In der Elternschule „Neue Kölner“ gibt es einen Babykurs für neue Großeltern. Was lernen Omas und Opas dort genau? Ein Besuch.
Kölner Babykurs für Großeltern„Ich bin doch überrascht, wie viel sich in 30 Jahren geändert hat“
„Sie kennen das sicher noch von früher, als das ganze Baby in einer staubigen Wolke Puder verschwunden ist“, sagt Dagmar Stapper. Die Runde nickt sich schmunzelnd und bestätigend zu. „Heute macht man das aber nicht mehr, Baby-Popos werden nicht gepudert und auch nicht mehr wie früher trockengeföhnt – denn das kann bei kleinen Jungs ziemlich gefährlich werden.“ Heiteres Gelächter geht durch die Gruppe – und das nicht zum letzten Mal an diesem Samstag im Babykurs für Großeltern.
Zehn neue oder werdende Omas und vier Opas sind in die Elternschule „Neue Kölner“ am Severinsklösterchen gekommen, um von Hebamme Dagmar Stapper zu erfahren, was heutzutage in Sachen Babypflege und im Umgang mit Säuglingen empfohlen wird. Und schon in den ersten Minuten des Kurses wird deutlich: Was Babythemen betrifft, liegen zwischen „früher“ und „heute“ oft Welten.
Babypflege und Erziehung – in 30 Jahren hat sich viel geändert
So richtig bewusst war das den Teilnehmern zuvor nicht unbedingt. „Als meine Schwiegertochter mich für den Großeltern-Kurs angemeldet hat, fragte ich mich zunächst, was ich da denn lernen soll“, erzählt der 67-jährige Pierre Marleau aus Köln-Weiden, der frisch gebackener Opa des kleinen Felix ist. Schließlich sei er damals, als sein Sohn zur Welt gekommen war, Hausmann gewesen. „Jetzt bin ich aber doch sehr überrascht, wie viel sich geändert hat in 30 Jahren!“
Das findet auch Marion Schilling: „Vor 33 Jahren habe ich mein Kind bekommen – und seither ist vieles anders geworden, ich finde das ganz spannend“, sagt die 64-jährige aus Hürth, die vor drei Monaten ihr erstes Enkelchen Rafael Luis bekommen hat. „Meine Tochter hat mir den Kurs zu Weihnachten geschenkt und ich fand das eine tolle Idee.“
Häufige Konflikte zwischen Eltern und Großeltern
Ein extra Vorbereitungskurs für Großeltern? Das klingt für manche sicher ungewohnt und könnte durchaus auch falsch verstanden werden. „Es soll auf keinen Fall ein Erziehungsdiktat sein“, sagt Dagmar Stapper, „im Gegenteil, wir wollen mit dem Kurs die Großeltern stärken und ihnen neue Dinge nahebringen, damit sie ihre Kinder und Enkel besser unterstützen können.“
Denn trotz guter Vorsätze auf Seiten von Eltern und Großeltern komme es bei der Erziehung der Enkel häufig zu Konflikten. „Ich habe das in den 36 Jahren als Hebamme oft beobachten können“, erinnert sich Stapper, „junge Eltern sind verunsichert, weil die Hebamme das eine sagt, die Oma aber erwidert: ‚wir haben das früher völlig anders gemacht!‘“ Die ungebetenen Ratschläge der Großeltern seien einer der großen Stressfaktoren für junge Eltern. „Hier können wir mit Wissen und Erfahrung eine Brücke zwischen den Generationen schlagen und vieles leichter machen.“
Wichtige Themen sind Schlafen, Stillen und Babypflege
Die Teilnehmer werden dabei gezielt angesprochen. „Zu Beginn des Kurses frage ich die Omas und Opas nach dem Geburtsjahr ihrer Kinder, damit ich weiß, welche Empfehlungen sie bekommen haben“, erklärt sie, „wir sprechen erst über die Methoden, die damals empfohlen wurden, und danach stelle ich die medizinischen Standards von heute vor.“ Die großen Themen sind dabei Schlafen, Stillen und Babypflege. „Ich starte immer mit dem Thema Bonding, dem Bindungsaufbau zum Baby, weil das eine Art Grundlage für viele Bereiche bildet.“ Darüber würde zum Beispiel verständlich, warum man ein Baby heutzutage nicht mehr schreien lasse oder zwinge, im eigenen Bettchen zu schlafen. „Auch bei der Babypflege geht man heute bedürfnisorientiert vor, während man in der Generation der Großeltern ja teilweise noch davon ausgegangen ist, dass Babys wenige eigene Bedürfnisse haben.“
Die nächsten Großelternkurse in der Elternschule „Neue Kölner“ finden am 16.12.2023, am 20.01.2024 und am 16.03.2024 statt. Infos zur Anmeldung gibt es hier.
