie hinterher zwei Stunden, in denen sich die Kinder nicht in die Wolle kriegen. Wenn ich warte, bis sie sich in die Wolle gekriegt haben, brauche ich anschließend anderthalb Stunden, um wieder Frieden zu schaffen. Wir haben Zuhause jetzt auch regelmäßige Essenszeiten. Und wir haben uns darauf geeinigt, dass die Kinder zu einer festen Zeit ins Bett gehen. Bringen wir die Kinder plötzlich jeden Tag erst um halb 11 ins Bett, fliegt uns das schnell um die Ohren. Wir treffen Absprachen mit den Kindern und sorgen dafür, dass diese Absprachen auch von allen, auch uns Erwachsenen, eingehalten werden. Wir haben hier zum Beispiel ausgemacht, dass die Kinder abends schon mal ins Bett gehen, aber dort noch ein bisschen lesen dürfen und zu einer bestimmten Uhrzeit dann das Licht ausmachen.

Glauben Sie, wenn man sich an das alles gewöhnt hat und Struktur gefunden hat, dass man dann vielleicht irgendwann sogar weniger mit den Kindern schimpft, weil man aus diesem Stresstunnel raus ist, in dem man sonst gefangen ist?

Nicola Schmidt: Auf jeden Fall. Wenn wir in der Lage sind, auch das Schöne zu sehen, haben wir viel gewonnen. Wir hier müssen zum Beispiel nicht mehr jeden Morgen alle um 7 durch die Türe sein, sondern können unseren Tag in unserem Rhythmus beginnen – wie herrlich! Wenn es irgendwie möglich ist, tut es uns gut, die positiven Momente zu sehen und wertzuschätzen. Natürlich gibt es vieles, worüber man sich ärgern kann. Aber wird der Tag dann besser, wenn ich vor allem darauf schaue? Es ist meine Entscheidung. Dankbarkeitslisten können den Tag enorm verbessern.

Abgesehen von den kleinen Dingen, sollten wir auch für unsere Gesundheit und unsere Lebensumstände dankbar sein. Das geht gerade manchmal ein bisschen unter, habe ich den Eindruck. Wir sollten eigentlich jeden Tag froh sein, dass wir nur die kleinen Streitereien zuhause und die Umstellung des Tages haben und ansonsten alles in Ordnung ist.Nicola Schmidt: Ja, das ist natürlich schwierig, wenn ich 16 Stunden im Supermarkt schufte oder um meinen Arbeitsplatz bange. Gleichzeitig geht es uns im internationalen Vergleich natürlich gut: Unsere Lieferketten brechen nicht zusammen, wir haben noch ein intaktes Gesundheitssystem und einen Staat, der uns mit Milliardenhilfen zur Seite steht. In anderen Ländern kann es zu viel schlimmeren Verhältnissen kommen. Wenn ich mich beschwere, dass ich nur zum Einkaufen und zum Joggen rausgehen kann, muss ich mir klar machen: Nicola, das sind Erste-Welt-Probleme. Deshalb sage ich mir einmal am Tag: „Ich bin dankbar für…“, „Ich habe Glück weil…“. Ich rate auch davon ab, den ganzen Tag das Radio laufen zu lassen. Es sind zuviel negative Nachrichten für unser Gehirn und unsere Kinder. Wir hören hier zu bestimmten Nachrichten und erklären sie dann hinterher den Kindern.

Haben Sie noch einen abschließenden Tipp, wie man als Familie am besten durch diese Situation kommt?Nicola Schmidt: Wichtig ist, dass wir Eltern jetzt Inseln im Sturm sind und den Kindern Sicherheit vermitteln. Das können wir natürlich nur, wenn wir nicht selbst total unruhig sind . Vielleicht hilft es, wenn wir uns jetzt besonders viel Zeit nehmen, und uns einmal am Tag sagen: „Ich bin sicher. Ich kann mich entspannen. Es fühlt sich dramatisch an, aber es ist nicht dramatisch.“ Die Menschheit hat schon viele Krisen gemeistert. Ich bin sicher: Wir schaffen das!

Also wir als Eltern müssen versuchen, uns zu entspannen?Nicola Schmidt: Klar, wir sind ja die Vorbilder der Kinder. Wenn wir innerlich hochdrehen, egal, wie entspannt wir nach Außen tun, die Kinder merken es. Wir signalisieren dann: Es ist gefährlich – und entsprechend unruhig sind die Kinder. Deshalb klappt es auch nicht, wenn wir denken: Ich bin gestresst, können nicht die Kinder wenigstens ruhig sein? Können Sie nicht. Daher: Bleiben Sie ruhig, erden Sie sich. Sagen Sie ihrem Gehirn immer wieder: „Wir arbeiten dran, wir schaffen es.“ So kommen wir viel besser durch unsere Tage.