Wenn sich ein Paar trennt, geraten die Kinder, aber oft auch die Großeltern in einen Loyalitätskonflikt.
In Sachen LiebeMein Sohn und seine neue Frau haben den Kontakt zu mir abgebrochen

Der Sohn geht nicht mehr ans Telefon und hat den Kontakt abgebrochen. Wie kann man damit umgehen?
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Mein Sohn hat den Kontakt zu mir abgebrochen. Dabei wollte ich nur das Beste, als ich seiner Ex-Frau anbot, die Ferien mit meinem acht Jahre alten Enkel und ihr in unserem Ferienhaus auf Usedom zu verbringen. Insgesamt ist mein Sohn, seit er eine neue Partnerin hat, so hart geworden, hat sich mehr und mehr zurückgezogen. (Elisabeth, 69)
Sie beschreiben eine gefühlsmäßig hoch anspruchsvolle Situation. Ich kann mir vorstellen, wie schmerzlich es für Sie sein muss, keinen Kontakt mehr zu Ihrem Sohn zu haben und damit keine Möglichkeit, sich mit ihm darüber auseinanderzusetzen oder die Situation zu klären. Aber vielleicht schon an dieser Stelle: Ein Kontaktabbruch ist häufig ein Versuch erwachsener Kinder, einen langwährenden Konflikt zu bearbeiten oder gar für sich zu lösen.
Ihr Sohn hat nun also die Chance, sich darüber klar werden, was er will, was er braucht; wie er alte Beziehungsmuster verändern und sich – auch Ihnen gegenüber – neu aufstellen kann. In Patchworkfamilien sind solche Prozesse keine Seltenheit.
Gerne will ich ein paar Punkte beleuchten, die in Ihrem Fall eine Rolle spielen könnten:
Rolle der Eltern als Großeltern bei der Trennung ihrer Kinder
Großeltern leiden häufig mit, wenn sich ihre erwachsenen Kinder trennen. Und nochmal mehr, wenn sie dadurch die Nähe ihres geliebten Enkels zu verlieren drohen. In diesen spannungsreichen Zeiten der Trennung sind Großeltern in der gleichen Position wie die Enkel: Sie müssen miterleben, wie geliebte Menschen einander verletzen. Sie haben keinen Einfluss auf das Geschehen, müssen es aber akzeptieren und damit umgehen lernen.
Hier tun Großeltern gut daran, ein Ruhepol für die Kinder zu sein. Wenn Kinder traurig oder wütend sind, reicht es, ihre Perspektiven mitzufühlen und da zu sein. Dadurch halten sie den Raum für Trauer oder Wut offen. Die Kinder bekommen in dem Hin und Her der Eltern einen Raum für ihre eigenen Emotionen und sind dabei nicht allein. Wichtig ist auch, dass Sie als Großeltern die beiden Elternteile gegenüber den Kindern nicht bewerten und sich nicht einmischen. Wahrscheinlich hat jede Perspektive ihre Berechtigung, aber darum haben sich die Eltern selbst zu kümmern.
Loyalitätskonflikte und Grenzüberschreitungen
Doch häufig ist dieses schwierige, anspruchsvolle Unterfangen nicht nur für die Kinder eine Überforderung. Kinder und Großeltern geraten in Loyalitätskonflikte. Besonders wenn Sie eine gute Beziehung zu Ihrem Enkel haben und seine Überforderung spüren, haben Sie vielleicht den Impuls, ihm zu helfen, indem sie mit für seine Mutter sorgen. Daraus könnte Ihr Urlaubsangebot erwachsen sein. Und schon mischen Sie mit in den „Trennungsspielen“: Sie helfen Ihrer Schwiegertochter, entlasten vielleicht Ihren Enkel in seiner Sorge um die Mutter, verletzen aber damit die Loyalität zu Ihrem Sohn. Diese Grenzüberschreitung, auch wenn Sie mit besten Absichten gehandelt haben, empfindet Ihr Sohn mutmaßlich als starke Einmischung, gar als Verrat, und er quittiert dies nun mit dem Kontaktabbruch. Der Familienhierarchie entsprechend ist Ihr Sohn für Sie der Ansprechpartner, wenn es darum geht, wo, wann und mit wem sein Sohn – Ihr Enkel – Urlaub macht. Wenn Sie es nicht gewohnt waren, mit Ihrem Konflikte zu besprechen, und keine entsprechende Streitkultur entwickelt haben, dann kann eine solche Situation tatsächlich Auslöser für einen Kontaktabbruch sein.
Familienhierarchie
Die Befragung der erwähnten Familienhierarchie kann in komplexen Situationen Sicherheit geben: So gehört die neue Frau an der Seite Ihres Sohnes mit zur „Sohn-Einheit“ und hat damit einen sicheren Platz in Ihrer Familie – neben Ihrem Sohn. Die Ex-Frau, als Mutter Ihres Enkels, hat einen nachgelagerten Platz. Somit ist es gut und richtig, den Kontakt zu ihr aufrechtzuhalten zum Wohle Ihres Enkels. Es sollte dabei aber die neue Partnerin nicht übersprungen oder ignoriert werden.
Ich empfehle Ihnen, sich einmal die Zeit zu nehmen und die Brille der anderen Beteiligten aufzusetzen. Nehmen Sie die Perspektive ihres Sohnes ein. Schreiben Sie dann vielleicht das, was Sie spüren, in einem Brief an Ihren Sohn auf, verbunden mit der Bitte um ein Gespräch.
Es gibt hier oft berührende, verbindende Prozesse, die Sie auch professionell begleiten lassen können. Familienbeziehungen sind oft wie Knoten oder Wollknäuel. Je mehr man daran zieht, desto verworrener werden sie. Aber mit Geduld, Verständnis und Liebe lassen sie sich nach und nach lösen.
Leserfragen
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