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Karriere, Kinder, KuchenMüssen wir Mütter so verdammt perfekt sein?

Lesezeit 4 Minuten
Mutter wird von ihren Töchtern geküsst.

Zufriedene Kinder, ein strahlendes Zuhause und Erfolg im Beruf. Alles kein Problem für Superwoman!

Ohne Zweifel, wir Mütter von heute sind Superwoman. Immer am Puls der Zeit, unsere Karriere brummt. Immer auf dem Sprung, um unsere Kleinen zu retten und fördern. Selbstverständlich sehen wir einfach umwerfend aus in unserem selbst genähten sexy Superhelden-Anzug. Und auch zuhause haben wir unsere Superkräfte perfektioniert, als Hüterin eines blitzsauberen Premium-Heimes – Bio-Torte gefällig?

Die Mission gilt: Ja nicht müde werden!

Jetzt nehmen wir Mütter uns etwas zu wichtig? Keineswegs. Schließlich sieht unser Umfeld uns besonders gerne als jene Super-Frauen, die alles perfekt unter einen Hut kriegen. Und vor allem wir selbst wollen uns gerne so haben, steht uns doch gut. Jeden Tag arbeiten wir mit Inbrunst, Idealismus - und ja, ein bisschen mit Wahn - an unserem Image. Und setzen uns dabei ganz schön selbst unter Druck.

Das hat ganz aktuell auch die Forsa-Studie der Zeitschrift Eltern bestätigt: Demnach machen sich die meisten Eltern den Stress selbst, weil sie besonders hohe Ansprüche an sich stellen, was die Erziehung der Kinder betrifft. Mütter haben aber auch das Zerrissensein zwischen Beruf und Familie als Grund genannt. Und sie spüren sie ganz deutlich, die hohen Leistungsanforderungen der Gesellschaft.

Ja, es gilt viel zu vereinbaren und dabei keine Zeit zu verlieren. Denn wir modernen, unabhängigen Frauen von heute sind selbstverständlich berufstätig, wir haben große Ziele. Und betreuen natürlich unsere Kinder, schaufeln so viel „quality time“ wie möglich für sie frei. Aber wir sollen, ja möchten sie nicht nur einfach liebevoll betreuen, sondern auch bestmöglich fördern. Der gesellschaftliche Erziehungsanspruch ist hoch, das beginnt schon bei der Wahl des richtigen Babykurses und endet eigentlich nie.

Weil wir neben dem Beruf für „gezielte Förderung“ wenig Zeit haben, nagt manchmal das schlechte Gewissen an uns. Deshalb versuchen wir, noch so viel wie möglich rauszuholen: Nach der Kita hetzen wir mit dem Kind zum Kunstkurs und starten am Wochenende ausgeklügelte Erlebnisprogramme.

Noch reingestopft: Theater, Yoga, Liebesnacht

Zwischendurch schaffen wir hoffentlich noch ein bisschen Selbstverwirklichung, schließlich wollen wir allen zeigen: als Mama sind wir nicht abgemeldet und langweilig geworden, sondern immer noch am Puls der Zeit. Also schnell noch ins Theater, um mitreden zu können. Auch die Yoga-Stunde (für die Figur!), der Sprachkurs (man muss über den Tellerrand schauen!), Liebesabende (der Partner ist ja auch noch da!) und natürlich Abhängen mit Freunden (Mit mir kann man immer noch Party machen!) haben gefälligst noch reinzupassen. In dieses vollgestopfte Leben.

Wäre da noch der kleine schmutzige Rest Haushalt, der zu allem Überfluss in Gestalt eines ständig erhobenen Zeigefingers über uns schwebt. Auch den gilt es nicht nur ab und zu zu erledigen. Könnte ja jemand kommen, der die Essensreste unter dem Tisch und den Dreckwäschehaufen auf dem Stuhl entdeckt. Viel zu peinlich. Ein Krümelchen könnte das eigene Image beschädigen.

„Auch noch selbst nähen und backen?“

Sollte ich lieber auch noch nähen und backen?

Selbst wenn man es mit der Sauberkeit locker sieht, früher oder später trifft man sie, diese Mütter, die, einfach weil sie es gerne tun, das Heim hegen und pflegen und ganz freiwillig Kinderkleidung nähen, stricken, Gemüse anbauen, Torten backen und leidenschaftlich gerne dekorieren. Dann steht man da und fragt sich, warum mache ich das eigentlich nicht. Sollte ich nicht auch - ein bisschen 50er-Jahre-Hausfrau, ein bisschen Working Mum?

Natürlich geht die Welt nicht unter, wenn das Kind nicht immer selbstgekochtes Bio-Essen auf den Tisch bekommt, seine Hose vom Flohmarkt stammt, wir nicht jedes Geburtstagsgeschenk selbst basteln und das Wohnzimmer einfach nur ein buntes Sammelsurium verschiedener Möbel ist.

Leistung zählt: Könnte ich eine noch bessere Mum sein?

Manchmal fühlt sich das trotzdem ein bisschen wie Versagen an. Schließlich wurden wir in unserer Jugend und im Berufsleben darauf getrimmt, nach Perfektion zu streben und die Dinge nicht nur gut, sondern immer noch besser zu machen. Das Leistungsprinzip macht auch vor der Erziehung nicht Halt. Was, wenn ich doch eine noch bessere Mutter sein könnte?

Wachsame Kritikeraugen gibt es unzählige, die genau beobachten, was wir als Mutter so tun. Unser Umfeld liebt es, zu bewerten und zu kommentieren. „Was, du gibst deinem Kind jetzt schon Kekse?!“ Unsicher geworden von der Keksfrage schauen wir uns selbst dann in Zukunft noch genauer um, was andere Mütter machen. Eigentlich vergleichen wir uns ständig. Weil wir sicher gehen wollen, dass wir es irgendwie richtig machen. Es geht ja schließlich um unsere Kinder!

Irgendwann abends liegt Mrs. Superwoman dann wie tot auf der mit Spielzeug zugemüllten Couch und weiß nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Sie stopft gekauften Kuchen in sich hinein und hat einen Brandfleck auf ihrem Cape entdeckt. Sie beschließt, trotz Image-Verlust, vielleicht ab sofort nicht mehr zu jedem Einsatz zu fliegen.