Schon wieder keine Schule„Mein kleiner Sohn hat geweint, als ich es ihm sagen musste“
Köln – Jetzt also wieder: Schule zu. Distanzunterricht. Der letzte Tag der Osterferien beginnt für mich mit einer Mail aus der Schule, die ich gerne nicht bekommen hätte. Sie kam bereits gestern Abend kurz vor Mitternacht mit dem Betreff: „Achtung! Ab Montag wieder Distanzlernen!“ Die Schule hätte sie nicht viel früher schicken können, denn sie hatte selbst erst um 20 Uhr eine entsprechende Anweisung vom Schulministerium erhalten – am vorletzten Tag der Osterferien. Genau wie in den Sommer-, Herbst- und Weihnachtsferien auch wussten also bis einen Tag vor Ende weder Lehrer, Eltern noch Kinder, wie es am Montag weiter gehen soll. Wie kann das sein?
Von zwei Schuljahren nur acht Monate in der Schule gewesen
Mein kleiner Sohn geht in die zweite Klasse einer Kölner Grundschule. Von seiner gesamten Schulkarriere hat er ganze acht Monate normal im Klassenzimmer gesessen. Die restliche Zeit verbrachte er entweder zuhause im Distanzlernen – beim ersten Mal noch ohne Zoom-Konferenzen und allein gelassen mit Arbeitsblättern – in Quarantäne (zwei Mal) oder in modernisiertem Distanzlernen mit zwei Video-Konferenzen am Tag.
Kurz vor den Osterferien durfte er wenige Wochen lang für immerhin zwei oder drei Tage wieder mit der Hälfte seiner Klasse in die Schule gehen. Schon lange habe ich ihn nicht mehr so glücklich und gelöst erlebt wie in diesen kostbaren Wochen der Hoffnung. Endlich wieder raus aus der Wohnung! Endlich wieder Freunde treffen und spielen! Endlich wieder etwas von der Lehrerin lernen und nicht von den gestressten Eltern, die selbst arbeiten müssen. Endlich wieder Bewegung auf dem Schulhof! Endlich mal was anderes sehen als die eigene Familie. Wie glücklich die Kinder waren! Wie gut ihnen das bisschen Normalität, die Struktur und auch die Ansprache von außen tat.
„Ich möchte sooo gerne wieder in die Schule!“
Ich hatte kaum zu hoffen gewagt, dass dieses Mini-Glück nach den Ferien tatsächlich weiter gehen würde, aber ganz aufgegeben hatte ich die Hoffnung auch noch nicht. Die Mail aus der Schule traf mich hart. Von den organisatorischen Problemen mal ganz abgesehen fragte ich mich vor allem: Wie soll ich das meinem kleinen Jungen beibringen, der sich so auf seine Freunde und seine Lehrerin freut? Der seit einem Jahr seinen Hobbys nicht nachgehen kann und dessen einziger Höhepunkt der tägliche Spaziergang ist? Der von Tag zu Tag mehr Energie und Freude verliert?
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Ich sagte es ihm direkt nach dem Aufstehen. Er fing sofort an zu weinen und saß wie versteinert im Bett: „Ich möchte sooo gerne wieder in die Schule! Ich will nicht mehr alleine zuhause lernen“, brach es aus ihm heraus. Ich weiß mittlerweile nicht mehr, wie ich ihn trösten soll. „Wir schaffen das schon“, ist alles, was ich sagen kann. Dass es nur eine Woche sein soll, sagte ich ihm nur ganz leise, weil ich selbst nicht daran glaube.
Die Kinder haben alles klaglos mitgemacht
Erster Lockdown, alleine zu Hause lernen, Zoom-Konferenzen, ein paar Tage wieder in die Schule, Masken auf, nur die Hälfte der Klasse sehen, abwechselnd zuhause und in der Schule lernen: Die Kinder haben alles klaglos mitgemacht und sich besser als viele Erwachsene an das Chaos angepasst. Und jetzt ist schon wieder alles anders. Und das vor allem, weil es nicht möglich sein soll, rechtzeitig genügend Tests in die Schulen zu liefern? So langsam geht mir echt die Puste aus bei dem Versuch, irgendwie noch Verständnis aufzubringen.
Erstklässler wissen gar nicht, wie Schule normalerweise ist
Von den organisatorischen Schwierigkeiten, vor denen berufstätige Eltern und vor allem auch die Lehrer jetzt wieder stehen, rede ich gar nicht erst. Dazu ist in den vergangenen 13 Monaten alles gesagt worden. Mir geht es um die Kinder. Da sind Erstklässler, die noch keinen Tag normal in der Schule waren und nicht erfahren konnten, was das bedeutet. Fünftklässler, die auf die weiterführende Schule gekommen sind und ihre neuen Klassenkameraden noch nie richtig kennengelernt haben. Kinder, die seit mehr als einem Jahr alleine gelassen werden. Die keinen Sportunterricht haben, keinen Laternenumzug, keine Weihnachtsfeier und keine Karnevalsparty machen durften, die schon zum zweiten Mal ihren Geburtstag nicht feiern können. Von all dem versäumten Lernstoff gerade in der Grundschule mal ganz zu schweigen.
Natürlich müssen wir Kontakte reduzieren und die Pandemie eindämmen. Aber denkt irgendjemand auch mal an die Kinder und wie es ihnen mit diesem ständigen Hin und Her geht? Wenn sie eins gelernt haben in diesem Jahr ohne Schule, dann, dass sie sich auf nichts verlassen können und dass es niemanden interessiert, was sie eigentlich möchten. Ich finde, dass sollte genauso viel zählen wie der Inzidenzwert.