Die neuen Erkenntnisse anzunehmen, fällt nicht allen Teilnehmern sofort leicht. „Ich merke bei diesen Kursen am Anfang schon manchmal Widerstände“, berichtet Stapper. Gerade beim Thema Schlafen gebe es viele Kontroversen. „Ich fand es anfangs befremdlich, dass der Kleine mit den Eltern im Bett schlafen kann“, erzählt eine Oma in der Runde. Und eine andere gibt zu: „Ich fremdele mit der Aussage, dass Schlafen in Bauchlage nicht mehr empfohlen wird, das war damals total angesagt.“
Keine Kritik an früheren Erziehungsstilen
Kursleiterin Stapper kann diese Irritationen sehr gut verstehen. „Was ich Neues vermittele, wird immer wieder als Angriff auf den eigenen Erziehungsstil gesehen.“ Vor allem die Großmütter sorgten sich, sie hätten damals etwas verkehrt gemacht. „Es ist mir ganz wichtig, dass sich keiner angegriffen fühlt“, sagt die Hebamme, „ich stelle deshalb sofort klar, dass sie vor 30 oder 40 Jahren ihre Kinder mit bestem Wissen und Gewissen versorgt haben, sich Empfehlungen aber eben stetig verändern.“ Fragen und Zweifel werden im Kurs sehr ernst genommen. Trotzdem geht es hier locker und herzlich zu: „Ich weiß, früher war alles anders“, sagt Dagmar Stapper einmal augenzwinkernd, „aber bleiben Sie gelassen und nehmen es mit Humor.“
Geschmunzelt und gestaunt wird hier auch über manches kurioses Detail, zum Beispiel, dass es heute Laserbehandlungen bei wundem Po und Töpfchen für Säuglinge gibt. Selbst bei den ungewöhnlichen Themen wird in der Kursgruppe aber nichts kategorisch abgelehnt, sondern gut zugehört und teils spezifisch nachgefragt. Viele berichten von ihren eigenen Erfahrungen mit den Enkelchen. Und erkennen an, dass vieles besser geworden ist. „Früher wurde nur im stillen Kämmerlein gestillt und über die Babythemen kaum gesprochen, das war schade“, erinnert sich eine Oma. „Wundervoll, was es heute alles gibt für Eltern“, sagt eine andere, „da bekommt man richtig Lust, selbst nochmal ein Kind zu bekommen.“
Kurse für Großeltern sind noch selten, aber stark nachgefragt
Weit verbreitet sind solche Großelternkurse selbst in Großstädten noch nicht. „Aber sie werden immer stärker nachgefragt“, sagt Stapper. Ihr Kurs ist inzwischen über die Kölner Stadtgrenzen hinaus bekannt. „Viele Großeltern kommen dafür sogar aus anderen Städten angereist.“ Wie zum Beispiel Walburga Plester-Buschschlüter, die heute aus Münster da ist. „Unsere Tochter hat mir diesen Kurs vorgeschlagen und ich fand das unglaublich interessant“, sagt die 68-Jährige, die bereits zwei Enkel hat und sich auf das dritte freut. „Ich war Kinderkrankenschwester und hatte bereits Vorwissen, doch es gab trotzdem noch viel Neues zu lernen. Ich würde den Kurs jedem empfehlen.“
Auch Marion Schilling ist begeistert: „Es war eine sehr angenehme, vertrauensvolle Atmosphäre. Und ich fand toll, dass auch Großväter dabei gewesen sind.“ Bei Opa Pierre Marleau kam der Kurs auf jeden Fall gut an: „Es hat mir sehr gefallen, war wirklich informativ und lehrreich.“
Große Lust, mit Leib und Seele Oma und Opa zu sein
Zum Ende des Kurses hat die Hebamme dann noch ein paar praktische Tipps für die Großeltern parat, wie sie ihre Kinder in der ersten Zeit mit Baby gut unterstützen können. Und man spürt, wie motiviert hier alle sind, das auch auszuprobieren und die Rolle als Opa oder Oma voll anzunehmen.
„Ich möchte ein netter ‚Grand-Papa‘ sein, der den Enkeln und Eltern hilft, darauf freue ich mich“, sagt Pierre Marleau. „Ich wünsche mir, dass mein Enkel gerne Zeit mit mir verbringt, viel Vertrauen hat und gerne mit mir kuschelt“, erzählt Marion Schilling. „Nächstes Jahr gehe ich in Pension und würde dann auch gerne mit in die Kinderbetreuung einsteigen.“ Walburga Plester-Buschschlüter kann da bereits aus Erfahrung schwärmen: „Das Schönste am Oma-Sein ist, zu sehen, wie die Kinder die Welt neu entdecken – jeden Grashalm, jeden Stein, jedes Bilderbuch. Das bringt wahnsinnig viel Freude.“