Schulexperte Paul Klingen erklärtWie Kindern das Lernen besser gelingt
- Es gibt Fächer, in denen kostet es Schülerinnen und Schüler enorme Mühe, um überhaupt befriedigende Benotungen zu erhalten.
- Im durch die Pandemie bedingten Homeschooling hat sich die Situation bei den meisten Kindern nicht verbessert.
- Schulexperte Paul Klingen gibt Tipps, wie Schülerinnen und Schülern das Lernen besser gelingt. Auch die Eltern spielen dabei eine Rolle.
Wer Erfolg hat, dem machen Schule und Lernen Spaß. Wer keinen Erfolg hat, definiert Lernen als permanentes Überwinden von Schwierigkeiten. Ja, natürlich sitzen in der Schule auch Schüler, denen es der Herr im Schlaf gab. Sie lernen mit beneidenswerter Leichtigkeit, müssen sich für gute Noten nicht sonderlich anstrengen, reihen Erfolgserlebnis an Erfolgserlebnis. Zu diesen Wenigen gesellt sich die Masse derer, die sich mehr oder minder gut durch den Schulalltag schlägt. In Fächern, die ihnen liegen, sind die meisten recht passabel. In den anderen Fächern kostet es enorme Mühe, um zumindest in der befriedigenden Mitte zu landen.
Wenn jedoch Schulfach, Lehrer und Schüler so gar nicht zusammen passen wollen, ist die Talfahrt in Leistung und Schulnoten programmiert. Hinzu kommt aktuell, dass in den coronabedingten Wochen des Homeschoolings Schüler aus dem Lernalltag wegtauchten. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass viele nur rund 3,5 Stunden täglich fürs Lernen investierten – wenn überhaupt –, aber deutlich mehr Zeit für Videospiele und ähnliches. Mit Wiederbeginn des Präsenzunterrichts stehen also nicht gerade wenige vor einem Hürdenlauf über die Wissenslücken aus der Homeschooling-Ära.
Eltern: Nicht mehr Hilfe als nötig
Der Lernexperte Paul Klingen versucht genau da anzusetzen, nämlich Schülern Methoden an die Hand zu geben, mit denen sich besser, leichter und effektiver lernen lässt – sogar in Fächern, die man am liebsten schwänzen würde. Dazu gehören auch Eltern, die dem Kind so viel Hilfe geben sollten, wie es benötigt – aber nicht mehr. „Wenn das Kind sagt, könnt ihr mir mal helfen, ist das eine gute Voraussetzung“, so Klingen. Helikopter- oder Curling-Eltern, letztere eine Spezie, die jedes vermeintliche Risiko vom Kind fernhalten will, führen mit ihrem oftmals grenzüberschreitenden Verhalten dazu, dass Lehrer kaltes Schaudern überfällt. „So ein Eltern-Verhalten ist fatal fürs Kind, da es im ständigen Konflikt zwischen Eltern und Lehrern steht. Das macht krank“, sagt Klingen. „Dem Wohl des Kindes ist es dienlich, wenn sich Eltern und Lehrer austauschen“ – aber bitte richtig. Was meist an herkömmlichen Elternsprechtagen nicht der Fall ist, so Klingens Resümee.
Die „Kultur der Elternsprechtage“ müsse reformiert werden, so Pädagoge Klingen. Nicht selten seien Eltern meist nur Info-Empfänger wegen nicht ausreichender Leistungen des Sohnes, der Tochter, mangelnder Teilnahme am Unterricht und ähnlichem. „Lehrer sollten keine Appelle und Vorwürfe an Eltern richten, weil dadurch Eltern zum Handlanger der Lehrer werden.“ Effektiver sei, wenn Eltern und Schüler den Sprechtag nutzen um den Lehrer zu fragen: Was kann ich tun, um dies oder jenes zu verbessern? Können wir gemeinsam überlegen, wie wir vorgehen wollen und sollen? Was ist am Lernverhalten zu ändern und wie lässt sich das umsetzen?
Fester Zeitplan ist ein Muss
„Ohne einen festen Tages- und Wochen-Zeitplan geht es nicht“, erklärt Klingen. Das beinhaltet, dass man sich festlegt: Mathe lerne ich von dann bis dann, Englisch danach, dann Physik und Biologie. Kluges Lernen bedarf der Gedächtnis- und Lernmethoden sowohl in der Schule als auch zu Hause. Die Grundvoraussetzung ist „sich zu konzentrieren, nicht ablenken lassen, auch dann nicht, wenn der Unterricht schlecht ist, das Schulfach einem partout nicht liegt“.
Wer an seinem Schreibtisch zu Hause gut lernen kann, sollte das beibehalten. Wenn es in der heimischen Lernecke nicht klappt, muss man sich andere Orte suchen. Sprache lernt sich bestens in freier Natur: Kopfhörer auf, Lernprogramm hören, laut nachsprechen. Klingen: „Lernen in Bewegung ist optimal. Das Gehirn wird mit Sauerstoff versorgt und arbeitet besser.“ Wer auf der Matratze oder im Lümmelsessel den Lernstoff pauke, „der kommt in einen Zustand der Erholung und Meditation, was nicht sonderlich produktiv für den Lernprozess ist“.
