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Therapeuten-Paar„Männer gehen erst mit zur Paartherapie, wenn sie moralisch müssen“

Lesezeit 7 Minuten
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Dagmar Kieselbach und Thomas Hallet vor ihrem Beratungsraum in Köln.

  1. Dagmar Kieselbach und Thomas Hallet aus Köln sind seit 30 Jahren zusammen und arbeiten nun gemeinsam als Paarberater.
  2. Viele Probleme, mit denen ihre Klienten zu ihnen kommen, haben sie selbst erlebt.
  3. Im Gespräch erzählen sie von typischen Situationen und machen klar, wann ein Paar sich am besten Hilfe suchen sollte und wann es dafür zu spät ist.

KölnFrau Kieselbach, Herr Hallet, Sie haben neben Ihren normalen Jobs eine Ausbildung als Paartherapeuten gemacht. Hatte das etwas mit Corona zu tun? Die Lockdown-Zeiten waren für viele Paare eine große Zerreißprobe.

Thomas Hallet: Meine Frau arbeitet schon länger als Coach und war immer total beseelt, wenn sie im Lockdown jemanden positiv beraten konnte. Das hat mich sehr inspiriert. Wir haben dann gemeinsam überlegt, was wir in dieser Richtung machen könnten und haben uns für Paarberatung entschieden.

Sie sind seit 30 Jahren ein Paar und haben zwei Kinder. Vermutlich haben Sie viele Probleme selbst durchlebt, mit denen die Klienten zu Ihnen kommen.

Dagmar Kieselbach: Wenn man so lange zusammen ist, kennt man eine Menge Themen aus dem Paarleben. Mir ist es aber sehr wichtig zu sagen, dass unser Paarmodell nicht das einzig richtige und nicht das einzig funktionierende ist.

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Die beiden sind seit 30 Jahren zusammen und ergänzen sich bei der Beratung.

Aber dass Sie als Paar gemeinsam beraten, spielt doch sicher eine große Rolle für die Klienten. Erzählen Sie während der Beratung auch von sich und Ihren Erfahrungen?

Kieselbach: Wir geben keine detaillierten Einblicke in unser Beziehungsleben oder in die Krisen, die wir hatten. Aber wir können vermitteln, dass lange Beziehungen funktionieren und etwas sehr Erfüllendes sein können, wenn man sich im Auge behält.

Hallet: Wir haben uns auch selbst mehrfach von Paartherapeuten-Paaren beraten lassen.

Warum?

Hallet: Als die Kinder klein waren, ist unsere Beziehung darüber weggekippt. Das wollten wir auflösen.

Kieselbach: Wir haben uns aber auch in jüngster Vergangenheit noch einmal Hilfe geholt, weil wir ein Thema hatten, bei dem wir nicht weiter kamen. Ich finde es wichtig, dass die Menschen wissen, dass Paarberatung auch für einzelne Streitpunkte hilfreich sein kann.

Wie haben Sie die Paarberatung empfunden?

Hallet: Mir fiel der Zugang schwerer als meiner Frau. Man lernt aber, sich zu öffnen, zu reden und zuzuhören, ohne den anderen zu unterbrechen. Und auch, dass es einen Raum des Vertrauens gibt, in dem man gehört wird und in dem Dinge geschehen, die sonst nicht möglich wären. Das ist eine tolle Erfahrung.

Kieselbach: Für mich war es eine Lösungsoption, für meinen Mann erstmal ein bisschen bedrohlich. Aber wir wussten beide, dass wir etwas für uns tun müssen. Und wir haben gelernt, dass nicht erst die totale Katastrophe auf dem Tisch liegen muss, bevor man sich Unterstützung holt. Das hat uns durch unsere 30-jährige Beziehung getragen.

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Mal redet die eine, mal der andere. Absprechen müssen sie das vorher nicht.

Lassen sich Paare denn normalerweise erst beraten, wenn die totale Katastrophe auf dem Tisch liegt?

Hallet: Die Schwelle ist weiterhin ziemlich hoch, vor allem für Männer. Sie kommen meist erst dann mit, wenn sie moralisch müssen. Vielleicht haben sie Angst, dass die Frauen sich mit den Therapeuten gegen sie verbünden. Besser wäre auch, wenn es Paarcoaching hieße, nicht Paartherapie. Deshalb bezeichnen wir uns lieber als Paarberater.

Wenden sich die Männer im Gespräch eher Ihnen zu, Herr Hallet?

Hallet: Das Anfangsvertrauen ist auf jeden Fall geschlechtsbezogen. Unser Vorteil ist, dass wir mit beiden Perspektiven auf zwei andere Perspektiven schauen können. Das ist nicht automatisch so geregelt, dass ich mit den Männern rede und meine Frau mit den Frauen, sondern das geht auch oft über Kreuz.

Was bringt Paare final dazu, sich Hilfe zu suchen?

Kieselbach: Wenn man sich entschieden hat zu kommen, ist irgendetwas zu Ende gegangen in der Beziehung, wie man sie ursprünglich mal angetreten hat. Sehr häufig ist eine Verletzung vorgefallen und einer treibt den anderen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, das machen wir sehr früh klar. Wir schauen, ob die Paare die Chance noch einmal nutzen wollen. Und die meisten wollen, wenn sie erstmal hier sind.

Mit welchen Problemen kommen die Leute zu Ihnen?

