Sex, Streit, NotlügenSieben Dinge, die einem keiner erzählt, bevor man Kinder kriegt
Köln – Sind sie nicht süß, die kleinen Racker? Nun ja, schon, aber eben auch nicht immer… In welch absurde Situationen Kinder ihre Eltern im Familienalltag bringen können, darüber hat Andrea Harmonika ein ganzes Buch geschrieben. In „Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne“ (Bastei Lübbe) schreibt die 40-jährige Zweifachmutter auf schreiend-komische und treffend-ehrliche Art vom Sinn und Unsinn in ihrem Leben mit zwei Kindern. Wir dürfen Auszüge daraus veröffentlichen.
Die Notlügen der Kleinen
Das war ich nicht, das war schon so. Die einzige Antwort, die tatsächlich noch weniger Wahrheitsgehalt hat als dieser Satz, ist „gleich“. „Gleich“ ist eine der schlimmsten Lügen. „Gleich“ bedeutet nämlich praktisch „nie“ und ist sozusagen der verbale Mittelfinger Ihres Kindes.
„Wann fängst du mit den Hausaufgaben an?“„Gleich.“
„Wann räumst du dein Zimmer auf?“„Gleich.“
„Hast du mir überhaupt zugehört?“„Gleich.“
Die Peinlichkeiten im öffentlichen Raum
Ach ja, damals. Das waren noch Zeiten. Als Ihnen Ihr Kind bei der Einschlafbegleitung unvermittelt über das Gesicht gestreichelt und „Schlaf schön, Spätzchen“ zugeflüstert hat. Und kaum einen Kopf größer hüpft es plötzlich im Einkaufswagen auf und ab und ruft „Dreh dich, knick dich, fick dich!“ durch den Laden.
Und während Ihnen vor Schreck fast der tradefair Bio-Honig aus der Hand rutscht, studiert das ältere Kind in der Zwischenzeit die Ekelfotos auf Zigarettenschachteln an der Kasse und muss anschließend auf dem Supermarktparkplatz davon abgehalten werden, mit wildfremden Rauchern über blutigen Husten zu diskutieren.
Die ständigen Krankheiten der Kinder
Kennen Sie auch diese Eltern, die ständig um die Köpfe ihrer Kinder kreisen? Um die fiebernden, dauerhustenden Kinderköpfe, die bevorzugt in den frühen Morgenstunden eine Wagenladung Rotaviren in die Besucherritze reiern?
Wenn man nämlich Kinder hat, ist meistens eins krank. Oder alle. Oder schlimmer noch, sie wechseln sich ab und spielen wochenlang Magen-Darm-Ping-Pong, während man nach der fünften Waschmaschinenladung die Betten am liebsten nur noch mit blauen Müllsäcken beziehen möchte.
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Das Sexfenster, das erst einmal nur auf Kipp steht
Vor den Kindern waren wir sexuelle Sonntagsfahrer. Da bummelte man in aller Seelenruhe durch die Landschaft. „Halt doch mal an. Och guck, hier ist es ja auch ganz schön.“
Wenn man aber ein Baby bekommen hat, verwandelt man sich vom herumtrödelnden Sonntagsfahrer in einen Berufspendler. Und der möchte nicht wirklich rechts ranfahren und die Aussicht genießen, sondern vor dem Feierabendstau zu Hause sein. Mit Kind gilt deshalb plötzlich: Keine Umwege, keine Experimente! Der Weg mit dem geringsten Aufwand bei gleichzeitig größtmöglicher Wertschöpfung ist das Ziel.
Also hören Sie auf, kostbare Zeit mit dem Tragen von Unterwäsche oder dem Dimmen von Glühbirnen zu verplempern und lassen Sie um Himmels Willen die Scheiß-Kuschelrock-CD im Schrank. Denn wenn Simon & Garfunkel jetzt Ihr Baby wachplärren, dann stehen die Chancen leider ziemlich gut, dass das Einzige, was als Nächstes irgendwo durchstößt, ein neuer Milchzahn ist.
Die ständigen Streitereien unter Geschwistern
„Der hat mich komisch angeguckt!!!“„Der hat mich zuerst komisch angeguckt!!!“
Sie ahnen ja nicht, wie viele Geschwisterkonflikte Eltern jeden Tag auf der Welt schlichten müssen, bei denen sie nicht einmal ansatzweise kapieren, um was es bei dem Streit überhaupt geht.
„Wie, er hat dich komisch angeguckt?! Du hast ihm seinen Silbenstift durchgebissen, weil er dich komisch angeguckt hat?!“
Dabei dürfte mich das strenggenommen gar nicht überraschen. Immerhin habe ich vor über 30 Jahren schon die gesamte thermoplastische Eulensammlung meines Bruders abgeleckt, weil der in Gegenwart meiner Nachbarsfreundin Melanie behauptet hatte, in meinem Zimmer „riecht's nach Furz“.
Die Risiken und Nebenwirkungen von Sachbüchern
Abgesehen vom sporadischen Gesichtsverlust („Mama, was ist denn eine chemische Bindung?“) werden Eltern immer noch viel zu wenig über die restlichen Risiken und Nebenwirkungen von Kindersachbüchern aufgeklärt.
So müsste beispielsweise dringend darauf hingewiesen werden, dass Bücher wie Wir entdecken unsere Körper Kinder plötzlich auf Körperteile aufmerksam machen, von denen sie eigentlich ihre Finger lassen sollten. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn wenn sich Ihr Kind beim Vorlesen plötzlich den Finger in den Hals steckt um seinen „Halsbommel“ zu suchen, können Sie im Zweifelsfall gar nicht so schnell reagieren, wie es Ihnen im hohen Bogen seine Apfelschorle in den Schoß bricht.
Diagnose: Emotionale Inkontinenz
Seit ich Mutter bin, gibt es für mich ständig was zu heulen. Kinderkriegen weicht nämlich nicht nur den Beckenboden, sondern vor allem auch die Psyche auf. Leider wird man auf Letzteres nicht annähernd so gut vorbereitet, wie auf die Tatsache, dass man sich spätestens nach dem zweiten Kind einen Tampon herausniesen kann. (…) Denn sobald wir Eltern werden, ist nichts mehr vor uns und unserer Knopfdruck-Gerührtheit sicher.
Geburtssendung im Fernsehen? Läuft. Ein Orang-Utan-Baby küsst seine Mutter? Mimimi. Ihr Kind ist auf einem Spaziergang mit der Laugenstange im Mund eingeschlafen? Okay, das ist witzig. Aber sobald Ihnen besagtes Kind seinen ersten „Mama is lip“-Zettel schreibt, können wir für nichts garantieren. Überall lauern sie. Momente, in denen plötzlich kein Auge trocken bleibt. Manchmal kommen sie mit Ankündigung (zum Beispiel im Elternbrief für die Einschulung) oder einfach so ohne Vorwarnung.
Ich habe schon aus heiterem Himmel auf allen Vieren im Hausflur auf ein Kehrblech geheult. Aber nicht, weil ich kurz vorher wie so ein Anfänger die Kinderschuhe umgedreht hatte, sondern weil sich plötzlich beim Gedanken an den letzten mit Sand gefüllten Kinderschuh mein Herz zusammengezogen hat.
Buchtipp:Andrea HarmonikaJedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne: Vom Sinn und Unsinn mit KindernBastei Lübbe, 2018