Es dem Lehrer zeigen wollen
Für den Unterricht in der Schule gelte: „Listen to the speaker, look at the speaker“ – also „Hör dem Sprecher zu, schau den Sprecher an“. In dem Fall den Lehrer. Was das bringt? Aufmerksamkeit und Konzentration, was meist vielen während des Unterrichts abhanden kommt.
Diese Methode ist schweren Herzens auch im Unterricht mit einem Lehrer einzusetzen, den man nicht sonderlich mag. Spätestens dann „muss man sich nämlich selbst motivieren“. Klingen schildert das so: „Ok, Geschichte ist doof, der Lehrer ist auch doof. Man denkt nur, hoffentlich ist die Stunde bald vorbei. Wenn ich mich so verhalte, bleibe ich ein schlechter Schüler.“ Besser sei es sich zu fragen: Was mag ich an Geschichte nicht, ist alles langweilig oder gibt es einiges, das ich ganz gut finde. „Dann sollte man dem Lehrer anbieten, über ein Thema, das man sich selbst ausgesucht hat, einen Beitrag zu liefern. Voraussetzung ist, dass der Lehrer das zulässt.“ Wenn das nicht greift, kann man nur „die Faust in der Tasche machen und sich schwören, dass ich es dem Lehrer zeigen will“. So hat es Paul Klingen auch gemacht, der auf dem zweiten Bildungsweg das Abendgymnasium besuchte. Dort hat die Englischlehrerin ihm das Leben schwer gemacht. „Da habe ich mir geschworen: Du schaffst es nicht, mich klein zu kriegen.“
Keine Boshaftigkeit, sondern Überforderung
Dass Schüler eine tiefe Abneigung gegen ein Schulfach entwickeln, sei meist dem Lehrer geschuldet. Dabei hat Klingen bei seinen Schülerbefragungen und Analysen oft festgestellt, dass „alle, die neu aufs Gymnasium gekommen sind, in der Regel lernfreudig und neugierig waren. Das wurde ihnen nicht selten vom Lehrer ausgetrieben“. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern meist aufgrund Überforderung.
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Zu den ungeliebten Fächern, meist in Kombination mit der Lehrkraft, gehören Physik, Biologie, Mathematik. „Besonders wenn der Schritt auf die abstrakte Ebene gemacht wird, ist der Weg für viele Schüler schwer nachzuvollziehen.“ Ein Grund sei, dass Lehrer den Stoff traditionell auf die immer gleiche Art und Weise erklären, was Kindern den Zugang zum Wissen deutlich erschwere.
Wiederholungen für die Verankerung im Arbeitsgedächtnis
Da man sich jedoch „wohl oder übel auf das Thema und den Lehrer einlassen“ muss, lohnen sich Lernstrategien für den Unterricht und zu Hause. Klingen: „Im Lernstoff das unterstreichen oder aufschreiben, was man nicht verstanden hat, wo man nachfragen muss und möchte.“ Der Knackpunkt sei, dass die Infos ins Arbeitsgedächtnis müssen. „Um das Arbeitsgedächtnis zu füttern, muss man die Dinge ständig wiederholen, bis sie dort verankert sind. Bei dem einen geht das schnell, andere brauchen länger“, erklärt der Lernexperte. Nur was im Arbeitsgedächtnis verankert ist schafft den Weg ins Langzeitgedächtnis. Klingen: „Lernen funktioniert wie Sport: Die Übung muss man x-mal machen, bis sie sitzt.“
Veranstaltung „Clever lernen – pfiffige Methoden“
Donnerstag, 27. August, 18 Uhr,studio dumont, Breite Straße 72, Köln
Experte: Paul Klingen, Lehrer, Seminarleiter im Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung, Experte für effektive Lernmethoden für Schüler sowie Buchautor u.a. von „Schule ohne Nebenwirkungen“
Moderation: Marie-Anne Schlolaut
Karten:Im Vorverkauf: 16 Euro bzw. 13 Euro mit AbocardAbendkasse 18 Euro, 15 Euro mit AbocardAbocard-Hotline: 0221/ 28 03 44www.abocard.de/ticketswww.forumblau-akademie.deKölnticket: 0221/ 28 01www.koelnticket.dewww.forumblau-akademie.de
Lehrer sind für den Lehrer Paul Klingen aber nicht die Buhmänner. Der Schulalltag verlange von ihnen mittlerweile deutlich mehr als nur Vermittlung von Wissen. Ein Pädagoge müsse vor allem die eindeutige Befugnis haben, Selbstdisziplin von Schülern einzufordern, ohne dass ein übereifriger Vater gleich mit einer Klage drohen kann. „Das Gequatsche im Unterricht muss abgestellt werden, denn das hebelt das Arbeitsgedächtnis aus. Wenn einem Schüler etwas nicht passt, muss er bis zum Ende der Stunde warten und es nicht einfach in die Klasse rufen.“ Klassendisziplin oder neudeutsch „Classroom-Management“ muss der Lehrer einfordern. „Denn“, so Klingen, „ wer nicht beschäftigt ist, der beschäftigt sich anderweitig.“