Hallet: Der Klassiker ist Untreue. Aber es gibt auch Themen, mit denen man nicht rechnet, zum Beispiel eine Schwiegermutter, die zu präsent ist.

Kieselbach: Die meisten Klienten sind älter als 40. Wir würden uns sehr freuen, wenn auch jüngere Paare zu uns kämen, denn die haben ja nochmal ganz andere Probleme.

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Wann sollten Paare eine Beratung aufsuchen?

Hallet: Nicht erst dann, wenn eine Krise bereits ausgebrochen ist und man schon einen riesigen Ballast mit sich schleppt. Eine Beratung wäre auch hilfreich für jüngere Paare mit kleinen Kindern, die merken, dass sie nur noch eine Erledigungsbeziehung leben. Wenn Kinder in die Beziehung kommen, verändert sich so viel. Vielen ist gar nicht bewusst, warum dann Konflikte entstehen. Wenn in diesem Stadium ein Impuls für eine Beratung käme, wäre das Paar vielleicht nach einer Stunde schon in der Lage, die Arbeit selbst fortzusetzen.

Sind Kinder ein Beziehungskiller?

Hallet: Wenn Kinder da sind, entstehen den ganzen Tag Stressmomente. Und die stressen die Beziehung. Es gibt immer etwas zu erledigen und immer etwas zu besprechen, aber das Paar redet nicht mehr miteinander. Wenn man da nicht rechtzeitig aussteigt, ist die Beziehung irgendwann erledigt.

Kieselbach: Wir geben dann den Impuls, sich Entlastung zu suchen, Paarinseln zu finden und bewusst miteinander zu reden, wenigstens 15 Minuten am Tag. Den anderen fragen, wie es ihm geht. Und selbst sagen, was einen beschäftigt. Das kann manchmal schon reichen, um zwei Menschen wieder zueinander zu bringen.

Oft entlastet es die Paare auch, wenn sie hören, dass es eigentlich allen jungen Eltern so geht, aber keiner darüber redet, weil man glaubt, mit einem Kind werde die Beziehung komplett. Alles ist in unserer Gesellschaft rosarot gefärbt. Aber die Wahrheit ist leider brutal anders. Heutzutage wird viel zu viel erwartet: Beruflich erfolgreich, tolle Eltern, gute Freundin, sich um die Eltern kümmern, und ach ja, da war ja auch noch eine Beziehung. Aber der oder die ist ja sowieso da.

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Auch die Körpersprache drückt aus, wie vertraut die beiden miteinander sind.

Kommen Ihre Klienten immer zu zweit oder manchmal auch einzeln?

Kieselbach: Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, mal ein Einzelsetting zu machen, aber in der Regel kommt das Paar gemeinsam. Sonst macht es nicht so viel Sinn. Man muss bereit sein, den Prozess gemeinsam zu durchleben. Mit uns im Gespräch werden Gedankengänge losgetreten. Aber die eigentliche Arbeit geschieht zwischen den Sitzungen. Wir haben mindestens zwei, oft auch vier Wochen Pause zwischen den einzelnen Terminen.

Wie viele Sitzungen planen Sie normalerweise pro Paar ein?

Kieselbach: Dafür gibt es kein Rezept. Die Paare, die zu uns kommen, wollen ja an ihrer Beziehung arbeiten und sind bereit, sich zu öffnen. Manche kommen deshalb mit einer oder zwei Sitzungen schon gut zurecht und können den Knoten lösen.

Die Paarberater

Dagmar Kieselbach (57) und Thomas Hallet (62) sind seit 30 Jahren ein Paar und haben zwei erwachsene Kinder. Neben der Paarberatung arbeitet sie als Business- und Persönlichkeitstrainerin, er unter anderem als Redakteur des WDR-Beziehungs-Podcasts „Lisas Paarschitt“. Beide haben Anfang 2021 eine Ausbildung in systemischer Paartherapie am Institut für Systemische Ausbildung und Entwicklung Weinheim abgeschlossen.

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Homepage.

Wie läuft so eine Sitzung normalerweise ab?

Kieselbach: In der Regel führt einer von uns ein telefonisches Vorgespräch, in dem das Anliegen aufgenommen wird. Dann wollen wir verstehen, wer da vor uns sitzt und lassen uns über die jeweiligen Biografien erzählen. Da merken wir meistens schon, wie die Paare interagieren. Ganz wichtig ist auch, dass abgeklärt wird, welche Erwartungen das Paar hat. Dazu fragen wir beide Partner einzeln, was für sie ein gutes Ergebnis wäre.

Was, wenn einer sich trennen will und der andere nicht?

Hallet: An einer Beziehung kann man nur zu zweit arbeiten. Eine Beziehung beenden kann dagegen auch einer allein. Wenn einer ganz klar eine Trennung will, kann man das nicht ändern. Oft wurde der Trennungswunsch allerdings noch nicht so klar ausgesprochen. Es kann dann sehr erleichternd sein, das zu tun.

Welches Feedback bekommen Sie von Ihren Klienten?

Kieselbach: Am häufigsten hören wir, dass wieder ein Gespräch in Gang gekommen ist, dass wieder Verständnis und Wohlwollen entstanden ist. Sich gegenseitig zuzuhören, ohne sofort zu reagieren und in die Verteidigung zu gehen, ist das Geheimrezept für jedes Paar. Das ist etwas, was wir hier vermitteln möchten.