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„Letzte-Hilfe-Kurs”Wie Angehörige lernen, Menschen in den Tod zu begleiten

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Zuhause friedlich sterben, das wünschen sich die meisten. Doch so tritt der Tod viel zu selten ein.

  1. Wer einen alten, immer schwächer werdenden Menschen pflegt, spürt eine riesige Hilflosigkeit.
  2. Dabei wünschen sich die meisten Sterbenden, den letzten Atemzug zu Hause tun zu können.
  3. In einem Kurs können Angehörige lernen, wie sie einen geliebten Menschen bis zu seinem Tod pflegen und ihm beistehen.

Führerscheinanfänger machen einen Erste-Hilfe-Kurs, wissen also ungefähr, was bei einem Unfall oder Herzstillstand zu tun ist. Wer über Monate oder Jahre einen alten, immer schwächer werdenden Menschen pflegt, spürt eine riesige Hilflosigkeit.

Die Angst vor dem Sterben – wann fängt es an, was kann ich tun, wie helfen? – überlagert das fürsorgliche Kümmern wie eine schwarze Wolke. Dabei wünschen sich zwei Drittel der Bundesbürger, den letzten Atemzug zu Hause tun zu können. Was tatsächlich in nur 20 Prozent aller Sterbefälle in Deutschland geschieht.

„Letzte-Hilfe-Kurs” für betroffene Angehörige

Das muss sich ändern, findet nicht nur Notarzt und Palliativmediziner Georg Bollig (51) aus Schleswig. Der Familienvater entwickelte 2015 einen „Letzte-Hilfe-Kurs“, der immer mehr ehrenamtliche Hospizhelfer und betroffene Angehörige stützt, und begeistert.

Für Bollig heißt „Lernen für den letzten Weg“ einander so selbstverständlich wie bei einem Unfall auch auf dem letzten Weg am Lebensende beistehen zu können. Über vier Stunden, an nur einem einzigen Nachmittag, richtet sich im „Letzte-Hilfe-Kurs“ die volle Konzentration auf das Tabu natürlicher Tod, auf das Sterben als Teil unseres Lebens. Dass wir alle, sobald wir geboren werden, irgendwann auch sterben müssen.

Wann genau beginnt das Sterben?

Diese an sich hoch abstrakte Gewissheit erleben pflegende Angehörige und Freunde Tag für Tag. Sie müssen eine praktische Antwort auf viele drängende Fragen finden: Wann beginnt – nach langem Siechtum – das Sterben? Was passiert dabei, wie kann ich Anzeichen erkennen? Was ist mit Flüssigkeit, Ernährung am Lebensende? Was tun, wie helfen, was ist in einer solchen Lage wichtig zu wissen?

Wohl jeder der 18 Teilnehmer an diesem Freitag im Düsseldorfer Aloysianum hat ein mulmiges Gefühl im stillen Stuhlkreis um eine Kerze. Soll ich mir das in meiner Freizeit tatsächlich antun? Die Antwort lautet: Unbedingt.

Tod ohne falschen Pathos und Tabus

Die Kursleiterinnen Barbara Krug (57) und Elisabeth Siemer (50) vom Palliative Care Team am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf und der ökumenischen Hospizgruppe Gerresheim zerstreuen die Sorge des Mittvierzigers, der seine schwer kranke Schwiegermutter pflegt, ebenso wie die der Dame, die sich um ihren eigenen Willen für den letzten Weg kümmern möchte. Der natürliche Tod – hier steht er intensiv mitten im Leben, ohne falsches Pathos und Berührungsängste.

„Die Muskulatur erschlafft, es wird viel Schleim hin- und herbewegt, es hört sich an, als wenn die Sterbenden wahnsinnig leiden, aber dafür sind sie schon zu weit weg“, erklärt Fachkrankenschwester Krug etwa die oft für den Sterbeprozess typische „Rasselatmung“.

„Natürlich“ sterben heißt: Die Organe stellen ihre Arbeit ein

Quälend und unnötig wäre, dieses Sekret immer wieder absaugen zu wollen. Selbst ein Darmverschluss, mit dem viele in der Notaufnahme landen, könne Teil des Sterbeprozesses sein. Dann sei das Ziel der liebevollen Zuwendung nur noch, Symptome zu lindern. Denn „natürlich“ sterben heißt: Die Organe stellen nach und nach ihre Arbeit ein.

Ärzte und Rettungsdienste müssen dagegenhalten, betont Krug. „Stabilisieren, einpacken, rein ins Krankenhaus“, umschreibt sie deren Mission. Da sein, zuhören, bleiben und aushalten – das sei hingegen die Rolle der Pflegenden in der letzten Lebensphase. Leichte Massagen, zart berühren, singen, zusammen beten, sitzend in den Armen halten nach dem „Känguruprinzip“ schafft Geborgenheit und lässt die Atmung wieder ruhiger werden. Instinktiv könne das jeder, sagt sie. „Man stirbt nicht, weil man aufhört zu essen und zu trinken, sondern man hört auf zu essen und zu trinken, weil man stirbt.“ – „Wenn man es aushalten kann, ist das Sterbebegleiten eine stärkende Erfahrung“, ermutigt Elizabeth Siemer. „Sie kann einen selber tragen.“

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Dabei sei der letzte Weg so individuell wie das Leben. Einige Sterbende könnten nur endgültig loslassen, wenn sie allein im Zimmer sind. Das sei manchmal bitter für Angehörige, die sich lange gekümmert haben. Der Kurs ermöglicht, selbst diesen Fall als etwas Natürliches zu akzeptieren und Frieden zu schließen.

„Es ist wie ein Erste-Hilfe-Kurs“, meint Wolfgang Pittermann (73), Kursteilnehmer der ersten Stunde, der seine erste Frau viel zu jung durch einen Hirntumor verlor. „Ich hatte ihr versprochen, dass sie zu Hause sterben kann, und habe das auch durchgehalten. Unterstützt vom Hausarzt und mobilen Palliativkräften.“

Was Menschen im natürlichen Sterbeprozess hilft

Der natürliche Tod kündigt sich meist an, bei Demenz ebenso wie bei Tumor- oder neurologischen Leiden. Der zu Pflegende hat immer weniger Interesse an Essen, Trinken, Berührung, Mitmenschen. Er möchte nur noch im Bett liegen bleiben.

Späte Anzeichen: Veränderte Bewusstseinslage, zunehmende Verwirrtheit, Atem und Kreislauf verändern sich. Tritt ein ganz tiefes, unregelmäßiges, teils rasselndes Atmen auf, reicht die Kraft meist nur noch wenige Tage. Das achtsame Umsorgen, Ängste nehmen, das Austrocknen von Mund, Lippen, Zunge zu verhindern wird dann ganz wichtig. Lippen vorsichtig z.B. mit Vaseline fetten, Mund/Zunge immer mal wieder mit einem Wasser getunkten Spezial-Stäbchen aus der Apotheke befeuchten oder besprühen. Immer mit sanfter Berührung vorab sagen, was man tut. Der Sterbende muss nichts mehr schlucken. Auch Flüssigkeitsinfusionen sind in der Sterbephase eher kontraproduktiv – das zugeführte Wasser staut sich in der Lunge.

Der Beistand durch ein ambulantes Palliativteam ist vor allem dazu da, um Symptome wie Atemprobleme, Darmverschluss, Verwirrtheit/Halluzinationen, Angst/Unruhe medikamentös zu lindern. Kursangebote in Wohnortnähe, Anbieter wie Malteser, Hospizvereine und Bildungswerke finden Sie im Internet:

www.letztehilfe.info